2015-02-24



Prophet-Partner Felix Stöckle über die Zukunft der Autoindustrie, neue Mobilitätslösungen und die Wünsche der Generation Y/ Internationale Umfrage in drei Ländern.

Frage: Herr Stöckle, Sie haben junge Menschen (18 bis 34 Jahre) in einer internationalen Umfrage nach der Bedeutung des Autos in ihrem Leben befragt. Wie ticken die jungen Konsumenten?

Felix Stöckle: Das Auto spielt bei den jungen, smarten Konsumenten natürlich weiterhin eine wichtige Rolle, aber der Stellenwert in ihrer Skala der persönlichen Bedürfnisse ändert sich. Das Auto wird zum Gebrauchsgegenstand. Früher haben die Menschen lange für neues Auto gespart und sich dann den mobilen Traum erfüllt. Nun kaufen sich die meisten der von uns in Deutschland, England und den USA befragten jungen Menschen (in Deutschland sind es 69 Prozent) lieber ein gebrauchten Wagen, geben ihr Geld eher für Elektronik, Freizeit oder Reisen aus. Vor allem Frauen treten beim Kauf eines Autos auf die Bremse. Nur noch 30 Prozent der jungen weiblichen Käufer können sich vorstellen, einen Neuwagen zu kaufen. Die sogenannte Generation Y hat bei der individuellen Mobilität eben andere Bedürfnisse als ihre Eltern oder Großeltern hatten. Hier müssen die Autokonzerne schnell neue Antworten finden.

Frage: Ist es nicht mehr schick, einen flotten Flitzer in der Garage zu haben?

Felix Stöckle: Autos haben als Ausdruck gesellschaftlichen Wohlstandes eine immer geringere Bedeutung. Zwei Drittel der Befragten in Deutschland meinen, in ihrem Freundeskreis habe das Auto als Statussymbol ausgedient. In England hingegen ist es immerhin noch die Hälfte der Befragten, die dem Auto eine gewisse gesellschaftliche Bedeutung gibt. Und in  den USA messen sogar 53 Prozent der jungen Konsumenten dem Auto eine wichtige Rolle innerhalb ihres Freundeskreises zu.  Die Zukunft der Autoindustrie liegt aber offenbar nicht mehr im Besitz eines Autos, sehr wohl aber weiterhin in dessen Nutzung.

Frage: Für die sogenannten Millennials, die smarten Konsumenten der Generation Y, sind schicke Gadgets und schnelle Computer wichtiger als schnelle Autos?

Felix Stöckle: Es geht immer mehr in diese Richtung.  Für rund die Hälfte der Befragten in Deutschland hat das neuste Smartphone einen höheren persönlichen Stellenwert als das aktuellste Automodell. Smartphone first, Auto second. Der Trend hat uns in dieser Deutlichkeit schon sehr überrascht. Das ehrwürdige Auto konkurriert offenbar mit dem Smartphone. Es gilt: Freude am Surfen, statt Freude am Fahren. BMW gegen Apple. Die jungen, smarten Konsumenten haben eben ganz andere Bedürfnisse als die früheren Generationen. Viele Hersteller arbeiten daher bereits intensiv an neuen kreativen Mobilitätslösungen.

Frage: Ist das gemeinsame Nutzen von Autos das Mobilitätskonzept der Zukunft?

Felix Stöckle: Für die Ballungszentren dieser Welt gilt das bestimmt. Ob in Europa, Amerika oder Asien – große Städte ersticken an dem Auto-Verkehr. Da sind neue Mobilitätslösungen wichtig. Und Car-Sharing trifft den Nerv der Zeit. Über 70 Prozent der Befragten in Deutschland meinen, dass Car-Sharing eine sinnvolle Alternative zum Besitz eines eigenen Autos und ein Modell mit Zukunft sei. Zudem gilt nach unseren Beobachtungen der Trend: Je höher die Bildung, desto unwichtiger das eigene Auto. Auch in England und den USA wird dies mehrheitlich so gesehen, die Amerikaner sind allerdings bei diesem Punkt noch etwas zurückhaltender. Für sie haben die Autos, auch wegen der Größe des Landes, noch eine höhere Bedeutung. Mächtige Karossen mit kräftigen Motoren sind dort öfter als bei uns Ausdruck einer selbstbewussten, individuellen  Lebenseinstellung.

Frage: Wird die digitale Vernetzung von Autos, das Internet auf vier Rädern, die Generation Y begeistern und den Besitz wieder attraktiver machen?

Felix Stöckle: Die Menschen stehen nach unserer Beobachtung der digitalen Vernetzung von Autos noch sehr skeptisch und abwartend gegenüber. Sie erkennen den persönlichen Nutzen nicht und fürchten von noch mehr Elektronik und Services im Auto abgelenkt zu werden. Immerhin 61 Prozent meinen, dass immer mehr Internet-Services die Gefahr eines Unfalls erhöhen. Zudem liefern die meisten Smartphones bereits die Dienste, die aufwändig und teuer in die Autos integriert werden. Nutzer können über ihre Mobiles navigieren, kommunizieren, mailen, Musik hören und Apps nutzen. Und über eine Bluetooth-Schnittstelle können die Services dann bedienerfreundlich im Auto zu Verfügung gestellt werden. Das Smartphone selber wird zur Mobilitätslösung für die Generation der unter 30jährigen. Es kann Dienste wie Car-Sharing, Bahn- und Busfahrten oder Mitfahrgelegenheiten zu einer Gesamtlösung anbieten. Das Smartphone wird zum Mobility-Hub der Generation Y.

Frage: Sind die Autokonzerne mit ihren Produkten und Diensten strategisch richtig aufgestellt? Wie können Sie die Millennials besser erreichen?

Felix Stöckle: Die Automobilhersteller sollten ihre Segmentierungsstrategie überdenken und dabei berücksichtigen, dass das Kundenerlebnis rund ums Auto immer digitaler wird. Es geht also um ein besseres Verständnis darüber, wie sich das Auto heute in den zunehmend digitalen Lebensstil einfügt und welche Rolle es spielt. Dabei sollten die Automobilhersteller die digitalen Dienste nicht alle neu entwickeln, sondern Smartphones und vorhandene Apps besser ins Auto integrieren. Das Auto ist also eher ein Frontend mit Displayfunktion. Das Limit dabei ist allerdings die Bedienbarkeit. Weniger ist hier häufig mehr und eine konsistente, kundennutzenstiftende Customer Experience sollte das Ziel sein. Die Autokonzerne müssen bei ihrer Digitalisierungs- und Innovationsstrategie also eine Brücke bauen zwischen dem, was heute sinnvoll ist, und dem, was morgen möglich ist. Und sie müssen die Kunden auf diesem Weg abholen und mitnehmen.

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Das Interview führte Andreas Nölting

www.andreasnoelting.de

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