2016-10-28

Das diesjährige Open Source Business Forum stand ganz im Zeichen der Digitalen Transformation. Die Frage, wie mit Open Source die Digitale Transformation unterstützt wird und kann, interessiert. Dementsprechend war der Anlass vom 26. Oktober 2016 recht gut besucht. Durchgeführt wurde die Veranstaltung „Open Source Business Forum“ in Bern in Kombination mit den CH Open Source Awards 2016. Gastgeber und Organisator war zum wiederholten Mal der Open Source Förderverein CH Open und die Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit der Universität Bern. Besten Dank an dieser Stelle an die Organisatoren.

Prof. Dr. Thomas Myrach (Direktor der Abteilung Informationmanagement am Institut für Wirtschaftsinformatik, Universität Bern) hat es bei seiner Begrüssung gleich auf den Punkt gebracht:

„Die Kombination Open Source und Digitale Transformation hat gleich eine doppelte Notation. Beides hat und wird einiges anstossen.“

OSS hat bereits sehr vieles an Umwälzungen aka Disruptionen im IT-Umfeld mit sich gebracht. Vieles ist im Alltag wohl nicht so ganz direkt spürbar wie man meinen könnte, respektive meist nicht besonders offensichtlich (was ja sehr für OSS spricht). Ein besonders eindrückliches Beispiel für diesen Wandel hat sich aber in den letzten Monaten bei Microsoft sehr deutlich manifestiert. War Microsoft in den vergangenen Jahren noch einer der Erzfeinde aller Open Source Projekte, welchen es auf Biegen und Brechen zu bekämpfen galt, hat sich das Unternehmen zu einem fleissigen, gar streberhaften, OSS-Contributor gewandelt. Und dann im September 2016 dann die überraschende Schlagzeile:

„Microsoft has more open source contributors on GitHub than Facebook and Google.“

Vor wenigen Jahren war es noch undenkbar, dass der Software Gigant überhaupt in einem spürbaren Mass sich an OSS-Projekte beteiligen würde. In OSS steckt also einiges an Sprengstoff vom hochexplosiven Typ „Disruption“ drin.

Und dass die Digitale Transformation schon vieles verändert hat, erleben, oder zumindest hören und lesen, wir ja tagtäglich in den Medien. Dementsprechend war ich auch sehr gespannt an dieser Veranstaltung über dieses Doppelpack an Disruption noch mehr zu erfahren.

Wo bleibt hier die Digitale Transformation?

Von der eigentlichen Digitalen Transformation habe ich aber dann eigentlich zu wenig gesehen und gehört. Marco Rohner (Vorstand CH Open und Organisator OSBF 2016), hat es bei seiner Begrüssungsrede noch betont:

„Innovationstreiber kommen zunehmend aus dem Bereich Open Source.“

Aber leider habe ich aber im Laufe des Tages mehr über Docker, Docker und Docker gehört als mir lieb war. Ach ja, der ELK-Stack kam auch noch vor und das eine oder andere Framework, CI, CD, DevOps, …. Technisch gesehen alles durchaus wichtig, richtig, angebracht, spannend und innovativ. Und in diesen Bereichen hat ja Open Source Software vieles zu Stande gebracht und bewegt, also Innovation ermöglicht und gar gemacht. Also ganz im Geiste der Digitalen Transformation. Aber die Digitale Transformation ist eben nicht nur eine rein technische Geschichte. Und persönlich sehe ich die technischen Errungenschaften durch Open Source als absolut wichtig, aber die weiteren Komponenten, welche dahinter stecken, sehe ich als noch viel bahnbrechender. Beispielsweise die Sharing-Economy (Uber, Airbnb um nur zwei der bekannteren zu nennen) wäre nie in dem Ausmass zustande gekommen, wenn nicht eine entsprechende Geisteshaltung diese ermöglicht hätte. Und ich bin nach wie vor überzeugt (nennt mich naiv), dass auch OS-Gedankengut seinen Beitrag dazu geleistet hat um diese Geisteshaltung auszubilden.

Egal wie man das sieht: Das eine bedingt das andere – und ich hätte mir gewünscht, dass wir als OS-Community es schaffen eben auch mal mehr über „das Andere“ zu reden. Also nicht nur über die eigentliche Technik die dem Ganzen zu Grunde liegt, sondern eben über die damit eingeläutete Transformation.

Eine mögliche Definition der Digitalen Transformation

Zu Beginn wäre mal zu klären, was unter dem Buzzword Digitale Transformation überhaupt zu verstehen ist, respektive wie die Veranstalter diesen Begriff im Rahmen des OS Business Forum auslegen möchten. Das wurde leider verpasst.

Der Begriff ist ja in aller Munde, begriffen haben ihn nach wie vor die wenigsten. Zu oft wird die Digitale Transformation eindimensional betrachtet. Und man redet dann von etwas, ohne zu definieren, wovon man eigentlich redet. Dabei muss man gar nicht so weit suchen um eine passable und schlüssige Definition zu finden. Und ja, auch ich weiss, dass es nicht DIE Definition gibt, aber egal wer auch immer versucht den Begriff mit seiner Definition zu besetzen, definiert ihn als eine multidimensionale Herausforderung. Meine derzeit liebste Definition ist übrigens vom MIT Center for Digital Business:

“We define Digital Transformation as the use of new digital technologies to enable major business improvements such as enhancing customer experience, streamlining operations or creating new business models.“

Das ist nicht nur knackig formuliert, sondern auch noch verständlich. Gefunden habe ich diese schöne Definition übrigens nicht selber, sondern Patrick Aubert de la Rüe hat sie im Rahmen unserers vergangenen WebTalks zum Thema Digitale Transformation mir näher gebracht.

Digitale Transformation ist mehr als eine reine IT-Herausforderung

Im Sinne der „new digital technologies“ wäre somit schon mal klar, dass OSS ein Enabler ist und damit neue Möglichkeiten eröffnet. Nun könnte man im Rahmen dieser Veranstaltung doch diskutieren, ob und welchen Beitrag OSS eben zu diesen neuen Technologien beigetragen, oder einfach nur bestehende Software anders umgesetzt hat.

„Streamlinig Operations“ können wir DevOps-technisch gesprochen mit „Docker, CI, CD“ zusammenfassen. Das wurde in den diversen Vorträgen auch ausführlichst gemacht. Der Aspekt hat aber noch zahlreiche weitere Facetten, welche auch für nicht DevOps spannend sind: Digitalisierung von Prozessen und Performance Management um nur wenige zu nennen. Was ist damit?

Und was ist mit den Gesichtspunkten „enhancing customer experience“, „creating new business models“? Diese lassen sich nicht so einfach mit DevOps-Ansätzen, Produkten und „Marken“ wie Suse, RedHat, IBM beantworten. Ansatzweise habe ich dazu zwar in den einzelnen Präsentationen davon etwas gehört. Aber leider waren die meisten Vorträge einfache Produktpräsenationen und mehr nicht. Dabei wäre es ja eigentlich einfach gewesen: Gelungene Beispiele für „Creating new business models“ hat ja der anschliessende Business Award in der Kategorie „Open Data“ aufgezeigt. So haben da die beiden sympathischen Herren von EngineerIT GmbH mit ihrer „Zürich Gratis Veloverleih App“ aufgezeigt, was mit dem „Open“-Gedanken ansatzweise möglich wäre.

Welche Aspekte beinhaltet die Digitale Transformation im Zusammenhang mit „enhancing customer experience“? Die zentralsten Teilaspekte, welche Unternehmen in diesem Zusammenhang zu betrachten haben, sind: Customer Understanding, Customer Touch Points, Wachstum/Umsatzwachstum ermöglichen. Vielleicht könnte man da die schnellere Time to Market anführen, welche unter anderem durch OS-Produkte vermehrt ermöglicht wird und somit die Customer Experience unterstützen kann? Aber auch das dünkt mich dann eben etwas zu einseitig, sprich das Thema zu sehr aus der technischen Brille zu betrachten. Vielleicht haben Sie, liebe/r LeserIn ein besseres Beispiel?

Mein Fazit

Alles in allem war der Anlass für meinen Geschmack leider etwas gar einseitig ausgerichtet und zu sehr produkt-/marketinglastig. Ich verstehe und akzeptiere es, dass die Sponsoren, welche es überhaupt ermöglichen, dass der Anlass ohne Eintrittsgebühr durchgeführt werden kann, primär ihre Produkte in den Fokus stellen möchten. Und der Begriff „Digitale Transformation“ bietet sich natürlich dafür an, denn dieser ist ja nicht scharf umrissen, somit dehnbar und man kann wunderbar alles in diesen Kontext verpacken. Dem Anlass hat das aber nicht gut getan.

Ich hätte mir gewünscht, dass der Anlass sich mehr auf Gesichtspunkte neben der reinen Technik einlassen würde. Oder wenigstens diese zahlreichen Facetten der Digitalen Transformation erwähnt hätte. Das wäre für diesen, meinen Erachtens ganz wichtigen Branchenanlass, sicherlich erfrischend und sehr bereichernd. Die Diskussion „Open Source und Business“ sollte eben nicht bei der Technik aufhören. Und das gleiche gilt für die Digitale Transformation. Auch diese ist zwar per Definition technologiegetrieben, aber hat eben nicht nur auf technologische Aspekte unserer Gesellschaft starke Auswirkungen.

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