2015-07-09

Eine Love-Story - Hilo, HI

Hilo, HI

Moin.
Dieser Eintrag ist etwas Besonderes. Nicht nur, weil er voraussichtlich der letzte Eintrag sein wird, den ich absondere, bevor ich mich aus meinen doch recht tief gefassten Wurzeln hier losreiße und die innig geliebte Big Island verlasse. Nein es steckt viel mehr dahinter: dieser Eintrag soll dazu dienen euch, liebe Freunde, diese Liebesgeschichte etwas näher zu bringen.

Die meisten sehen bei dem Gedanken an "dieses Hawai'i" irgendwelche wilden Bilder von traumhaften Sonnenuntergängen an weißen Traumstränden vor sich, die man mit einem Cocktail in der Hand unter einer Palme sitzend genießen kann. Alle denken an hübsche Hula-Girls, die nur mit einem Bast-rock bekleidet und Kokosnüssen auf den Brüsten von leisem Ukulele-Geklimper zur Miss Waikiki-Wahl antreten und an heiße braungebrannte Surfer, die an dieser "Northshore" die tödlichsten Riesenwellen bezwingen und für die Bewunderer am Strand (natürlich wieder mit 'nem Cocktail in der Hand) spektakuläre Tricks und Stunts abziehen.
Und noch eines weiß wohl möglich jeder über dieses Hawai'i: es mag das Paradies sein aber eines findet man dort sicherlich nicht: Es gibt kein Bier.
Und ja liebe Menschen, es stimmt. Es ist eine Art Paradies, was ich hier gefunden habe. Aber es ist ganz gewiss nicht das, was ein Jeder sich unter diesem "Hawai'i" vorstellt. Es ist ganz anders... und es ist wunderbar.
Deshalb ist dieser Eintrag eine Art Adventskalender mit 5 Türchen. Ein Countdown, der euch bis zum Abflug am 11.7. jeden (oder jeden 2.) Tag ein neues von 5 Stücken Big Island beschert. Und zwar nicht Kokosnuss, Blumenkranz, Ukulele, Cocktail und Hula, sondern das, was es für mich ist. Mein Hawai'i:

1. Portion: Wetter

Zugegeben ich fange klein an. Aber ja, selbst das Wetter ist hier anders, als irgendwo sonst und hat mich in meinen 3 Monaten doch in so manchem Moment -in verschiedenste Gefühls-Richtungen- bewegt.
Das Ganze geht nämlich so:
Wenn man morgens aufwacht ist der Himmel meistens ganz blau. Die Sonne scheint und es ist ganz hawaiiianisch, das Klischee-hawaiiianisch. Das Blauer-Himmel-Sonnenschein-30-Grad-Hawa iiianisch.
Gut gelaunt hüpft man mehr oder we***** motiviert aus seinem Bett und macht sich seinen Kaffee. Das Wetter ist auch während die Automatic Kaffeemaschine rattert noch lobenswert schön. Man trinkt also seinen Kaffee und wurschtelt dabei seine Sachen zusammen für den Arbeitstag, der vor einem liegt. Man putzt sich schließlich die Zähne und sieht dass man nun wirklich spät dran ist. Also schnappt man sich nur noch schnell den Forest Service Rucksack, der noch im Schlafzimmer liegt und erhascht beim Bücken noch einen kurzen Blick aus dem Fenster überm Bett, auf den wolkenlosen Himmel, der so blau ist, dass man es kaum fassen kann.
10 Sekunden dauert der Marsch vom Schlafzimmer bis zur Haustür, aber als man sich nähert hört man schon ein leichtes Vibrieren von der Tür. Was ist da los?
Beim Umdrehen des Türknaufs haut einen der erste Windstoß bereits beinahe aus den Puschen. Draußen tobt der Weltuntergang. Schon wieder. Herr Gott und das immer wenn man eh schon zu spät ist. So wie man ist kann man jetzt natürlich nicht mehr losstrampeln auf seinem Rad. Es bleibt keine Alternative: man ist gezwungen zurück ins Haus zu gehen und von "Field-Klamotte" umzustylen in "Weltuntergang". Das ist ein ganz besonderes Outfit bestehend aus der kürzesten Hose, die ich finden kann und....n Top. Drüber kommt nur noch ein Regenponcho, den ich zum Glück am Anfang der Reise in Sveas Rucksack gefunden habe. Schuhe aus, Socken aus und Handtuch rein in den Rucksack. Barfuß wird den Berg runter zur Arbeit gestrampelt, natürlich mit Sonnenbrille auf, damit man wenigstens ein bisschen was sieht, während einem die Sintflut in die Augen läuft.
Bei der Arbeit angelangt ist man dann natürlich endgültig zu spät, was aber auch nicht weiter schlimm ist. Ich bin trotzdem die erste. Mittlerweile ist es wieder brüllend heiß, sodass Menschen mich merkwürdig anstarren, als ich in meinem Darth Vader ähnlichen Outfit die Einfahrt einbiege. Wieso fährt die denn barfuß? Was soll dieser Plastikmantel? Ist das German-Style? ...und wo ist die Hose.
Nachdem ich mein Fahrrad abgestellt habe pfeffer ich meinen Rucksack erst einmal in die nächstgelegene Ecke und stapf ins Bad,um mir mit Papierhandtüchern den Dreck aus dem Gesicht zu wischen, den mir die schutzblechlosen Reifen in einer 15 Minuten-Vorstellung kontinuierlich entgegen geschleudert haben. Aha! Da ist ja sogar ein Gesicht unter all dem Schlamm.
Nun muss ich nur noch wieder in mein Work-Outfit finden und so tun als sei nichts gewesen.
Natürlich war ich auch nicht von Anfang an so schlau. Ich habe eine Weile gebraucht, um bis ans Äußerste zu gehen und jegliche Materie, die ich für den Arbeitstag noch verwenden möchte von mir fernzuhalten, auf dem Weg durch den Monsun.
Aber jeder Profi hat ja mal klein angefangen.

Doch nicht nur der morgendliche Wetter-Spaß hat mich hier nachhaltig beeindruckt. Es gibt noch so manch anderes Phänomen dessen Beobachtung mich schwer hat staunen lassen. Da gibt es nämlich den Weg zur Arbeit, der uns über die Saddle Road führt. Er beginnt in Hilo, also meistens im Regen (Hilo ist die regenreichste Stadt der USA). ca. 2 Stunden fahren wir zum Beispiel zu unseren Versuchsplots in PWW. In diesen 2 Stunden durchfahren wir so ca. jedes denkbar mögliche Wetter, was so geht und wenne denkst jetzt geht aber nix neues mehr, haut dir die Big Island nochmal einen doppelten 3D-Regenbogen um die Ohren, der zur Hälfte im dichtesten Nebel hinter dem weiten Feld aus strahlendschönem Sonnenschein, zwischen abwechselnd weißen und dunkelgrauen tief hängenden Wolken, verschwindet. Kurz darauf passiert unser Truck den "Wetter Pu'u", einen Hügel aus alter Vulkanasche, der von einer Seite mit Nebelwald bewachsen ist und auf der anderen Seite mit rein gar nichts. Sobald man diese magische Grenze überschritten hat wartet der warme Kona-Seiten Sonnenschein auf einen bei der Arbeit. Klasse.

Generell gibt es hier alles was das Herz begehrt. Von Deutscher-Sommer-Wetter über Knall-Heiß-Nerv-Wetter bis zu Snowboarden-Auf-Mauna-Kea-Wetter. Du willst Schneeengel machen ? Kannste haben, sacht die Insel. Du willst mit 'nem Schlauchboot durch die Innenstadt? - Kein Problem. Es gibt nichts, auf was man sich so wenig verlassen kann wie auf das Big Island Wetter, weshalb im Radio auch seit 2 Jahren die selbe Aufnahme zum Wetterbericht läuft, die in etwa sagt: "Es ist heute alles drin, von sonnig hie und da, bis bewölkt und Regen ab und an." Sicher ist nur eins: wer hier über das Wetter reden will, hat definitiv was zu erzählen.
Da bekommt die sonst blöde nichts-sagende Einleitungsfloskel "das Wetter ist schön", auf der Postkarte, doch sogar wirklich einmal Gewicht.
Und ja, ich werde es vermissen. Selbst das Frieren im Luftzug der Klimaanlage im Anschluss eines morgendlichen Monsuns.

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...entschuldigt, liebe Leute. Ich habe versagt mit meinem "Jeden-2.Tag-Plan". Jetzt schon. Aber vergisst man beim Adventskalender nicht auch manchmal ein Türchen zu öffnen, weil man betrunken und müde ist?

2. Portion: Surfen

Ich gebe zu Surfen ist eines dieser Dinge, was jeder vor sich sieht, wenn irgendwo im Raum das Wort Hawai'i fällt. Aber jetzt mal ehrlich, würden wir diesem Surf-Klischee treu bleiben, dann müsste ich hier in Body-Öl getränkt und Tan-Spray auf der Haut, im Sonnenschein aus dem türkis-blauem Wasser auftauchen und mit Surfboard unterm Arm den weißen Sandstrand entlang wandern bis die Sonne untergeht und man nur noch meine Silhouette gegen den roten Himmel sieht.
Wirklich? Fällt euch diese Vorstellung vom Surfen auf Hawai'i jetzt immer noch so leicht?

Das einzige was davon zu meinen Erfahrungen passt ist...ja, das Wasser. Das gibts wirklich. Und ein Board habe ich auch ab und an unterm Arm.
Wer nach Hawai'i kommt, um surfen zu lernen, der tut das überall, aber nicht auf der Big Island. Diese Insel ist bekanntlich die jüngste und deshalb an den Stränden noch recht rau. Natürlich gibt es ein paar schöne Sandstrände, aber die meisten davon hängen auf der Kona-Seite rum, während ich bekanntlich eher im Monsun-Hilo rumwurschtel. Und anstatt Body-Öl und Sonnenschein gibt es für mich eigentlich eher sowas:

Morgens um 5:30 klingelt der Wecker. Durch das Zimmer, das eben noch in absoluter Stille und Dunkelheit lag, schallt nun laut "Bibi und Tina". Erbarmungslos. "Na gut", denk ich und roll mich aus dem Bett. Nachdem ich das Getöse gestoppt habe, bleibe ich erst einmal einen Moment erschöpft auf dem Teppich liegen. Draußen ist es immer noch dunkel. Warum tue ich das nochmal?
Erst jetzt bemerke ich, dass Mirjas Bettseite leer ist. (An dieser Stelle, für alle,die es noch nicht wussten: Ja, wir teilen uns tatsächlich auch das Bett). Die steht schon unter der Dusche, was für mich immer noch ein großes Rätsel ist, worin der Sinn in diesem ganzen Gedusche besteht, wenn man doch vor hat ins Meer zu hüpfen.
Als sie die Zimmertür öffnet und wortlos vor sich hin wuselt und ihren Kram für die Arbeit zusammensucht, fühle auch ich mich gezwungen mich von meinem Platz auf dem Teppichboden zu lösen und meinerseits etwas zu wuseln. Mittlerweile ist es schon viertel vor und Mirja wird ganz hibbelig. Schnell such ich nur meinen Bikini (oder jeweiliges Ersatzmaterial), ein Handtuch und meinen Lunch.
Es ist viel zu früh. Die Sonne ist mittlerweile zwar da, aber auch die wirkt irgendwie noch verschlafen. Wirklich wahrnehmen tut man sie ohnehin nur an den Wolkenschichten, die wunderbar angeleuchtet werden und einen für einen kurzen Moment sogar fragen lassen, warum man nicht jeden Morgen so früh aufsteht nur um dieses Spektakel ansehen zu können. (Da seht ihr was das mit einem macht.)
Beinahe pünktlich sind wir bei Juli angekommen, die allerdings lässt erst einmal wieder auf sich warten, bevor sie verwirrt und im Outfit aus einer Mischung aus Sportkleidung und Sommerkleid aus dem roten Haus stolpert. In unserem VW Golf sind mittlerweile 3 Surfboards, sodass jeder irgendwie seine eigene Autofahrt, abgeschottet von den anderen, genießt. Ich, auf meinem Beifahrersitz habe mich wieder in eine eher Horizontale begeben und schaue verträumt mit unter den Boards abgeknicktem Kopf aus dem Fenster, wo die Wolken immer noch herrlich aussehen. Hin und wieder höre ich Mirja hinter den Boards, die uns trennen, Geräusche machen, die klingen, als würde sie versuchen Konversation mit Juli zu betreiben. Ihre Anwesenheit wiederum kann ich nur noch durch ein leichtes Säuseln von Hinten erahnen. Ein bisschen frisch ist es auch, mit dem Kofferraum weit offen und der Sonne noch fast im Bett, aber immerhin schallt "Aloha Friday" aus den Lautsprechern, auch wenn dieser nun wirklich noch einige Tage entfernt ist.
Die Fahrt zum Honoli'i ist nicht sehr lang, gerade wenn sich die Nackenstarre anschleicht, sind wir da und erhaschen den ersten Blick, der schon einiges über das was uns blüht aussagt:
Viele Autos: Man, heute müssen die Wellen gut sein. Kaum Autos: Oh Backe, die Wellen sind praktisch nicht vorhanden. Viele Autos: Aber -****- dann sind ja auch die ollen Bodyboarder alle am Start...oh nö, viel zu eng dann alles da unten.
Kaum Autos: oh, die Tide ist wahrscheinlich so low, dass man ständig direkt auf den nächsten Stein surft. Viele Autos: Scheiße, die Wellen sind sicher so hoch, dass man die meiste Zeit eh wieder nur mit dem Versuch verbringt, wieder raus,ins Meer zukommen.

Ja der erste Eindruck ist bekanntlich der wichtigste und anhand der parkenden Autos können wir mittlerweile so einiges ableiten. Heute ist es relativ voll, die Wellen dürften also nicht zu schlecht sein. Natürlich haben wir selbst vorher auch in den Surfforecast geguckt, was allerdings immer eher einen symbolischen Wert hat, da uns die wilden Zeichnungen und Diagramme dann doch meistens recht wenig sagen.
Während Mirja schon die Boards auslädt hängen Juli und ich noch etwas träge auf unseren Sitzen. Das erste Mal, dass ich Julis Gesicht sehen kann heute: "Moin Juli".
Allmählich mach ich mich dann doch auf, mein Bikini-Ersatz-Outfit zusammenzustellen und auch Juli bewegt sich ein bisschen. Jeder schnappt sich sein Board und zusammen wackeln wir runter zum steinigen Strand. Richtig gekonnt sieht das Ganze noch nicht aus, wenn ich versuche mit meinen Abertausenden cuts im Fuß über die rutschigen Steine ins Wasser zu gelangen, von der Geschwindigkeit mal ganz abgesehen. Aber wir sind ja nicht auf der Flucht und immerhin ist Juli sogar noch hinter mir.
Beim Rauspaddeln verpasst mir der Ozean schon die ersten zwei, drei Ohrfeigen- puh, wird wohl doch etwas wild heute. Aber nach einer kleinen Weile ist der erste Schritt getan und ich kann mich das erste mal wieder aufrichten und zurück zum Strand schauen. "Ja", denke ich, "das sollte reichen". Erst einmal umsehen, wer heute so da ist. Direkt erspähe ich Jim, den netten Opi, der gerade mal wieder in seiner speziellen Technik mit beiden Füßen auf dem Board und den Händen im Wasser umherpaddelt und mir dabei freudig winkt. Es freut mich ihn zu sehen. Weiter hinten hängt die japanische Opi-Gruppe ab, die manchmal ein wenig zickig werden kann, wenn man ihr die Welle einmal zu oft versaut hat. Dahinter, mit etwas Sicherheitsabstand dümpelt der Wetsuit-Schweiger rum, der weder wesentlich älter noch besser ist als wir und gerade wie immer seinen Blick träumerisch Richtung Horizont gewandt hat. Außerdem ist die Kurz-Haar Frau heute morgen da.Die, die einfach jede Welle kriegt und auch haben will. Wenn alle anderen sich gelangweilt darüber unterhalten, dass es einfach keine surfbare Welle gibt, ist sie mitten dabei, eine Mikro-Welle (haha), zum Strand zu reiten.

Viel Zeit zum rumdümpeln bleibt mir allerdings nicht, von hintern sehe ich schon die erste gute Welle anrollen. Na gut, dann wollen wir mal. Schnell lässig das Board gedreht und noch lässiger drauf los gepaddelt, da ist sie auch schon da und hebt mich hoch. Gerade denke ich noch, "ja, wieso nicht...steh doch ruhig mal auf", da fegt der Kerl mit dem grünen Shortboard an mir vorbei und schneidet mir ohne einen Gruß den Weg ab. Mein lieber Scholli, ich habe vergessen zu bedenken, dass ich mich in der "Mill" befinde. Dem Spot, der am nächsten zur Flussmündung ist und außerdem der, der für die besten Surfer praktisch reserviert ist.
Erst jetzt erkenne ich, dass Mirja und Juli bereits weiter unten ihr Unwesen treiben, außerhalb der Mill. Vielleicht ist es Zeit kleinere Brötchen zu backen. Und ich mache mich auf den Weg mich neben dem Wetsuit-Schweiger einzureihen.
So schön das Ganze auf den ersten Blick schien ist es jetzt doch irgendwie nicht mehr. Ab und an taucht mal eine Welle am Horizont auf und löst ein kurzes kollektives Zucken in den Reihen der Surfer aus. Beim Näherkommen wird dann aber doch schnell klar, dass diese Welle eine Fake-Welle war und alle beruhigen sich wieder. Gerade will ich mich schon wieder dem meditativen Horizont-Gestarre widmen, da sehe ich wie Dave, der geschwätzige Storyteller auf mich zusteuert. Ach wie schön, dann wird's ja doch nicht langweilig. Die Sonne gibt mittlerweile Vollgas aber zum Glück Aller ist der Himmel gerade so bewölkt, dass wir trotzdem in Richtung der einkommenden Wellen schauen können, ohne auf der Stelle zu erblinden. Wie es uns die letzten Tage ergangen ist, möchte Dave wissen und dann schnacken wir ein wenig darüber, wie schrullig die Wellen sich heute geben. Nur noch eine Stunde sagt er, dann muss er zur Arbeit und die Wellen lassen immer noch auf sich warten. Ich habe irgendwie das gleiche Problem, sage ich ihm und dann freuen wir uns beide, dass wir immerhin im Wasser chillen und es trotzdem so schön ist, wenn kleine aber feine Wellen kommen. Und da passiert es auch schon: durch die japanische Opi-Crew geht ein Quieken und aufgeregt wird Richtung Horizont gewedelt. "Ohoooo" macht es plötzlich überall und von manchen Seiten ruft wer "go get it". Die Welle ist wirklich gut. Wirklich erreichen tut sie allerdings nur die Opi-Crew und trotzdem freuen sich alle, als 2 der Opis tatsächlich aus dem weißen Schaum endlich wieder auftauchen und mit kleinen Stunteinlagen bis zur Shore reiten.
So geht die Zeit dahin. Dave und ich sind mittlerweile dabei zu diskutieren, ob wir oder die Amis zuerst auf der rechten Seite der Straße Auto gefahren sind. Hin und wieder werden wir unterbrochen, weil einer von uns oder manchmal auch alle zusammen lospaddeln, um die nächste Welle zu ergattern, aber sobald wir zurückgepaddelt sind wird unmittelbar hitzig weiterdiskutiert.
Auch Juli und Mirja sind mit allem Engagement dabei. Während ich Juli bereits seit ca. 20 Minuten dabei beobachte, wie sie versucht wieder rauszukommen ist Mirja nicht weit von uns entfernt dabei Bodyboardern die Haare zu stutzen, indem sie ohne Rücksicht auf Verluste über alles rüberbrettert, was ihr in die Quere kommt. "Diese scheiß Bodyboarder" höre ich sie fluchen. Und Recht hat sie... grundsätzlich sind die immer im Weg...und vor Allem immer dort wo du bist. Gerade frage ich mich, wie es schon wieder passieren konnte, dass wir in den Spot direkt neben diesen nervigen Kreaturen, die das unterste Ende der Surf-Sport-Gemeinschaft darstellen, ganz an den äußersten Rand des Surfbreaks, verdrängt wurden, da macht es plötzlich von irgendwo her: "ooh Mieka". Beim Umschauen sehe ich Jim, der aufgeregt grob irgendwo hinter mich zeigt und ich weiß jetzt gibt es nur noch eines, was ich tun kann: paddeln. Genau gesehen, wie groß das Ungetüm ist, was dort vom Ozean her auf mich zurollt habe ich nun allerdings nicht mehr, also paddel ich einfach so lange, bis ich spüre dass es unmittelbar hinter mir ist. Ein kurzer Moment des Schwebens und gefühlten 120 km/h und dann höre ich nur noch meinen eigenen Bauchklatscher und spüre wie Salzwasser durch meinen Kopf geblasen wird. Als ich wieder auftauche sehe ich wie auch der Wetsuit-Schweiger sich direkt neben mir aus den Fluten wühlt und nach seinem Board fischt. Als sich unsere Blicke treffen lachen wir kurz gemeinschaftlich über unseren Misserfolg und schmeißen uns wieder auf unsere Bretter. "Almost", und "You got close", rufen mir die Anderen zu, auf dem Weg zurück auf meinen Spot. "Haha" mache ich.
Schön war das Ganze trotzdem, nur blöd ist jetzt, dass ich mich in einer ähnlichen Situation befinde, wie Juli, die immer noch am selben Fleck ist. Das Rauskommen. Das Rauskommen ist so eine Sache. Manche Surfer gehen das ganz problemlos an. Die surfen einfach bis zum Strand gehen mit dem Board unterm Arm kurz an den äußeren Rand und paddeln wieder rein. Das Ganze in nem zeitlichen Rahmen von ca. 5 Minuten. Andere dagegen, so wie Juli zum Beispiel, drehen sich einfach von dort wo sie gelandet sind um und versuchen wieder auf gleichem Wege zurückzupaddeln, unbeeindruckt von den Wellen, die ihnen entgegenschlagen, (teilweise auch mit Surfern drauf).
Mein großer Vorteil bei der ganzen Sache ist, dass ich mich für gewöhnlich kaum in Situationen bringe, in denen ich eine wirklich weite Strecke zurückgelegt habe auf meinem Board. Für mich ist es also meistens nur der halbe Weg wieder rauszupaddeln und dennoch kann das ganz schön anstrengend werden. "Na dann mal los-" will ich denken, doch werde bereits unterbrochen von der ersten Welle, die mich nicht nur kurz erblinden lässt, sondern auch noch 5 Meter weiter zum Strand katapultiert. Das ist der Zeitpunkt, wenn andere Menschen die sogenannte Turtle Roll einsetzen. Das heißt sobald eine Welle auf sie zurollt drehen sie sich einfach mit ihrem Brett zusammen um und harren mit der Unterseite des Boards gen Himmel unter Wasser an ihr Board geklammert aus, bis der Spuk vorbei ist. Dann drehen sie sich gekonnt wieder um und landen auf unverständliche Weise wieder auf ihrem Board, so als wäre nichts gewesen.
Das versuch ich auch mal. Jetzt ist der Moment. Und da kommt auch schon die nächste Welle angetöst. Mühevoll rappel ich mich von meinem Board und denke während ich mich drehe noch über die beste Technik nach mich so fest wie möglich an ihm festzuklammern, da macht es auch schon rumps und weg ist das Board. Na gut...ich tauche wieder auf. Dann eben bei der nächsten Welle.
Ein, zwei Wellen gehen ins Land bis ich überhaupt dazu komme mein Board wieder einmal zu berühren. Noch kann ich es schaffen, denke ich. Noch bin ich gut drauf. Kaum auf's Brett geschwungen kommt auch schon die nächste Welle. Dieses Mal bin ich vorbereitet, dieses Mal weiß ich wo der Fehler liegt. Gekonnt und flinkt, wie eine echte Turtle drehe ich mich und mein Board um. Und nichts passiert. Auch nach 2 weiteren Momenten bleibt alles ruhig. Schließlich geht mir die Luft aus und ich löse mich von meinem Board, um wieder aufzutauchen. "Hm. War se wohl doch nicht so stark.". Beim Atemzug drehe ich mich um und atme Wasser...viel Salzwasser und alles verschwimmt. "Ach, siehste. Da war se...die Welle.", denk ich bevor mir mein Board eine runterhaut und sich dann vom Acker macht. Als ich mich schließlich wieder fange bin ich so gut wie am Strand. Das ist okay... es ist ohnehin Zeit zu gehen.
Mirja und Juli sind plötzlich wieder neben mir, als wir uns zusammen in Zeitlupe über die Steine aus dem Wasser prökeln. Juli ist ganz aus dem Häuschen. "Heute war so gut, heute war so gut!", macht sie die ganze Zeit. Dass sie dabei aus beiden Knien blutet scheint sie gar nicht zu bemerken.
Bei den Duschen treffen wir den Opi mit den langen grauen Haaren, der meistens mehr Spaß an unserem Surfstyle hat, als wir. "Oh good morning", sagt er. "You got a few rocks eh?". "Ja", macht Juli und zusammen lachen wir alle ein bisschen. Wir freuen uns immer ihn zu sehen, da er stets ein sicheres Zeichen dafür ist, dass wir spät dran für die Arbeit sind. Wenn der grauhaarige Langhaar-Opi kommt, solltest du aus dem Wasser sein. So ist das.
Bevor wir uns auf den Weg zum morgendlich after-surf Kaffee bei Tom machen, der mittlerweile nicht nur Mirjas Namen beinahe korrekt aussprechen kann, sondern auch bereits weiß, was wir bestellen, sehe ich mich noch einmal um und staune: es ist Tag.

Das alles hat das Bild vom sexy Body-Öl Surfer nun vielleicht nicht unbedingt verstärkt, in euren Köpfen. Aber trotzdem ist es das, was ich meine wenn ich vom Surfen auf Hawai'i erzähle. Es ist die Atmosphäre im Wasser, zwischen den Leuten, deren Gesichter wir mittlerweile alle kennen und die nach einem Wochenende fragen können, wie der Hike nach Halape war. Und es ist das Gefühl als einziger Mensch zusammen mit den wenigen im Wasser, um haarsträubende Uhrzeiten wach zu sein und das Meer zu beobachten und zu wissen, dass alle um einen herum noch einen langen Arbeitstag vor sich haben, aber trotzdem die Zeit und die Freude besitzen ein paar Wellen zu catchen, bevor sie sich aus dem Wasser zwingen um ihren eigenen after-surf Kaffee zu holen und zur Arbeit zu fahren. Und es ist natürlich auch das Gefühl jeden Tag ein bisschen besser zu werden und das auf der Big Island, der Insel von deren Stränden man sagt, sie bringen einem das Surfen schnell bei, weil es zu gefährlich sei es nicht zu können. Es ist der Sonnenaufgang über Honolii und es ist der Kaffee danach und das Keine-Lust-Haben davor. Das strohige Haare haben bei der Arbeit, die Cuts und Wunden und teilweise sogar Muskelkater.
Ich habe das alles sehr lieb gewonnen und ich werde es vermissen.

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3. Portion: Nightlife...oder so

"Ja sag einmal," denk ich mir. "Wie ist denn das schon wieder passiert..."
Ich stehe barfuß auf hölzernen Brettern und versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass die kleinen Scheinwerfer am Dj-Pult vor mir übernatürlich genial aussehen und dabei in langsamen Bewegungen passend zur Musik durch die Gegend schwirren.Ich habe noch nie so wunderschöne, kräftige Farben gesehen. Um mich herum sind halb nackte Menschen, die in ruhiger Ekstase über die Tanzfläche tosen, einige von ihnen in eine Art Meditation verfallen. Wir alle sind umgeben von Jungle und Neonlichtern und in der Mitte von ihnen steht Juli mit einem Zauberstab in der Hand, den sie gekonnt durch die Gegend schwingt, wie Gandalf der Graue. Da bemerke ich den Wein in meiner Hand und kann noch gerade einen Schluck nehmen, bevor ich mich vor einem Scheinwerfer in unglaublich grünem Grün ducken muss, der mit einer eleganten Bewegung auf mich zugeflogen kommt.

________________Wer nach Hilo kommt und beginnt sich nach dem Nightlife dieser Stadt umzusehen, bekommt zunächst erst einmal recht schnell den Eindruck vermittelt, hier sei überhaupt nichts los. Nix Nightlife. Tote Hose. Verzweifelt beginnt man sich im Bierdurst an die kleinen schrulligen (tollen!) Bars in Downtown zu halten und verzweifelt daran, dass das allgemeine Motto hier auf der Insel "Wer früher anfängt, kommt eher ins Bett" zu lauten scheint. Da kommt es schon mal vor, dass um viertel vor 11 die letzte Runde gefordert wird und alle Menschen ins Tavern, die letzte offene Bar strömen müssen, wo irgendeine schräge Band mal wieder ihr Bestes gibt. Man denkt :" okay,so schlimm ist das Ganze ja gar nicht, dann komme ich morgen eben umso früher raus." und freundet sich auch sonst schon langsam mit dem Gedanken an, hier auf Hawai'i eben vielleicht einfach mal nicht Tanzen gehen zu können. Da plötzlich ändert sich etwas: man lernt Menschen kennen.
Den klassischen Nightclub kann man hier natürlich dennoch vergessen, aber diese Menschen, die man in unauffälligen Locations trifft fangen an, dir von ganz anderen Dingen zu erzählen. Sie reden vom Dickicht und Lagerfeuern. Von Lagerhäusern und Höhlen. Und allmählich wird dir klar: das ist das Nightlife, der Big Island Art. Es war die ganze Zeit da, ich habe es nur an den falschen Orten gesucht.
natürlich gibt es jetzt kein Halten mehr, die Frage ist nur noch: soll ich in die Lagerhalle oder in den Jungel? Und wie kann ich es einrichten, dass ich die große Höhlen-Party nicht verpasse ?
Jeder der so wie ich nicht unbedingt zu den entscheidungsfreudigsten Menschen gehört wird da schnell ganz hibbelig. Somal die Entscheidung ja auch nicht so easy ist. Da gibt es schon noch so einige Dinge zu bedenken. Zum Beispiel muss man sich im Klaren darüber sein, ob man das Risiko bei der Jungel-Party eingehen möchte, am Ende nicht nur nicht auf der Party angekommen zu sein, sondern stattdessen irgendwo im Matsch festzustecken, auf wahrscheinlich privatem Gelände, während es draußen in Strömen regnet. Außerdem ist man dabei wahrscheinlich auch noch besoffen und es wird langsam kalt, aber der Wein für unterwegs ist schon alle. Ja, das Risiko besteht immer.
Wem das Ganze zu viel Stress macht, der muss nicht gleich verzweifeln. Für diesen Fall bleiben ja immer noch die privaten Feiereien. Nicht selten kommt es vor, dass hier auf Hawai'i schon mal ein gesamtes Office blaumacht und stattdessen beschließt eine Party unter einem Wasserfall zu feiern. Oder genau genommen sogar dreien. Ob groß, ob klein, ob alt, ob jung, ob Chef oder Praktikant, hier darf jeder einmal von den Klippen springen und danach zur Beruhigung an der Pfeife ziehen.
Außerdem haben wir bei einer dieser Gelegenheiten feststellen können, dass die Köngsdiziplin der erhabenen Sporttrinker, oft auch "Flunky Ball" genannt, auch bei den Amis jeder Altersklasse, im Durchschnitt sehr gut ankommt.
Vorsicht sei allerdings geboten, wenn jemand mit einer Famer-Party lockt. Sei dir bewusst: Ohne Strohhut kommst du hier nicht rein und wer seinen Salat nicht mit den Fingern ist oder sich wenigstens bereit zeigt für einen neuen Haarschnitt (bzw. gar keine Haare mehr), kann direkt wieder nach Hause gehen.
Und plötzlich ist es passiert, dass man beim Big Island- Nightlife Gedanken plötzlich gestresst fühlt und einen das Gefühl von Reizüberflutung übermannt.
Und das ist dann der Punkt, an dem man froh ist sich auf die süßen kleinen Bars in der schrulligen Stadt zurückbesinnen zu können. Auf die Quiznächte von 6-9 Uhr und das Open Mic von 6- 8Uhr. Außerdem ist das ja noch der 1. Freitag im Monat in dem die Stadt von 5-10 Uhr mal so richtig zum Leben erwacht. Da gibt es live Musik und lecker Essen und vor Allem junge Menschen, die durch die Gegend wuseln.

Ja das Nightlife der Big Island ist anders aber vorhanden und wenn man weiß, wo man suchen muss findet man es auch. Das Problem ist nur, wenn man wieder geht hinterlässt es eine große Lücke in deiner Hand, in der einst dein Ginger-Zauberstab lag.

...Und wem das jetzt alles zu langweilig war mit ein bisschen Party im Jungel und ein bisschen Wasserfall und so, für den gibt es dann auch noch die Tsunami-Welcome-Party ...aber das ist schon wieder ein anderes Tür'chen.

Adios, Meike die Weiße

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Portion 4: Das Wandern

Das Wandern ist ja bekanntlich des Müller's Lust, und da ein Müller, der nicht wandert ebenso bekannter Weise ein schlechter Müller ist, habe ich mir natürlich keine Gelegenheit entgehen lassen, wandernder Weise durch die Gegend zu eiern.
Zwar bin ich nur ein halber Müller, was mich deshalb -sollte mir das Wandern tatsächlich nie einfallen- nur zur Hälfte schlecht machen würde, trotzdem wäre es dennoch irgendwie lame -Müller hin oder her- hier, auf Hawaii nicht wandern zu gehen.

Im Grunde, möchte ich also sagen: ich war viel wandern und es war toll und darum geht es hier heute.

Bevor es aber so richtig losgeht mit dem eigentlichen Eintrag, möchte ich mich kurz bei euch entschuldigen (oder bei dir Mutti, ich glaube das Ganze hier ist eh immer eher so eine 2-Mann Party), dass dieser Eintrag zeitweise Gefasel und wirres Zeug beinhalten könnte, was nicht zuletzt daran liegt, dass ich seit 3 Nächten nicht mehr als 5 Stunden max. geschlafen habe und selbst um auf diese Zahl zu kommen, musste ich gerade tatsächlich 5 Minuten nachdenken. Ich bin also etwas langsam, aber ich möchte euch (oder dir Mutti), trotzdem keines der wunderschönen Wanderdetails vorenthalten.

Los:
Natürlich habt ihr alle (oder du Mutti), bereits einen gehörigen Eindruck vom Wandergefühl hier auf Big Island bekommen, als ich von dem einen großen Trip, dieser einen unmöglichen Mission den Mauna Loa zu besteigen geschrieben habe. Allerdings muss ich sagen, reicht es nicht allein aus Mauna Loa zu heißen und riesig zu sein, um ein Türchen in meinem Big Island Countdown zu werden. Deshalb könnt ihr (bzw. du, Mami) euch bestimmt schon denken, dass da noch was kommt. Wenn einer normalerweise eine Wanderung plant, und damit meine ich an anderen Orten dieser Erde, die ca. halb so groß, wie Thüringen sind, dann sollte ihn dies nicht vor eine größere Herausforderung stellen. Man muss nur abwägen, ob es ein heißer oder kalter Ort ist und dann wird gepackt. Schnell noch der Camping-Kocher mit rein geworfen und fertig ist der Wanderrucksack. Wahrscheinlich ahnt ihr schon, dass das ganze hier auf der Big Island wieder etwas anders aussieht. Das abwägen lässt man gleich weg, man steckt einfach alles ein was man hat. Heiß, kalt...das sind doch alles bürgerliche Kategorien. Denn auch wenn dieser Fleck Erde nur 10.400 km² groß ist, lauert hinter jeder Ecke eine neue Klimazone auf dich, die dir die Zunge rausstreckt und sagt: "Tja, mit 'nem Regenwald hätteste jetzt nicht gerechnet, wa?" oder "So, jetzt gehste erstmal für die nächsten 2 Stunden durch die Wüste.", oder "Pass ma auf, die Regenjacke kannste gleich mal wieder wegstecken, jetzt gehts erstmal durch's Auenland."
Da erlangt die Frage : "Was brauch ich wohl alles" eine ganz neue, utopische Bedeutung, wo selbst der Camping-Kocher nicht mehr das sichere Ass im Ärmel ist, sondern plötzlich eventuell die Gefahr birgt, bei dem Druckunterschied in die Luft zu gehen.

Meine Wanderungen haben mich also neben dem berühmten Mauna Loa, der eher in die Kategorie Marslandschaft fällt, unter anderem an eine Oase in der Wüste und auf eine Schnitzeljagd durch 13 Täler, auf der Suche nach dem Richtigen, geführt.
Anfangen tut das Abenteuer immer mit dem Besuch im Ranger-Office, wo man sich beim einholen seiner Genehmigung immer noch einen guten Rat mit abholen kann. Wie zum Beispiel: Setzt euch hin und schlaft wo ihr seid, wenn ihr im Nebel nichts mehr seht. Oder: Durch den letzten Fluss watet ihr nicht, wenn er so wild ist, dass das Seil zum hangeln nicht mehr zu erkennen ist. Oder: Vor dem Tsunami rennt ihr erst, wenn das Erdbeben so stark war, dass es einen von euch umhaut.
Schnell unterzeichnet dann noch einer all diese nützlichen Hinweise, und zu guter letzt fehlt nur noch der Emergency Kontakt auf dem Dokument, für den Fall, dass wir die oben genannten Hinweise nicht beherzigt haben. Dann kann es losgehen.
Was unsere Emergency Kontakte angeht, so haben wir uns innerhalb unserer Hike-Erfahrungen ordentlich verbessert. Während unser erster Emergency-Kontakt nicht nur in Deutschland, sondern auch noch meine arme, kleine, ängstliche Mutti war (bzw. Du), die es gar nicht schön fand eine SMS mit einem Datum zu erhalten, an welchem sie einen amerikanisch Suchtrupp losschicken müsse, für den Fall, dass ich mich bis dahin nicht bei ihr gemeldet habe, so war unser 2. Emergency Kontakt zwar nicht in Deutschland und auch keine ängstliche Muddi, sondern dafür lieber gleich bei uns als Wander-Mitglied dabei.
Beim letzten Hike allerdings haben wir eine gute Mischung gefunden und uns dafür entschlossen, Deutschland, als Emergeny-Land beizubehalten aber dafür eine Mutti zu nehmen, die nicht in Schnappatmung ausbricht, sobald man ihr den Titel Emergency-Kontakt verleiht, (ich fand dich trotzdem ganz stark, Mami).
Steht dann erstmal die Crew und die Route, muss man eigentlich nur noch loslaufen und sich überraschen lassen, ob man ankommt.
Nicht immer ist das was dazwischen liegt leicht. Vor Allem ein zu schwerer Rucksack lassen einem die Wüste schnell noch wüster und den Abhang noch hängiger erscheinen. Außerdem möchte ich an dieser Stelle erneut eine Einsicht mit euch teilen, die mich hier nach hartnäckigem Probieren ereilt hat: Bier, liebe Leute...gehört nicht zu den Dingen, die man in seinem Rucksack haben will, während man sich bei 82°C und 97% Steigung durch den Urwald rollt (schnelles Austrinken, hilft dabei auch nur vorübergehend). Außerdem empfiehlt es sich nicht im Bikini zu wandern, es sei denn man möchte gerne blutige Hüften und 'nen Sonnenbrand.
Besonders wichtig ist es aber eine gute Crew zusammenzustellen und sich kurz bevor der Startschuss fällt bei jedem wenigstens einmal vorzustellen, bevor jeder für sich allein losdüst. Ich für meinen Teil habe anfangs meine Schwierigkeiten gehabt mich nicht zu verlaufen, nachdem alle anderen entweder meilenweit vor mir oder mit ca. dem gleichen Abstand hinter mir waren. Zum Glück hätte ich im Notfall wenigstens die Namen meiner Crewmitglieder vor mich hin murmeln können, während ich einsam in der Wildnis verhungert wäre. Später lernt man allerdings sich an den Wegweisern der Natur zu orientieren, so wusste ich auf der Schnitzeljagd durch die Täler dieser Insel, dass ich sobald ich nasse Füße bekomme, in einem Bach stehe und ganz unten bin. Geht der Regenwald von matschig zu fest über bin ich ungefähr auf halber Höhe und betrete ich endlich den Nadelwald, weiß ich : ich bin wieder ganz oben und vor mir liegt ein erneuter Abstieg ins nächste Tal.
Das ist allerdings nicht immer so tricky. Bei dem Oasen-Hike war es ganz einfach. Sobald man los lief hat man sein Ziel bereits in gar nicht so weiter Entfernung gesehen. Erst nach der 3. Stunde Marsch direkt darauf zu beginnt man einzusehen, dass es doch gar nicht so nah ist, wie man es sich versprochen hatte.
Das was einen dennoch antreibt ist der Moment, in dem man endlich da ist. In dem man es geschafft hat durch Wüste, Graslandschaft, Regenwald, Dickicht, Strand, Flüsse und Steppe zu stapfen. Denn dann hat Big Island fast immer ein Paradies für die müden Wanderer parat, welches fast immer (sollte man es geschafft haben den letzten reißenden Fluss zu überqueren) mit einem Wasserfall oder ähnlichen Späßchen ausgestattet ist.
Da gibt es Lagerfeuer und Musik und Sternschnuppen und leuchtendes Plankton im nächtlichen Meer. Und nicht selten kann es auch passieren, dass man mit einem Hund mehr wieder zurückkehrt, der dann Bono heißt oder Hobo oder sonst irgendwas mit o, aber welcher mit Sicherheit der freundlichste Hund ist, den je jemand im Stich gelassen hat.
Ein ganz besonderes Highlight hat sich für mich und den anderen beiden Germ(an)s in Halape ereignet, als eines der besagten Paradiese dieser Insel ein nächtliches Erdbeben für uns parat hatte. Da lagen wir gerade nach ein, zwei Kartenspielchen im Sand am Meer, da fing der Boden plötzlich zu shufflen an. Mit großen Augen haben wir uns angequietscht und uns über die Showeinlage gefreut, wie kleine Kinder, sodass wir erst gar nicht bemerkt haben, dass Tara bereits das Weite gesucht hatte, nachdem ihr der Rat "wir schauen einfach ob sich das Meer zurückzieht, dann wissen wir ob es einen Tsunami gibt", nicht als Beruhigung gereicht hatte.
Wenig später lagen wir alle (außer Panik-Tara) mit dem Rücken im Sand und haben auf unserer ersten Tsunami-Welcome Party in die Sterne geguckt. Gekommen ist der Tsunami allerdings nicht, wahrscheinlich haben ihm die Partyhütchen und Luftschlangen gefehlt. Aber schön war es und aufregend, wie keine Party zuvor.

Ja, für solche Überraschungen ist die Insel immer gut und für Momente diese liebe ich sie.
Ich weiß nicht, ob es noch einen Platz auf dieser Welt gibt an dem man in so kurzer Zeit und auf so kleinem Raum so viel an Naturschauspiel erleben kann, wie hier. An dem man sich morgens entscheiden kann, ob man heute eher Lust hat dem Brodeln der Lava im aktiven Vulkankrater zu lauschen oder im Nebelwald durch die kühlen Farnblätter zu streifen. Ob man im Meer baden oder in der öden Mondlandschaft einsam sein will.
Oder aber, ob man abends lieber unter freiem Himmel in einer Hängematte am Strand einschlafen möchte, oder doch lieber im Bett unterm Hui.
Ich weiß, ich wiederhole mich und im Grunde ist das der Sinn dieses Countdowns: Ich werde es vermissen, denn es ist unglaublich toll.

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