2014-05-09

Det å glemme seg selv, er en fantastisk følelse

To forget about yourself is a marvellous feeling
Sich selbst zu vergessen, ist ein phantastisches Gefühl

Lars Saabye Christensen

We are sooo proud that we not only could meet Lars Saabye Christensen in the Litteraturhus at Fredrikstad/Norway but that he signed a book for us as well as he allowed us to interview him.

Wir sind sooo stolz darauf, dass wir nicht nur Lars Saabye Christensen im Litteraturhus in Fredrikstad/Norwegen treffen durften, sondern dass er für uns auch ein Buch signierte und uns erlaubte, ihn zu interviewen.

If you don’t know, Lars is after Jo Nesbø und together with Karl Ove Knausgård the most successful Norwegian author. He is translated in English and more than 30 more other languages. The Independent called him “Norway’s literary superstar” and we agree.
Our dear Master with his dainty side keeps a diary of all the novels he reads. It’s a beautifully bound book with many pages, a gift from his beloved Dina, in which he writes his remarks. We had a look what he wrote about Lars’ novels. 

Für alle, die es noch nicht wissen sollten, nach Jo Nesbø und zusammen mit Karl Ove Knausgård ist Lars der führende Autor Norwegens. Und wisst ihr was? Fast alle seine Bücher sind in Deutsch erhältlich und überhaupt in über 30 Sprachen übersetzt. Die englische Tageszeitung The Independent bezeichnete ihn als „Norwegens literarischen Superstar“ und das zu Recht, wie wir meinen.

Da unser liebes Masterchen ja eine penible Seite besitzt, führt er ein „Dichterbuch“, ein schönes, dickes Buch, das ihm Dina vor Jahren schenkte, in welches er Anmerkungen zu jedem Buch schreibt, das er liest. Wir haben da reingeblättert und geschaut, was er zu den Romanen von Lars notiert hat.



Our Master envies Lars for his easy cool way of writing (but the our secret – don’t tell anybody!). He loves his subtle irony like in this sentence: some died and some became suddenly headmasters (The Joker). And our Master writes: “All of his novels are warmhearted, funny and full of eccentricities, but never that eccentric that they loose their grounding. That’s because Lars is an exact observer of situations and moods.”
When he read “Beatles“, his break through in Norway, our Master had the feeling to read his own story. His comment: “Those were the sixties, indeed!” “Waterloo” was the sequel playing in the seventies. Our Master didn’t like so much because of its arty metaphors. For Dina that’s a problem of the translation, for our Master it’s because Lars writes quite some lyrics too where such verbal pictures are suitable but not in novels.
One of Lars’ main topics is the insecurity of men especially of growing up kids (like in “Maskeblomstfamilien“, “Beatles“, “The Half Brother“, his international break through novel, and “Herman” one of his books for adolescents). Often his heroes are outsiders who don’t give up. Crazy and wild are his last two novels “Bernard Hvals forsnakkelser” (2010) and “Sluk” (2012) which is not available in English yet.

Gar nicht so verwunderlich finden wir, dass Masterchen auf den locker-lässigen Erzählstil von Lars etwas neidisch ist (aber bloß nicht weitersagen – pssst!). Er bewundert die feine Ironie, wie z.B.  „einige starben, einige wurden plötzlich Studienräte“ (in „Der falsche Tote“). Er schreibt weiter: “Alle Romane von Lars sind warmherzig, witzig und skurril, jedoch nicht so skurril, dass sie nicht hätten geschehen können. Lars ist nämlich ein ausgezeichneter Beobachter von Stimmungen und Situationen.” Besonders bei „Yesterday“, Christensens Durchbruch in Norwegen, hatte Masterchen das Gefühl, teilweise seine eigene Geschichte zu lesen. Sein Kommentar: “Genauso war’s in den Sechzigern!“ „Waterloo“ war der Roman über die anschließenden siebziger Jahre, der Masterchen nicht so gut gefiel. Er fand die Metaphorik zu gewollt und deswegen nicht nachvollziehbar. Dina meint, das liegt an der Übersetzung, er meinte, das liegt daran, dass Lars viel Lyrik schreibt, in der solche Metaphorik im Gegensatz zum Roman angemessen ist.

Eines von Lars Themen, ist die Unsicherheit des Menschen, besonders des Heranwachsenden (z.B. in “Nachtschatten“, „Yesterday“, „Der Halbbruder“, mit dem sein großer internationaler Durchbruch kam, und dem Jugendbuch „Herman“), oder die Außenseiter, die sich nicht unterkriegen lassen wie in dem Geschichtenband „Der eifersüchtige Friseur“. Völlig verrückt und ungebremst erzählt ist die Geschichte der beiden Störenfriede, dem Arzt Bernhard Hval und dem Geher Fipp, in dem brillanten Roman “Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval“. Auch in Lars neustem Roman “Der Sommer, in dem meine Mutter zum Mond fliegen wollte” behandelt im ersten Teil das Thema Adoleszenz.

Am besten gefiel Masterchen, wohl weil das Thema Wahrnehmung angesprochen wird, „Das Modell“, ein Roman über einen Künstler, der erblinden wird, jedoch für einen herben Preis gerettet wird. Es ist eine linear erzählte Geschichte mit genialem Ende, das wir aber nicht verraten. Empfehlenswert finden Masterchen wie wir auch „Die blaue Kuppel der Erinnerung“, eine Art Mini-Entwicklungsroman, der gekonnt unterschiedliche Geschichten verbindet, die wortgewandt erzählt werden. Es geht u.a. um einen Blumenausfahrer, der zu Beginn von einer roten Fender-Gitarre und am Schluss von einer Frau träumt. Übrigens Anspielungen auf Pop-Musik kommen in fast allen Romanen von Lars vor.



Hvis litteraturen ikke fantes, ville mange tanker forbli usynlige

If literature didn’t exist, many thoughts would remain invisible
Ohne Literatur blieben viele Gedanken unsichtbar

Lars Saabye Christensen

And here comes our interview:

Und hier kommt unser Interview:

This is probably the first time that two Bookfayries ask you some questions. Thank you for giving us this interview. We are a little bit excited therefore we start right away.

Das ist wahrscheinlich das erste Mal, dass dich zwei Buchfeen befragen. Ganz lieben Dank für das Interview und da wir schon so aufgeregt sind, legen wir gleich los.

Siri & Selma: We are sooo impressed because you wrote not only so many novels, if we counted correctly more than 20 are published since 1977 which makes more than one novel every other year, but also poetry, plays, children’s book and scripts. You seem to us a “writing maniac” ;-) Could you tell us what writing means for you? And do you have special places or a special time for writing?
Wir sind voll beeindruckt davon, wie viele Romane du geschrieben hast. Haben wir uns nicht verzählt, sind es über 20, die von dir seit 1977 herauskamen, was mehr als einen Roman jedes zweite Jahr ergibt. Dazu gibt’s von dir noch Lyrik, Theaterstücke, Kinderbücher und Filmskripte. Bist du ein Schreibsüchtiger? Was bedeutet Schreiben für dich und schreibst du an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten?

Lars: To write is a ”natural” part of me, like breathing, so to speak. And I write best in the morning, as early as possible, before anyone or anything disturbs me. I write at home, at the attic of my house.
Schreiben ist ein “natürlicher” Teil von mir wie Atmen und Sprechen. Am besten schreibe ich morgens so früh wie möglich, bevor Störungen einsetzen. Ich schreibe zu Hause in der Dachstube.

Siri & Selma: To write that much you need a lot of ideas. We Bookfayries are especially interested in the following question because Siri Bookfayrie is sitting on our Master’s left shoulder and whispers inspiring words in his ear when he is writing in our conservatory. Do you have such an inspiring whisperer too?
Um sooo viel zu schreiben, brauchst du ja viele Ideen. Wir Buchfeen sind besonders interessiert, wie du sie bekommst, denn Siri Buchfee pflegt auf Masterchens linker Schulter zu sitzen und ihn Inspirierendes ins Ohr zu flüstern, wenn er in unserem Wintergarten schreibt. Hast du auch solch einen Zuflüsterer?

Lars: I do not have any angels whispering to me. Inspiration comes from dreams, memory, music, art, people, traveling, trainstations, airports, highways, flea markets and cats.
Ich besitze keine Flügelwesen, die mir etwas zuflüstern. Meine Inspirationen stammen von Träumen, Erinnerungen, Musik, Kunst, von Leuten, Bahnhöfen, Flughäfen, Autobahnen, Flohmärkten und Katzen.

Siri & Selma: You are great story teller. Our Master read for us from “Beatles” and he was all the time stopping because he had the feeling you have been his buddy at that time. Well, we are not that old but for us you write so touching and profoundly as well as easy at the same time. We think this has to do that you remember typical details like in “Waterloo” from the seventies. Could you, please, be so kind to tell us something about remembering und writing? Isn’t remembering a strange mixture of documenting reality, of idealising, of fiction (which we Bookfayries see as telling creative lies) and projections (the uncreative lies)?
Du bist ein großer Erzähler. Unser Masterchen las uns aus “Yesterday” vor und (nervigerweise) hielt er ständig inne, da er das Gefühl hatte, du seist sein Kumpel gewesen. Naja, wir sind ja nicht so alt, aber finden auch, dass du berührend, tiefsinnig und zugleich leicht schreibst. Das scheint uns daran zu liegen, dass du typischen Details erinnerst wie z.B. aus dem 70er Jahren in “Waterloo“. Wie ist das denn mit Schreiben und Erinnern? Ist Erinnern nicht eine eigenartige Mischung aus Dokumentieren, Idealisieren, von Fiktion (Buchfeen nennen sie “kreative Lüge”) und Projektion (der unkreativen Lüge)? 

Lars: Memory is an important part of my writing, and the process of writing. And memory is a poetic way of remembering, close to fiction some times. In the novels you mention I had to remember hit lists, name of bands and things like that, but memory works on another level, I think, memory has to do with atmosphere, moods, colors, dreams.
Erinnerung ist wichtig für mein Schreiben und den Prozess des Schreibens überhaupt. Erinnern ist poetisch und bisweilen nahe der Fiktion. In den genannten Romanen musste ich Hitlisten, den Namen der Bands und ähnliches erinnern. Aber eigentlich geschieht Erinnern auf einer anderen Ebene, der der Atmosphäre, Stimmungen, Farben und Träume.

Siri & Selma: You know Bookfayries are known as cute and curious, they notice (almost) everything. In your poetry you seem to like special words, they seem to be your dear friends like “suitcase”, “calendar” and “umbrella”. Do you prefer some words to others?
Buchfeen sind bekanntlich pfiffig und neugierig, ihnen fällt (fast) alles auf. In deiner Lyrik scheinst du Lieblingswörter zu haben wie ‘Koffer’, ‘Kalender’ und ‘Schirm’. Hast unter den Wörtern bestimmte Freunde?

Lars: After so many years of writing some words are more significant for me than others. It´s the key words of my poetry. But I have used this words since the early beginning. My first real poem, I wrote it when I was 15, was about clocks, and I have been writing about time ever since.
Nach so vielen Jahren des Schreibens sind mir einige Wörter wichtiger als andere. Sie sind die Schlüsselwörter meiner Lyrik. Wörter, die ich ganz von Anfang an benutzte. Mein erstes wirkliches Gedicht, das ich mit 15 schrieb, handelte von Uhren. Seitdem habe ich immer wieder über die Zeit geschrieben.

Siri & Selma: As Dina and our Master we Bookfayries are very much interested in Nordic literature. Well, you relate to Ibsen in “The Modell” by kind of cleverly reversing his story of “Wild Duck”, you see Knut Hamsun as an author that influenced you – although we remember a scene (was it in “The Half Brother”?) where Hamsun’s collected works end up in the fire because his fancying Hitler and fascism – your novels play mostly in Oslo or in Northern Norway, but we feel that’s not everything making you a Nordic author, there is more. But our Master and Dina couldn’t tell us what actually the essence of the Nordic literature is. Can you? And do you understand yourself as a Nordic author?
Wie Dina und Masterchen sind auch wir sehr an nordischer Literatur interessiert. Du beziehst dich in “Das Modell” auf Ibsen, indem du die Geschichte von “Die Wildente” verkehrst, du beziehst dich auf Knut Hamsun – wenn du auch in “Der Halbbruder” Hamsuns gesammelte Werke im Feuer enden lässt, wegen seiner Hitler- und Faschismusverehrung – deine Romane spielen entweder in Oslo oder Nordnorwegen, aber unserem Gefühl nach ist das nicht alles, was dich zu einem nordischen Autor macht, da ist mehr. Aber Masterchen und Dina konnten uns das nicht erklären. Kannst du es? Verstehst du dich als nordischen Autor?

Lars: I consider myself of course as a Nordic author. But I do not know exactly what it is. I think it has something to do with time, landscape, weather and language: a slow melancholic attitude, interrupted by dramatic emotions, like a stone in water.
Natürlich verstehe ich mich als nordischen Autor. Aber ich weiß nicht so genau, was das ist. Ich denke, das hat mit Zeit, Landschaft, Wetter und Sprache zu tun: eine langsame melancholische Haltung, die von dramatischen Gefühlen unterbrochen wird, wie ein Stein im Wasser.

Siri & Selma: We Bookfayries understand a tiny bit of Norwegian and found so many quotes by you in the Norwegian literature that we felt dizzy. How would you like to be quoted? Just quote yourself, please.
Wir Buchfeen verstehen ja ein kleines bisschen Norwegisch und fanden sooo viele Zitate von dir in der norwegischen Literatur, dass uns ganz schwindelig wurde. Wie möchtest du denn zitiert werden? Zitiere dich mal bitte selbst.

Lars:



 

 

Dear Lars, thank you so much for this interview and thanks to you all for reading it.
Kind greetings from Fredrikstad

Lieber Lars, vielen Dank für das Interview und euch herzlichen Dank fürs Lesen.

Mit liebe Grüßen aus Fredrikstad

Siri and Selma, the cute Bookfayries of Cley

© pictures Hanne Siebers/Bonn 2014, text Klausbernd Vollmar, Cley next the Sea 2014, all rights reserved.

 

Filed under: Literary Norway Tagged: Fredrikstad litteraturhus, Lars Saabye Christensen, Nordic Literature, Norway

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