2015-07-20

Ich bin weder ausgebildeter Fahrradmechaniker noch professioneller Laufradbauer. Auch will ich hier das Rad nicht neu erfinden indem ich eine weitere Anleitung schreibe wie man Laufräder baut.

Dazu gibt’s schon zuviele Gute die nur eine kurze Google-Suche entfernt sind, wie beispielsweise der Klassiker von Sheldon Brown. Vielmehr möchte ich hier einige Tipps aus meiner ganz persönlichen Erfahrung geben, worauf man achten sollte aber auch was meiner Ansicht nach überbewertet ist.

Aber wie komme ich darauf, dass gerade ich hier Empfehlungen zum Thema Laufradbau geben könnte?

Nun, zunächst mal habe ich in meinem Leben schon eine ganze Menge Laufräder gebaut und mich intensiv mit der Kunst des Laufradbaus beschäftigt.

Aber vor allem habe ich, als nicht dem Durchschnittsradler entsprechender 100 kg+ Mensch, meine eigenen Laufräder extensiv über die Pisten und Trails dieser Welt geprügelt, oft mit viel Gepäck aber ohne nennenswerte Probleme: weder Nachzentrieren noch Speichenbruch, was ich von gekauften Laufrädern nicht behaupten kann.

Die schlimmsten Laufräder waren dabei die von einem selbsternannten Premium-Radladen. Nicht nur schlecht gebaut, sondern auch so, dass das Wechseln einer gebrochenen Speiche aufgrund eines Tropfens Pattex zur Speichensicherung in der Doppelöse zur Nervenzerreißprobe wurde.

Die zweitschlechtesten Laufräder waren ein maschinell eingespeicher Laufradsatz den ich im Internet gekauft hatte – No Name-Speichen und die Bau-Qualität war auch nur mittelmäßig. Dafür hielt er aber erstaunlich lange und somit war das Preis-/Leistungsverhältnis unterm Strich ziemlich gut. Ich fahre ihn noch heute, neu aufgebaut und seitdem schon viele tausend km ohne Probleme.

Auslöser meiner Laufradbauleidenschaft war mein erstes Reiserad. Ein Centurion Lhasa Expedition, dass ich mir damals Ende der 1990er gekauft hatte. Das Rad wurde auf besagtem Rahmen aufgebaut, inklusive handgefertiger Laufräder. Leider passte das Rad nie richtig, darum verkaufte ich es nach einigen Touren wieder.

Die Probleme die ich mit den Laufrädern hatte (und die natürlich nichts mit der Geometrie zu tun hatten), waren zum einen auf eine falsche Felgenwahl für ein Rad mit hohem Systemgewicht, und zum anderen auf die fehlende Sicherung der Speichennippel zurückzuführen.

Was das Lockern der Speichen angeht kann man sagen: Speichen lockern sich bei Laufrädern mit asymmetrischen Einspeichung (z.B. Kettenschaltungs-Hinterrad aber auch Disc-Vorderrad) grundsätzlich, da die Speichen auf der in Fahrtrichtung linken Seite (bzw. beim Disc-Vorderrad die in Fahrtrichtung rechten Seite) weniger stark gespannt sind als auf der Zahnkranzseite.

Bei einem symetrischen Rad lockern sich die Nippel nicht, vorausgesetzt, die Speichenspannung ist GLEICHMÄSSIG STARK und HOCH. Trotzdem sichert man sie besser. Am besten verwendet man dazu Leinöl in das man die Speichengewinde taucht.

Das Leinöl erfüllt gleich mehrere Funktionen: es schmiert das Gewinde beim Laufradbau, verharzt nach einiger Zeit, bleibt dabei aber so weich, dass die Speiche zu jeder Zeit nachgespannt oder gelockert werden kann.

Alternativ kann man DT Spoke Freeze verwenden, ein spezielles Mittel zur Sicherung der Nippel von DT, oder Schrauben-Sicherung mittelfest. Mittelfest ist wichtig, da sich die Speiche sonst nicht mehr oder nur unter großen Anstrengungen wieder lösen lässt.

Bzüglich der Felgenwahl: es waren populäre, einfach-geöste Mavic-Felgen mit wahrscheinlich aus Gewichtsersparnisgründen zu dünnem Felgenboden. Entsprechend zeigte die Hinterradfelge vorzeitige Ermüdungserscheinungen in Form von ausgerissenen Speichenlöchern, beziehungsweise reißt man sie aus, wenn man die Speichen zu stark spannt.

Meine Wahl für neue Felgen fiel darauf hin auf ein doppelt geöstes Modell von Rigida, die Sputnik.

Nachdem ich lange die Doppelösung für das wünschenswerte Nonplusultra gehalten hatte, bin ich heute allerdings davon überzeugt, dass Doppelösung nicht wirklich nötig ist, d.h. sofern der Felgenboden dick genug ist. Eine einfache Ösung erleichtert aber das Zentrieren ungemein.

Ein paar Worte zu den Werkzeugen

Liest man einschlägige Quellen dann könnte man meinen, ein stabiles Laufrad bauen sei nur möglich mit teurem Spezialwerkzeug wie beispielsweise einem Tensiometer, einem Gerät um die Speichenspannung zu messen.

Dem ist mit Nichten so. Hat man ein Fahrrad braucht man theoretisch noch nicht mal einen Zentrierständer (gilt aufgrund abweichender Nabenbreiten von Fatbikes nur für Standardnaben, bzw. wenn das Laufrad für dieses spezifische Rad gebaut werden soll). Allerdings ist ein Zentrierständer deutlich praktischer.

Minimal benötigt man nur einen Nippelspanner, alles andere kann man improvisieren. Wenn man aber öfter mal ein Laufrad bauen will oder muss, ist diese kleine Liste sinnvoll:

Benötigte Werkzeuge

Nippelspanner

Schraubendreher

(Plastik-) Hammer

Dickerer Durchschlag, dickerer Nagel oder entsprechendes Profi-Werkzeug um den Speichenkopf richtig zu „setzen“

größerer Maulschlüssel (14/15er) o. ä.

Zentrierständer, sehr hilfreich, kann aber auch in der Gabel bzw. im Hinterbau des Rads eingebaut zentriert werden. Oder man baut sich einen Zentrierständer für unter 15 Euro selber. Müsste ich einen kaufen würde ich mich wahrscheinlich für diesen Zentrierständer von Park Tool entscheiden

Einmittungslehre (optional, aber hilfreich)

Speichentensiometer (optional, Profis sparen dadurch hauptsächlich etwas Zeit)

Hilfs- und Verbrauchsmaterialien

(Haushalts-) Öl zum ölen der Speichengewinde – am besten aber Leinöl

DT Spoke Freeze oder Schraubensicherung mittelfest (Nicht nötig bei Verwendung von Leinöl, da dieses mit der Zeit verharzt und so die Sicherungsfunktion herstellt)

Tesafilm zum markieren von Speichen

Kabelbinder mittlerer Größe

Lappen, Küchentücher o.ä.

Empfehlenswerte Literatur

Die Kunst des Laufradbaus

The Bicycle Wheel

Naben und Felgen

Wenn man einen neuen Laufradsatz aufbauen will macht es, abgesehen von konkreten Marken und Modellen, Sinn ein paar Gedanken an grundsätzliche Eigenschaften von Naben und Felgen zu verwenden, der Rest ist dann größtenteils Gegenstand persönlicher Präferenz.

Naben gibt es mit austauschbaren Industrielagern oder mit einstellbaren Kugel- und Konuslagern. Industrielager sind in der Regel nicht wartbar und müssen bei Verschleiß komplett getauscht werden, was nicht immer trivial ist, wohingegen Konuslager gelegentlich kontrolliert, neu geschmiert und eingestellt werden müssen. Dabei gibt es eigentlich kein Besser oder Schlechter, nur Anders.

Bei Felgen ist darauf zu achten, dass sie entweder doppelt geöst sind und/oder der Felgenboden dick genug ist. Wenn sie gar nicht geöst sind, sollte man darauf achten, dass die Felgenlöcher entsprechend angephast sind, d.h. dass der Nippel schön sauber im Loch sitzt wenn Speichen eingelegt sind – und den Tropfen Öl nicht vergessen, damit sich der Nippel leicht dreht. In der Regel kann man heutzutage aber mit einer Qualitätsfelge eines namhaften Herstellers wenig falsch machen.

Noch ein paar Worte zur Art und Weise wie Felgen zusammengefügt sind:

Es gibt gesteckte und geschweißte Felgen. Bei der ersten Variante wird, wie der Name schon sagt, die Felge bei der Herstellung geschlossen indem die Enden ineinander gesteckt werden. Diese Felgen sind günstiger als Geschweißte, aber auch unpräziser im Rundlauf, d.h. man wird beim Zentrieren feststellen, dass diese oft an der Nahtstelle abgeflacht sind.

Das muss man wissen, denn mit diesen kann man äußerst selten ein perfekt rundes Laufrad bauen. Das ist aber auch nicht schlimm denn beim Fahren wird man diese maximal wenige Zehntel Höhenschlag nicht merken, zumal die Fertigungstoleranzen der Reifen oft wesentlich größer sind.

Wieviele und welche Speichen?

Grundsätzlich kommen nur hochwertige Edelstahlspeichen namhafter Hersteller in Frage. Die Speichenanzahl ist hautpsächlich vom Verwendungszweck und dem späteren Systemgewicht abhängig. So wird ein kleiner, leichter Profi-Rennfahrer leichte 28″ Karbonfelgen mit so wenig Speichen wie möglich verwenden, wohingegen ein Reiseradler mit viel Gepäck stabile 26″ oder 28″ Laufräder mit Alufelgen und mindestens 32 Speichen pro Rad wählen wird.

Oft kommt die Diskussion auf ob Laufräder mit 36 Speichen Laufrädern mit „nur“ 32 Speichen überlegen sind.

Meiner persönlichen Meinung nach macht es bei 26″ keinen Unterschied, sofern beide Laufräder gleich gut gebaut sind (Theoretisch ist er natürlich da!). Bei 28″ bzw 29er, 29er+ könnten 36 Speichen einen realen Stabilitätsvorteil gegenüber 32 Speichen bringen, da die Speichen hier länger sind und ein Laufrad mit zunehmendem Durchmesser bzw. zunehmender Speichenlänge instabiler wird. Aber auch hier ist die Qualität des Laufradbaus wichtiger als die absolute Speichenzahl.

Ein weiterer Punkt ist die Verfügbarkeit von Komponenten. Beispielsweise gibt es im Bereich der Fatbikes und 29+ eventuell hier und da 32 und 36 Loch Naben, aber die Wunschfelge nur in 32 Loch. Also muss man sich mit einem 32 Speichen Laufrad begnügen.

Zusätzlich zu den verschiedensten Speichenlängen, in der Regel in 2mm Abständen, gibt es auch noch verschiedene Speichenqualitäten.

Gängige Speichenqualitäten sind:

Einfach dick (Plain Gauge), d.h. durchgehend gleiche Dicke, i.d.R. 2 mm

Doppeldickend (Double Butted), d.h. der mittlere Teil ist dünner als die Enden, z.B. 2,0/1,8/2.0 mm

Dreifach dick (Triple Butted), d.h. das Speichenprofil ist z.B. 2,0/1,8/2,3 mm

Ich empfehle die doppeldickend-Variante, da sie das beste aus beiden Welten bietet: durch die Konifizierung ist die Speiche elastischer als eine mit durchgehend gleicher Stärke und „federt“ so extreme Belastungen noch ab wo eine durchgehend gleich dicke Speiche brechen würde.

Für Nippel nimmt man die 12 mm Standardlänge, außer das Felgenprofil erfordert die Verwendung längerer Nippel. Qualitätsnippel gibt es in Messing oder Aluminium, selbstsichernd oder nicht. Ich empfehle die einfachste Variante: Messingnippel, nicht selbstsichernd.

Ermittlung der Speichenlänge

Die korrekte Speichenlänge bzw. -längen zu ermitteln ist oft nicht ganz einfach. Am einfachsten ist es wenn man ein Laufrad neu aufbaut, dann misst man einfach die Speichenlänge(n) vom alten Laufrad ab.

Schwieriger wird es wenn Felge oder Nabe getauscht werden und die Felgenhöhe bzw. der Lochkreisdurchmesser der Nabe ein anderer ist. Noch schwieriger wird es wenn das Laufrad außermittig (Offset, z.B. Surly Pugsely) eingespeicht wird. Meist gibt es dann aber vom Hersteller des Rahmens entsprechende Anleitungen und Spezialwerkzeug.

Zur Berechnung der Speichenlänge(n) benutzt man am besten einen Speichenlängenrechner wie beispielsweise den von Kreuzotter oder den von Arno Welzel.

Liegt die ermittelte Speichenlänge für die linke und rechte Seite nur wenig (1-2 mm) auseinander so kann man die gleiche Speichenlänge verwenden, im Zweifelsfall dann die Kürzere.

Anzahl der Kreuzungen

26″ (559mm) und 28″ (622mm) Laufräder mit 32 oder 36 Speichen werden dreifach gekreuzt, wobei die letzte Kreuzung unterkreuzt wird. Ausnahme: Nabenschaltungen. Bei kleineren Rädern, geringerer oder höherer Speichenzahl (48 Loch) kann die Anzahl der Kreuzungen abweichen.

Im Wesentlichen geht es bei der Anzahl der Kreuzungen darum einen möglichst günstigen Winkel für den Eintritt der Speiche in das Loch der Felge zu finden, bei dem die Speiche so wenig wie möglich geknickt wird, da dies logischerweise die Speiche mehr belastet als wenn sie nur auf Zug belastet wird (100% gerade).

Unterlegscheiben

Früher als die Standards noch nicht so einheitlich waren musste man öfter mal mit Unterlegscheibchen arbeiten, da die Speichenlöcher in der Nabe zu groß waren und dadurch der Speichenkopf zuviel Spiel hatte.

Heutzutage ist das eigentlich nicht mehr nötig da im Zuge der Automation die Standards so vereinheitlicht wurden, dass man praktisch keine Naben mehr findet wo dies der Fall ist. Ausnahmen sind vielleicht filigrane Rennradnaben, die mit dünneren als Standardspeichen eingespeicht werden.

Binden und Verlöten

Hier wird jeweils der Speichenkreuzungspunkt mit Draht umwickelt und verlötet um das Rad steifer zu machen sowie ein Brechen und gegeneinander „Abreiben“ der Speichen zu verhindern.

Mit dieser Technik habe ich keine Erfahrung. Sie ist ein Relikt aus der Vergangenheit und findet wohl nur noch in Ausnahmen Anwendung. Ich glaube aber, dass sie bei dem heutigen Qualitätsniveau der nicht mehr nötig ist.

Abgesehen davon liegen die Nachteile auf der Hand: bricht doch mal eine Speiche wird es um so schwieriger sie zu tauschen.

… in a nutshell

Zusammenfassend kann man sagen, ein stabiles Laufrad hängt von folgenden Faktoren ab:

Hochwertige, für den Verwendungszweck geeignete Komponenten

Muße und Sorgfalt beim Bau

Gleichmäßig starke und hohe Speichenspannung

Speichenspannung dabei langsam in mehreren Durchgängen erhöhen

Verwendung von Öl auf allen beweglichen Teilen

Sicherung der Speichengewinde gegen aufdrehen

Wahl der optimalen Kreuzungszahl entsprechend der Radgröße und des Nabendurchmessers

Beim Einspeichen darauf achten, dass der Speichenkopf richtig sitzt

Mehrfaches Abdrücken im Zuge der Erhöhung der Speichenspannung

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