2016-06-09

Ab dem 10. Juni werden sich in Frankreichs Fußballstadien nicht nur die TV-Kameras aufs Spielfeld richten, sondern auch Millionen Smartphones. Erstmals bei einer Fußballeuropameisterschaft haben die Zuseher die Möglichkeit, mit sehr einfachen Mitteln ein Livevideo an ihre Freunde und Follower in sozialen Netzwerken zu senden. Facebook, in Europa mit rund 250 Millionen täglich aktiven Nutzern, bietet seit Februar 2016 Liveübertragungen in seinen Smartphone-Apps an, Twitter hat mit Periscope Anfang 2015 eine App für Livestreaming gekauft. Doch wer von den Zuschauerrängen aus das Geschehen am Spielfeld filmt und in Echtzeit in Social Media überträgt, kann sich Geldstrafen einhandeln. „Jeder Ticketinhaber, der ein Match besucht, darf keine Ton- oder Bildaufnahmen vom Stadion oder dem Match aufnehmen oder via Internet, Radio, TV oder jedem anderen verfügbaren oder künftigen Medium übertragen oder anderen Personen bei solchen Aktivitäten helfen – außer zu privaten Zwecken“, so die Bestimmungen der UEFA, die viele Millionen Euro mit den Übertragungsrechten für TV-Sender umsetzt. Die große rechtliche Frage ist dabei: Wo verläuft die Grenze zwischen privater Nutzung und öffentlicher Aufführung?

Nur zu privaten Zwecken – aber was heißt das?
„Die Abgrenzung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Bereich lässt sich immer nur im Einzelfall treffen“, sagt der auf Urheberrecht spezialisierte Rechtsanwalt Michel Walter aus Wien. „Als Faustregel kann davon ausgegangen werden, dass Öffentlichkeit immer dann nicht gegeben ist, wenn die Verbreitung beziehungsweise Wiedergabe im privaten Kreis stattfindet.“ Bei einem privaten Kreis handle es sich um nähere Verwandte, enge Freunde und Bekannte, zu denen ein laufender persönlicher Kontakt stattfindet und eine nicht allzu große Personenzahl betroffen ist.

„Fixe Ober- oder Untergrenzen gibt es allerdings nicht“, sagt Walter. Laut Rechtssprechung des EuGH spricht das Vorliegen von Erwerbszwecken dafür, dass Öffentlichkeit gegeben ist – was bei Hunderten Facebook-Freunden und Tausenden Twitter-Followern (zum Beispiel Kunden, Geschäftspartner, Leser) durchaus der Fall sein kann. Für die UEFA wäre es einfach, herauszufinden, ob jemand via Facebook oder Periscope einen Livestream aus einem Stadion sendet – beide Dienste bieten Onlinelandkarten, auf den mit Punkten aktuelle (und teilweise auch gespeicherte) Streams verzeichnet sind – mitsamt Informationen zu den Accounts, die senden.

Strafen sind möglich
Anders als in Österreich, wo Fußballspiele keinen Urheberrechtsschutz genießen, kommt in Frankreich dazu, dass dort Sportvereinigungen und -veranstalter ein Schutzrecht genießen. Außerdem kann die UEFA vom Hausrecht Gebrauch machen und den Ticketkäufern Bedingungen auferlegen. „Grundsätzlich kann der Verletzte Unterlassung und Schadenersatz fordern, der im Fall einer bloßen Facebook-Veröffentlichung, die nur einen begrenzten Freundeskreis betrifft, betraglich wohl nicht allzu sehr ins Gewicht fallen wird“, so Rechtsanwalt Walter. „Handelt es sich dagegen um Rechtsverletzungen größeren Umfangs mit größerer Breitenwirkung, haben französische Gerichte etwa dem Veranstalter der Tour de France einmal 10.000 Euro und in einem anderen Fall sogar einen Betrag von 200.000 Euro zugesprochen.“

Live bei Facebook und Twitter
So funktionieren die Echtzeit-Videoübertragungen in den sozialen Netzwerken:

Facebook: Sowohl Facebook-Nutzer als auch die Betreiber von Facebook-Seiten können mit Apps für iPhone und Android-Smartphones bis zu 90 Minuten lange Livestreams übertragen. Voraussetzung für eine qualitative Übertragung ist schnelles mobiles Internet (am besten LTE). Normale Facebook-Nutzer können entscheiden, ob der Livestream öffentlich ist oder ihn nur ausgewählte Freunde sehen dürfen, Streams von Facebook-Seiten sind immer öffentlich. Ist die Übertragung beendet, speichert Facebook das Video und veröffentlicht es auf dem Profil oder der Seite – der Nutzer beziehungsweise Betreiber kann es im Nachhinein löschen.

Twitter: Wer ein Livevideo an seine Twitter-Follower senden will, muss sich die App Periscope (iPhone und Android) installieren. In der App kann man entscheiden, ob das Livevideo nur ausgewählte Periscope-Kontakte sehen dürfen oder ob der Link zum Video auch an alle Twitter-Follower gesendet wird – standardmäßig sind die Streams aber öffentlich. Es gibt kein offizielles zeitliches Limit. Wird die Übertragung beendet, bleibt das Video noch 24 Stunden online, kann vom Macher aber vorher gelöscht werden.

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