2014-09-26

Gabriel adé - Autarkie ist möglich
25. September 2014 | Topnews, Fachwissen und Technik, Hintergrund
Fortschrittliche Haustechnik: Friedhelm Widmann wollte einfach mal beweisen, wie günstig Solarstrom ist. Das macht er ganz ohne RWE, Eon und Co, nämlich autark, ganz ohne Netzanschluss. Der Strompreis für das Gewerbegebäude kann sich dabei mehr als sehen lassen.

Auf 600 Quadratmeter mitten in Deutschland hat Friedhelm Widmann eine Insel geschaffen. Der Geschäftsführer von Endreß u. Widmann Solar im baden-württembergischen Neuenstadt hat ein Fabrikgebäude gebaut, das sämtlichen Strom und alle Wärme aus einer Photovoltaik- und einem Biogas betriebenen BHKW bezieht. Dass das technisch geht, dürfte dabei weniger überraschen. Die Leistung von Widmann besteht darin, wie günstig die Energie für den Mieter dieser so genannten Energiefabrik, eine Softwarefirma, sein soll. Am heutigen Donnerstag werden zur Einweihung sogar der Innenminister von Baden-Württemberg und IBC Solar-Gründer Udo Möhrstedt erwartet.

Ein Passivhaus ist das Gebäude nicht, übrigens bewusst. Widmann hält es für möglich, dank regenerativer Energieversorgung auch ein nicht-Passivhaus nachhaltig zu betreiben.

90.000 Kilowattstunden wird die Photovoltaik-Anlage vermutlich pro Jahr erzeugen. Die Solarmodule mit zusammen 112 Kilowatt Leistung zeigen teilweise nach Osten oder Westen, teilweise sind sie an der Fassade angebracht, um den Ertrag im Winter zu erhöhen. Der Solarstrom fließt teilweise direkt zu den Verbrauchern, teilweise in den 400 Kilowattstunden Blei-Gel-Speicher, teilweise in eine 60-Kilowatt-Wärmepumpe, die das Gebäude kühlen und heizen kann.

Wenn im Winter der Solarstrom nicht ausreicht, springt ein BHKW ein, das mit Biogas betrieben wird. Nach den ersten Abschätzungen wird es rund 28.000 Kilowattstunden Wärme und 14.000 Kilowattstunden Strom im Jahr produzieren. Wenn es mehr Strom erzeugt, als gebraucht wird oder gespeichert werden kann, springt zusätzlich wieder die Wärmepumpe an.

Widmann hat sich dafür entschieden, sowohl das BHKW als auch die Wärmepumpe zu installieren. Das liegt daran, dass er ohne BHKW nicht über den Winter kommt, er im Sommer aber unbedingt auch kühlen will, wofür die Wärmepumpe nötig ist. Der Gesamtheizbedarf liegt voraussichtlich bei etwa 62.000 Kilowattstunden, so dass die Wärmepumpe etwas mehr als die Hälfte davon übernimmt. Der Kühlbedarf liegt bei 26.000 Kilowattstunden. Auf die Frage, ob es nicht wie in Einfamilienhäusern zu teuer ist, sowohl Wärmepumpe als auch BHKW zu installieren, sagt Widmann, dass es ja auch Skaleneffekte gebe.


Installationen in der Energiefabrik. Foto: Endreß u. Widmann

Wärmepumpen regelbar machen
Bei den Wärmepumpen hat er, so sagt er, außerdem ein Problem gelöst, wodurch derzeit in vielen Systemen der Solarstromanteil unter dem technisch möglichen liegt. Auf dem Markt erhältlich sind so genannte leistungsgeregelte Wärmepumpen. Mit Leistungsregelung ist bei diesen Systemen gemeint, dass die Drehzahl des Kompressors an die Temperaturen im Primär- und Sekundärkreis angepasst wird (siehe FAQ Wärmepumpe, Frage 24). Diesen kann man also nicht die Leistung vorgeben, mit der sie arbeiten sollen. Das ist wiederum für die Kombination mit Photovoltaik-Anlagen wichtig, vor allem in Inselsystemen wie dem Gewerbegebäude von Widmann, damit die Wärmepumpe nicht mehr Strom zieht als erzeugt wird.

Um die Leistungsaufnahme danach zu steuern, wie viel Solarstrom gerade erzeugt wird, greift Widmann in den Sekundärkreis ein. Wann die Wärmepumpe wie stark hoch gefahren wird, regelt dann ein von ihm entwickelter Energiemanager.

Billiger Autarkiestrom
Widmann gibt für den Solarstrom Gestehungskosten von sechs Cent pro Kilowattstunde an (bei 1000 Euro pro Kilowattpeak Systemkosten). Wenn der Strom zuerst zwischengespeichert wird, kostet er nach Widmanns Abschätzung 14 Cent pro Kilowattstunde. Der BHKW-Strom ist etwas teurer. Wenn er einmal zwischengespeichert wird, kommt Widmann auf 20 Cent pro Kilowattstunde. Das liegt alles im Bereich von Gewerbestromtarifen oder deutlich darunter.

Allerdings gelten diese niedrigen Gestehungskosten nur, wenn auch aller erzeugter Strom sinnvoll verbraucht wird. Wird er abgeregelt – „Ich kann ja nicht einspeisen“, sagt Widmann – steigen die Gestehungskosten für den restlichen verbrauchten Anteil. Widmann ist zwar vorsichtig mit Prognosen, da er das Verbrauchsverhalten der Mieter noch nicht so gut kennt, rechnet aber damit, dass 90 Prozent des erzeugten Stroms auch verbraucht werden. Den Strombedarf für das Gebäude schätzt er mit 50.000 Kilowattstunden ein. Der Rest der elektrischen Energie fließt in die drei Elektroautos, die vorgesehen sind. Da würden dann 100 Kilometer bei Betankung mit Solarstrom 90 Cent Betriebskosten verursachen, rechnet er vor.


6 Cent pro Kilowattstunde Gestehungskostem. Foto: Endreß u. Widmann

Widmann rechnet die Stromgestehungskosten ohne Kapitalverzinsung und Inflation. Er hält das nicht für so falsch, da er das Gebäude fast selbst finanziert habe. Die Zinsen auf der Bank sind derzeit schließlich nicht hoch. Aber selbst wenn der mittlere Strompreis am Ende etwas höher liegen sollte, zeigt das Beispiel, dass es ökonomische Alternativen zum Netzanschluss gibt.

Damit widerspricht die Praxis, wenn Widmanns Konzept funktioniert, manchen Theoretikern, die in Studien gezeigt haben wollen, dass die Netze massiv ausgebaut werden müssen. Das Argument der Anhänger eines Netzausbaus ist, dass das der ökonomischste Weg der Energiewende sei. Um Widmanns Preise zu erreichen, müssen sie sich aber ziemlich anstrengen.

Freuen dürften sich wiederum manche, dass Widmann um Gabriels sehr umstrittene EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch herum kommt. Denn diese muss nur zahlen, wer am Netz hängt. (Michael Fuhs)

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