Auf Tuchfühlung mit Kostas Murkudis
Mode im Museum, das ist ein heikles Thema. Immer schwebt die Frage umher: Ist Mode Kunst? Das Museum für Moderne Kunst (MMK) in Frankfurt widmet dem Designer Kostas Murkudis nun eine Einzelausstellung „Tuchfühlung“ im Kontext der bildenden Künste. Ein Gespräch mit einem feinsinnigen Kopf über den Kunstbegriff, Käuflichkeit und Harald Glööckler.
In Paris sahen wir gerade die Haute Couture. Verfolgen Sie die Schauen?
Ja, Einiges sehe ich mir an. Aber auch die Couture hat einen kommerziellen Hintergrund. Am Ende geht es um serielle Fertigung.
Das ist bei ihren Ausstellungsstücken anders?
Es sind unverkäufliche Unikate. Sozusagen Laborprodukte.
Und ist ihre Mode Kunst?
Ich bezeichne mich selbst nicht als Künstler, das tun andere.
Kostas Murkudis wird oft als „Grenzgänger der Mode“ bezeichnet. Seine Arbeit bewegt sich zwischen angewandter Kunst und Modedesign, er gilt als einer der begabtesten Designer Deutschlands.
Herr Murkudis, was ist Kunst überhaupt?
Ich bin nicht berufen, das einzugrenzen. Der Kunstbegriff ist, besonders in Deutschland, oft sehr eng gefasst und wird in eine Schublade gesteckt, sobald eine Autorität den Stempel verliehen hat. Es gibt auf Youtube eine Rede von einem französischen Präsidenten, der Mode nicht nur als angewandte Kunst, sondern als hohe Kunst bezeichnet. In Frankreich umfasst der Begriff visionäres Denken und viele gestalterische Bereiche.
Wie zum Beispiel?
Nehmen sie Architekten wie Le Corbusier und seine handgearbeiteten Modelle aus Holz – das sind Skulpturen. Oder Herzog de Meuron. Ich habe eine Styropor-Arbeit von ihm in einer Ausstellung gesehen, es war der Vorentwurf des Olympiastadions in München. Der Lichtbruch in dieser Arbeit ist so unfassbar schön. Wer behauptet, das sei keine Kunst?
Es gab durchaus auch einen Kunstbegriff, der alle Disziplinen unter einem Dach vereint – wie im Bauhaus. Das schaute niemand von einem hohen Ross hinab auf die „Handwerker.“
Mir hat jemand einmal gesagt: Kunst soll Emotionen wecken. Im besten Fall solche, die man in diesem Zusammenhang noch nicht empfunden hat.
Dieser Gedanke gefällt mir sehr gut. Emotionen zu erzeugen – das ist wirklich hohe Kunst.
Vermutlich stehen Sie nicht morgens auf und denken sich : So, heute mache ich mal wieder Kunst?
(lacht). Nein natürlich nicht. Ich bin morgens sehr langsam und brauche auch unbedingt einen Kaffee. Dann beantworte ich Fragen zu Projekten (Anmm. D. Red.: Kostas Murkudis ist bis dato Creative Director von Ter et Bantine). Wenn das Telefon nicht mehr klingelt und das Treiben ruhiger wird, kann ich mich meiner Arbeit zuwenden.
Also sind Sie eine Nachteule?
Ja. Aber ich bin keine 25 mehr und kann jede Nacht bis drei Uhr morgens arbeiten und wieder um acht Uhr aufstehen. Man lernt, mit seinen Kräften zu haushalten. Aber in manchen Phasen gibt es eben dann auch viele Wochen lang keinen Samstag und keinen Sonntag.
Die Ausstellungsarchitektur und Displays werden von dem deutschen Künstler Carsten Nicolai und dem Architekten Aaron Werbick entworfen. Mit Carsten Nicolai haben Sie schon häufig zusammengearbeitet. Sind sie auch privat befreundet?
Ich würde sogar sagen, er ist mein engster Freund. Seit 1994 arbeiten wir zusammen.
Und das ist sicher sehr harmonisch?
Harmonie ist doch langweilig, völlig weichgespült! (lacht). Carsten und ich sind sehr direkt miteinander und manche Dinge will man natürlich nicht hören, aber wir gehen respektvoll miteinander um. Ich bin dankbar für seine Ideen und wir vertrauen uns.
Ihre Unikate werden nun monatelang von erwartungsvollen und vielleicht auch skeptischen Besuchern beäugt. Sie können nicht dabei stehen und ihre Arbeit erklären. Schüchtert Sie der Gedanke nicht ein?
Natürlich, aber auch das kann man thematisieren und Zweifel überwinden. Ich kann mein Bestes versuchen, aber ich kann nicht für andere denken und sehen. Es steht jedem frei das zu kritisieren. Mit Kritikerin kann ich leben – und das schon ziemlich lange.
Man sagt Kostas Murkudis nicht nur viel Talent nach, sondern auch, dass er kompliziert sei. Bei der nächsten Frage bin ich auf alles gefasst und bin mir sicher, er wird sagen: „Lassen Sie mich mit diesem banalen Mist in Ruhe!“.
Sie wurden für die ProSieben Sendung Germany’s Next Model angefragt und haben abgelehnt. Interessiert Sie kommerzieller Erfolg nicht?
Das passt weder zu meinem Lebenscredo noch zu meinen Fähigkeiten. Ich setze mich doch nicht neben Menschen, die ich nicht kenne, um über andere Menschen, die ich auch nicht kenne, zu urteilen und zu kritisieren, was sie tragen und was sie vielleicht für eine Grimasse ziehen. Das interessiert mich wirklich überhaupt nicht und ich bin nicht käuflich.
Ist das ihr Lebenscredo?
Ja. Sich selbst in allen Facetten treu zu bleiben. Das ist wahrlich nicht immer einfach und kostet oft viel Kraft. Aber ich kann nachts gut einschlafen und habe ein reines Gewissen – sofern man überhaupt ein reines Gewissen haben kann.
Sie haben schon drei Mal Anfragen von Privatsendern abgelehnt. Warum?
Da herrscht einfach kein Respekt für den Menschen. Es wird gedankenlos konsumiert und in Stücke gerissen. Wenn man sich einmal darauf einlässt, verliert man die Kontrolle. Ich kann natürlich auch nicht verhindern, dass öffentlich-rechtliche Medien so arbeiten, aber ich kann es eingrenzen.
Was würden Sie sich wünschen: Was sollen die Besucher nach der Ausstellung denken?
Ich bin mit dem großen Anspruch herangegangen, ein anderes Modebeispiel zu liefern. Es wäre schön, wenn die Besucher Mode danach mit anderen Augen sehen als es Ihnen die Medien so erfolgreich vorgegaukelt haben.
Was meinen Sie damit?
Mode kann ein ganz anderes Bild ergeben als es lächerliche Entertainer wie Harald Glööckler zeichnen. Sie ist auch mehr als Bekleidungshersteller wie s.Oliver oder Esprit, da geht es um Industrieprodukte: Zwei Beine, vorne und hinten Stoff drumherum. Der deutsche Geist mag Messbarkeit. Die Faktoren dafür sind: praktisch und günstig. Beim Essen verhält es sich ähnlich. Das hat keine Poesie und keinen Anmut.
Alleine diese oberflächlichen Beschreibungen in Magazinen: „Das sieht aus wie“. Dieses Nachäffen. Es scheint so als sei nur interessant, was man schon kennt und einordnen kann. Es liegt vielleicht auch daran, dass manchmal buchstäblich die Worte fehlen und es viele Begriffe in der deutschen Sprache nicht gibt.
Welches Magazin haben Sie sich denn zuletzt gekauft?
Ich habe keine Abonnements, aber ich mag Monopol, Self Service und 032c. Letzteres schätze ich sehr, weil es ein sehr ehrliches und authentisches Magazin ist.
Und was lesen Sie online?
Verschiedene Design, Kunst- und Architekturblogs. Manchmal schaue ich mir auch Style.com an.
Noch gibt es die Seite ja, bevor Sie zur Shopping-Website umgestaltet wird!
Es wird etwas anderes nachkommen. Die nachfolgenden Generationen haben die Chance Gegenpositionen zu entwickeln.
Ist die Ausstellung eigentlich eine Retrospektive?
Ich möchte mich noch nicht selbst beerdigen.
Vielen Dank für das Gespräch. Es hat mir viel Spaß gemacht.
Danke, mir auch. (kurze Pause). Das hat mir wirklich sehr viel Spaß gemacht. Manchmal können Interviews ja auch eintönig sein. Ich hoffe, dass Ihnen die Ausstellung gefällt und Sie viel Freude daran haben.
Was Kostas Murkudis nicht weiß: Ich bin vor Interviews nicht nervös, denn ich selbst stehe nicht im Mittelpunkt. Das war dieses Mal anders: Ich habe einmal ein Interview mit ihm beobachtet und die Redakteurin war nicht vorbereitet – was er bemerkte. Während des Gesprächs sank sie förmlich in sich zusammen.
Was ihr über Kostas Murkudis wissen solltet:
Kostas Murkudis ist als Sohn griechischer Kommunisten in der DDR aufgewachsen. Modedesigner wollte er eigentlich nie werden. Er träumte von einem Leben als Künstler, aus Respekt vor der Kunst wollte er als angewandter Künstler arbeiten und Architekt oder Restaurator werden. Seine Eltern waren entschieden dagegen, so begann er am Berliner Lette Verein eine Grafikausbildung und schloss anschließend am selben Instititut die Modedesign-Ausbildung als Primus ab. Er war erster Assistent von Helmut Lang, Chefdesigner von New York Industries in Italien, Kreativdirektor bei Closed und er beriet Nicolas Ghesquière während dessen Zeit als Chef-Designer bei Balenciaga. Mit seinem eigenen Label greift er seit 1994 performative, skulpturale und konzeptuelle Fragestellungen auf und stiftet seine Arbeiten Museen wie dem Victoria & Albert in London und dem Modeinstitut von Kyoto. Kostas Murkudis ist einer der wenigen international renommierten Designer.
Der Beitrag Kostas Murkudis erschien zuerst auf Modepilot.