Sie kennt das Leben aus sämtlichen Perspektiven und durch diverse Objektive. Sie weiß, was Fallen ist und wie man sich wieder aufrappelt, wo das Glück lauert und wie man es aufspürt, was Einstecken bedeutet und Dankbarkeit ist. Die Rede ist von Katja, die hinter noz!design bzw. Glücksmomente steht. Die alleinerziehende Mutter und Fotografin teilt nicht nur die Vorliebe für frühe Morgenstunden mit mir, sondern auch die Liebe zu Büchern und Zeitschriften und die Lust aufs Neuentdecken im Altbekannten. Mit ihren so feinsinnigen wie sorgsam gewählten Antworten stellt sie die neu beginnende Woche in ein ganz besonderes Licht – in ein wohlwollend warmes Herbstlicht, das die nahende Winterkälte noch einmal in Vergessenheit geraten lässt. Ich danke dir, Katja, für diesen schönen Wochenstart und wünsche euch eine anregende Lektüre.
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In drei Sätzen: Wer bist du?
Ich bin eine wirklich chaotische, das Leben liebende Mutter zweier wilder Kerle, beste Freundin, ein Stehaufmännchen, das – gerade in den Dreck gefallen – schon wieder eine völlig neue Perspektive in die Senkrechte mitnehmen kann und sich freut, wenn in diesem Moment des Fallens die Kamera zur Hand war. Stets auf der Suche nach Achtsamkeit im Leben und dabei keine Möglichkeit auslassend, über sich selbst zu lachen. Tagräumerin, mit zu vielen Ideen und manchmal Realistin, die mehr tagträumen sollte.
Du bist beruflich mit deiner Lieblings-Canon, einer Lumix und Stiften verbandelt. Was machst du genau?
Ich kreakultiviere mich. Halte das Leben mit all seinen Facetten fest und habe ein unbändiges Verlangen, Aufnahmen in die Welt zu schicken, die dem Betrachter Raum und Zeit für eigene Interpretationen lassen. In den meisten Fällen bedeutet das, sich von Festgefahrenem zu lösen, um die Ecke zu denken und sich zwischen Ameisenhaufen zu werfen, wenn die innere Stimme ruft: „Zeig mir den Himmel aus einer anderen Perspektive!“. Dieses Fallenlassenkönnen bei Aufnahmen, die scheinbar unperfekt sind und dennoch eine Welle der Emotionen auslösen, Bilder, die Herzklopfermomente hervorrufen – all das mag ich so sehr. Und dafür mag ich meine Canon, die treue Begleiterin seit vielen Jahren.
Ebenso, wenn sie Auftragsarbeiten im Bereich der Porträt- und Architekturfotografie einfängt. Hier bin ich zwar nicht ganz frei, denn die Kunden hegen ein klar vorgegebenes Ziel mit diesen Bildern. Aber da sie sich anhand meiner bisherigen Aufnahmen für genau diesen Stil entschieden haben, muss ich mich nicht verbiegen, kann mit dem gleichen Herzblut, mit der ich meine freien Bilder inszeniere, die Aufträge erfüllen - was letzten Endes trotz manchmal eng gesteckter Vorgaben ein sehr angenehmes Arbeiten ermöglicht. Zur Zufriedenheit beider Seiten.
Für die schnellen Momente reist die Lumix mit. Sie hält in Skizzen Bilder fest, die in der Idee noch reifen müssen und ist der Grund, für den mich meine Jungs manchmal schelten, wenn ich während einer Autofahrt fotografiere. Aber anders funktioniert es nicht, denn leider hat sich die Leidenschaft für derartige Momentaufnahmen nicht weitervererbt. Sie sind zwar oft geduldig, die wilden Kerle – „Dürfen wir schon essen, oder willst du es noch fotografieren?“ – den Fotoapparat jedoch als Werkzeug der eigenen Kreativität anzusehen, dazu ist es (bisher) nicht gekommen. Gestern zeigte der kleine Mann allerdings zaghafte Ansätze: „Mama, ich weiß nicht, ob ich mir einen Fotoapparat, eine Angel oder eine Konsole zu Weihnachten wünschen soll.“ – Es ist also Potential vorhanden. :-)
Trage ich nicht die Kamera in der Hand, so sind es Stifte. Es gibt Tage, da möchte ich morgens aufstehen und skizzieren, einen Kaffee trinken, skizzieren, Linien zu Mustern verbinden, Punkte zu Schatten werden lassen, den Kindern kurz Hallo sagen, skizzieren, skizzieren, ins Bett fallen, skizzieren … denn irgendwohin müssen die Gedanken. Alles, was im Inneren Purzelbäume schlägt, muss auf´s Papier gescribbelt werden, auch wenn bisher nur wenige Bilder den Durchbruch an die Öffentlichkeit schaffen. Ich bin dummerweise meine größte Kritikerin und bezüglich Illustrationen noch mitten auf dem Weg. Findungsphase – oder wie nennt man das?
Das Karten-ABC, welches Anfang diesen Jahres entstanden ist, war der erste Schritt, wieder einen Stift in die Hand zu nehmen. Mit Erfolg – denn seit seinem ersten Auftritt im Blog ist es in einige Himmelsrichtungen ausgeflogen. Das macht stolz und treibt mich an.
Bei der "Raumfee" berichtest du, dass eure Wohnung am Anfang gar nicht mochtest und dort nur einzogst, um deinen Jungs nach der Trennung nicht noch einen Wegzug aus dem gewohnten Umfeld zuzumuten. Wo und wie lebst du?
Es war, glaube ich, weniger die Wohnung an sich, die mich abschreckte, denn mehr der Hof, die Menschen, die dort lebten, mit denen ich es mir nicht leicht gemacht habe. Biertrinkende Eltern am Spielplatzrand und Nachbarn, die die eigene Kindheit vergessen haben, waren nicht die Begegnung, die ich mir für meine Jungs wünschte. Aber alles verändert sich, wenn man sich dem Positiven zuwendet. Und so hab ich es damals gesehen. Wir zogen nur eine Querstraße weiter, hatten das, was im Alltag wunderbare, liebgewonnene Gewohnheit geworden war, als Chance für einen Neuanfang behalten. Freunde, Spielplatz, den Bach im Park in der Nähe, den selben Weg in den Kindergarten und zur Schule. Eine Sicherheit, die an diesem Lebenspunkt für die Kinder wichtig war und für mich vieles erleichterte.
Die Wohnung an sich ist aus heutiger Sicht ideal. Zwei Räuberhöhlen für die Jungs, in denen sie sich ausleben können und dazu ein großes Allroundzimmer, das ich so geschickt aufgeteilt habe, dass Arbeiten, Wohnen, Musizieren und Schlafen hervorragend miteinander harmonieren. Hier können wir basteln, Hausaufgaben erledigen, gemeinsam spielen, kreativ sein, entspannen, Kinoabende verleben und mit Freunden und Familie feiern.
Seit der Trennung räumen wir an aller Seelenruhe um, malern, gestalten und räumen wieder um, so oft und auf die Art wie wir es uns wünschen, wie es unserem Inneren entspricht. Keiner kann uns mehr reinreden. Das ist eine der großen Freiheiten, die wir sehr genießen. Nur manchmal vermisse ich einen Balkon, aber der Blick ins Grün des Innenhofs und den Himmel entschädigt.
Wie hat sich dein Leben mit und durch die Trennung verändert?
Darüber habe ich mir nicht oft Gedanken gemacht, kam aber in den seltenen Momenten immer zum selben Ergebnis: Bis auf wenige Ausnahmen durchweg positiv! Sie hat mir gezeigt, dass tatsächlich jedem Anfang ein Zauber innewohnt, wenngleich er in den ersten Wochen nach dem plötzlichen Auszug des Kindesvaters so natürlich nicht sichtbar war. Die überbordende Traurigkeit und Wut über Art und Weise der Trennung brachte relativ schnell auch Erleichterung. Darüber, dass ich nicht mehr mitverantwortlich sein muss für das vermeintliche Glück eines anderen Menschen. Etwas, woran es vorher krankte.
Verantwortung trug ich nur noch für meine Kinder und mich. Aber ich war nicht wirklich allein nach der Trennung, hatte Freunde und Familie, die mich unterstützten. In dieser Zeit habe ich gelernt, wieder auf meine eigenen Kräfte zu vertrauen und mich auf neue Möglichkeiten zu konzentrieren. Ich habe aber auch gespürt, wann ich die Reißleine ziehen muss, wenn ich zu erschöpft bin. Manche Tage bestanden nur daraus, den Alltag aufrecht zu erhalten, die Struktur für die Jungs zu sichern und am nächsten Morgen genau so weiterzumachen. Das waren wichtige Phasen in der ersten Zeit. Heute weiß ich, dass nach jedem noch so tiefen Fall auch wieder ein Berggipfel wartet, dessen Aussicht atemberaubend schön ist.
In all den Jahren nach der Trennung habe ich vor allem eines gelernt: Mir selbst zu genügen. Auch gern mit mir allein zu sein. Und zu sehen, dass wirklich nur ich für mein Glück verantwortlich bin, dazu aber durchaus die Hilfe von Anderen in Anspruch nehmen darf. Dass Fallen dazugehört und der Blick von ganz unten durchaus neue Perspektiven ermöglicht.
Als alleinerziehende Mutter lebt man logischerweise mit Einschränkungen. Ich kann nicht spontan abends ausgehen, alles bedarf einer gewissen Planung. Und ich trage die Verantwortung für die mir Anvertrauten fast vollständig alleine. Nicht immer leicht, aber machbar und mit Konzentration auf das Schöne und dem Wissen, dass ich die Zeit mit den Jungs genießen sollte, weil sie so schnell flügge werden, werden auch viele Dinge einfacher. Es braucht eine positive Grundeinstellung zum Leben, ein wenig Menschenverstand und jede Menge Bauchgefühl für Trennungskinder, dann sind auch die schwierigen Situationen gut zu meistern. Einzig und allein, dass ich meine damals gerade begonnene Selbständigkeit niederlegen musste, ist schade. Doch wie sagte Paulo Coelho in „Elf Minuten“:
“Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit;
pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit;
töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit;
weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit;
klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit;
Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine einsammeln hat seine Zeit;
herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit;
suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit;
behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit;
zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit;
schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit;
lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit;
Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit.”
Betrachte ich diese Ansammlung vom Zeit-geben-müssen, so weiß ich, dass Abwarten, in ruhigerem Tempo vorangehen zum Leben dazugehört und – im Vertrauen darauf – meine Berufung ihren wohlwollenden Lauf nimmt.
Nach einem Architekturstudium und einigen Jahren Berufstätigkeit machst noch mal eine Ausbildung zur Holz- und Holzwerkstofftechnikerin. Was genau beinhaltet die Ausbildung? Und was hat dich dazu bewegt, diesen Schritt zu gehen?
Diese Frage passt perfekt zur vorhergehenden, denn leider warfen sich mit der Ausbildung Probleme des Alleinerziehendseins auf, die in diesem Jahr auf die Schnelle nicht zu klären waren. Studienzeiten an einer Berufsakademie mit Pflichtvorlesungen bis in den späten Abend hinein sind keine Frage der freien Jugend, wohl aber wenn daheim zwei Kinder leben, die aufgrund der für sie noch andauernden Trennungsproblematik einer anderen Fürsorge bedürfen als Kinder intakter Familien. Das heißt, das Studium musste noch warten. Manche Dinge sind mit meinen Jungs vorübergehend unmöglich, aber auf längere Sicht nicht ausgeschlossen. Was momentan bleibt, ist der schöne Gedanke, dass mich die Ausbildungsfirma auch im nächsten Jahr mit Kusshand aufnehmen wird.
Was sind deine Kraft- und Inspirationsquellen?
Meine Kraftquelle? Vor allem Vertrauen auf mich selbst, dazu meine Freunde, Familie und eine ordentliche Portion Schlaf. Unausgeschlafen bin ich unerträglich und schaffe ich gar nichts. So kann ich mich selbst nicht leiden. Also vermeide ich alles, was mich zum Arbeiten bis nach Mitternacht zwingt. Ich brauche meinen Vormitternachtsschlaf (bin ich jetzt alt?). Lieber stehe 4.30 Uhr auf, um Liegengebliebenes abzuarbeiten.
Meine Jungs geben mir Kraft, mit Worten, Gesten, mit ihrem Dasein. Und sie liefern mir oft fotografischen Input: „Mama, komm mal schnell und bring den Fotoapparat mit.“ – „Boah Mama, guck mal ...“ Es tut gut zu spüren, dass die eigenen Arbeiten unbewusst bei den Kindern ihre wohlwollende Wirkung hinterlassen. Sie nehmen viel mehr auf, als ich manchmal vermute und geben mir dies auf ihre ganz ureigene Art und Weise zurück.
Unabhängig davon liebe Bücher und Zeitschriften als Inspirationsquellen. Fachbücher zu Fotografie und Grafikdesign tummeln sich hier ebenso wie verschiedene Kreativbücher, die Gedankenstöße geben. Einmal pro Woche gehen wir in die Bibliothek, leihen uns aus, was nicht mehr in die Bücherregale passt.
Und zu guter Letzt: Raus den eigenen vier Wänden. Luft schnappen, den Kopf freibekommen und die Augen offen halten für Neues. Wir entdecken die Stadt in all ihren Facetten, atmen den Himmel und die Ruhe unserer Streuobstwiese und können uns dort fallen lassen, dem Lauf der Jahreszeiten besonders gut folgen. Sie hat mich gelehrt, die Schönheit der Natur in jedem Monat neu zu entdecken und vor allem wie wertvoll der Wandel im Laufe der zwölf Monate ist.
Welche Rolle spielt das Bloggen und Blogs in deinem Leben?
Als ich 2006 mit dem Bloggen begonnen habe, war ich völlig unbedarft und hatte nur den Anspruch, eine Plattform zu finden, auf der ich meine Ideen vorstellen und für mich eine Art Nähtagebuch führen konnte. Erst in den letzten zwei Jahren ist das Blog zu dem geworden, was es heute ist: Eine Ansammlung kleiner und großer Glücksmomente. Den Namen habe ich zu einem Zeitpunkt gewählt, in dem ich vor lauter Alltagsturbulenzen die kleinen Momente nicht mehr genießen konnte. Er ist quasi eine Erinnerung an mich selbst, achtsam zu sein. Auch an Tagen die unrund laufen, genau hinzuschauen und die leisen Zwischentöne des Lebens, des Miteinanders zu entdecken.
Das Bloggen bietet mir die Möglichkeit, mich auszudrücken, sei es in Worten, Illustrationen oder Fotografien – am besten natürlich alles zusammen. Die Themen ergeben sich meist von selbst und sind an einigen Tagen inspiriert durch andere Bloggerinnen. Ninas Upcyclingdienstag und Michaelas Mustermittwoch – was für schier unerschöpfliche Quellen. Man betrachtet die Welt automatisch mit anderen Augen. Katjas In Heaven Serie, die meiner seit Jahren gewachsenen Himmelssammlung endlich einen würdigen Rahmen gibt. Illustration Friday, der meine Skizzenbücher füllt und hin und wieder interessante Ansichten zum Vorschein zum Vorschein bringt.
Das Blog ist immer noch Tagebuch, auch wenn ich mich vom reinen Nähen wegbewegt habe. Es ist Inspirationsquelle, vor allem aber Austausch mit anderen Menschen, die man sonst nie im Leben kennengelernt hätte. Das schätze ich unheimlich und möchte es nicht mehr missen. Ich finde die Möglichkeiten, die sich darüber ergeben, so unendlich, so vielfältig, so faszinierend, dass ich an manchen Tagen den Wunsch habe, mich seelenruhig durch alle Blogs zu lesen und aus dem Staunen nicht mehr herauszukommen. Ein schöneres, größeres Bildwörterbuch für Erwachsene kann es fast nicht geben. Allerdings kann ich den blank geleckten Lifestyle-Trend-Blogs nichts abgewinnen – wonach ich suche sind Tiefgang, Posts und Bilder von Persönlichkeiten mit Schönheit im Herzen.
Was wünscht du dir für 2014?
Mein größter Wunsch wäre ein gesundes Mittelmaß in beruflicher Hinsicht. Eine Mischung aus Festanstellung und Freiberuflichkeit, aus Sicherheit und der Chance, mich selbst zu verwirklichen. Mir Ziele zu setzen, die ich erreichen will und kann. Als erstes zum Beispiel endlich den Etsy-Shop mit Leben und Glücksmomenten füllen.
Für meine Familie wünsche ich mir, dass wir wie bisher gemeinsam durch´s Leben gehen, dass unsere Bindung trotz pubertärer Schübe der Halbstarken so reißfest bleibt und wir immer noch oft und viel miteinander lachen können. Und ich wünsche mir Nerven wie Drahtseile, damit die Jungs weiterhin wild, frech und wunderbar sein dürfen.
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Herzlichen Dank Indre! Für deine Einladung zu „Ein Blick hinter ...“ und die damit verbundenen Fragen – welch feinsinnige Gedankenanstöße!
Liebe Grüße
Katja