2013-09-04

- Auszug GEAB N°55 (15. Mai 2011) -



So lang wie diese Kapitelüberschrift auch schon sein mag, so unzureichend ist sie dennoch. Denn jede Politische Antizipation zur Frage der Atomkraft muss neben Fukushima zwei weitere entscheidende Faktoren berücksichtigen, nämlich

- das Internet und

- die weltweite Energiekrise als ein wesentliches Element der umfassenden weltweiten Krise, die wir durchleben.

Diese drei Elemente in ihrem Zusammenspiel werden nach unserer Auffassung nachhaltig den gesamten Entscheidungsprozess in der Atomenergiepolitik umkrempeln. Die Art und Weise, wie bisher, seit den Anfängen dieser neuen Energiequelle mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, über die Verwendung und den Ausbau der Atomkraft entschieden wurde, gehört nunmehr unwiderruflich der Vergangenheit an. Eine Revolution wird in den nächsten neun Jahren den gesamten Entscheidungsprozess zur Atomenergie ergreifen und

- die Art und Weise, wie über den Ausbau oder den Ausstieg entschieden wird, tiefgreifend umgestalten;

- den Entscheidungsspielraum der nationalen Politiker und Wirtschaftsführer beschneiden; - ja sogar die Entscheidungsträger selbst verändern.

Sowohl die Atomenergiebefürworter, die seit den fünfziger Jahren die Weltwirtschaft in die Richtung dieser neuen, „unerschöpflichen“ Energiequelle getrieben haben, als auch die in den siebziger Jahren als ihre entschiedenen Gegner auf den Plan getretenen Umweltschützer werden sehr schnell erkennen müssen, dass sie in Fragen der Atomkraft nicht mehr die alleinige Diskussionshoheit besitzen. Die Katastrophe von Fukushima, das Internet und die Energiekrise im Allgemeinen werden die Debatte aus ihren bisherigen eng gesteckten Grenzen befreien, innerhalb denen sich wenige Experten in scharf in Befürwortern und Gegner getrennten Lager unversöhnlich gegenüberstanden. Für die großen Energieunternehmen und die Politiker, die bisher allein und in von den Bürgerinnen und Bürgern abgeschirmten Zirkeln über die allgemeine Energieversorgung und ihre Quellen entschieden, ist dies ein Paradigmenwechsel bisher unbekannten Ausmaßes; denn auf einen Schlag ist ein bedeutender Anteil der weltweiten Energieproduktion zur demokratischen Disposition gestellt.

Bevor wir näher ausführen wollen, warum sich eine Revolution ankündigt, wollen wir in Erinnerung rufen, in welcher Weise seit fünfzig Jahren die Entscheidungen über den Ausbau der Atomkraft gefallen sind. Die großen Protagonisten der Atomkraft waren seit ihren Anfängen eine ideologisch homogene Gruppe von Technokraten (Ingenieure, Wissenschaftler, Wirtschaftsführer, staatliche Institutionen), die für sich entschieden hatten, dass die Entwicklung der Atomkraft der Welt eine neue Energiequelle schenken werde, mit der sie unabhängig von fossilen Energieträgern (1) und deren begrenzten Vorräten werde (2).

In den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstand aus den Kreisen der Umweltschützer und aller, die die Allwissenheit der Obrigkeit anzweifelten und ihre Entscheidungshoheit nicht mehr unkritisch hinnehmen wollten, eine radikale Oppositionsbewegungen gegen die Atomkraft. Sie sei unkontrollierbar und überhaupt ein Auswuchs einer hierarchischen Gesellschaft, in der Entscheidungen ohne ein Mitspracherecht für die Bürgerinnen und Bürger getroffen würden. Diese Bewegung erhielt in den Jahren 1973/1974 viel Zulauf, als nach der Ölkrise die westlichen Staaten, allen voran Frankreich und Japan (3), beschlossen, ihre Länder mit einem engen Netz an Atommeilern zu überziehen.

Nach dem Super-Gau von Tchernobyl (4) entwickelte sich die Atomkraftpolitik in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich: In einigen Ländern wie Frankreich und Japan konnten die Technokraten sich vollständig durchsetzen. Atomkraftgegner wurden dort als ewig Gestrige belächelt und als Wissenschaftsparanoiker verspottet. Mit ihrem häufig lautstark vorgetragenem Protest gelang ihnen, Medienaufmerksamkeit zu erregen; auf den Entscheidungsprozess jedoch hatten sie wenig bis gar keinen Einfluss.

In anderen Ländern hingegen (Deutschland, Finnland, Italien usw.) waren es die Atomkraftgegner, die sich durchsetzen und den weiteren Ausbau der Kernenergie verhinderten.

In den USA war es bei dem Unfall von Three Miles Island (5) ebenfalls zu einer Kernschmelze gekommen. Dennoch waren es nicht die Umweltschützer, die in den USA den weiteren Ausbau der Kernenergie verhinderten, sondern die Ölkonzerne, die sich auf diese Weise unliebsamer Konkurrenz entledigen wollten.

Als am Ende des letzten Jahrzehnts die Preise für fossile Brennstoffe in die Höhe schossen, weil

- China, Indien, Brasilien und weitere Schwellenländer ihre Wirtschaft nach dem energieintensiven Modell der westlichen Staaten organisierten und somit als neue massive Nachfrager in den Ölmarkt drängten,

- die Theorie vom „Peak Oil“ und Zweifel an dem genauen Umfang der Reserven die Erkenntnis brachten, dass Erdöl ein begrenztes Gut ist,

und gleichzeitig die Sorge um die Klimaerwärmung den Kampf gegen Treibhausgase einläutete (womit der Atomlobby ermöglicht wurde, Atomkraft als umweltfreundliche Energiequelle zu propagieren) erlebte die Atomkraft ihren zweiten Frühling. Alle Länder, die den weiteren Ausbau eingestellt hatten, nahmen den erneuten Ausbau in Angriff, während die Schwellenländer den Bau von dutzenden Atommeilern planten. Wäre es bei diesen Plänen geblieben, hätte sich die Gesamtzahl der Atomkraftwerke weltweit in zehn Jahren ungefähr verdoppelt (6). Die Umweltschützer und Atomkraftgegner standen angesichts der hohen Ölpreise und der großen öffentlichen Resonanz auf die Forderungen nach Reduzierung der Treibhausgase (für die sie ja eingetreten waren) dieser Entwicklung machtlos gegenüber.

In der gleichen Zeit führten Globalisierung und das Primat der Finanzmärkte über die Weltwirtschaft dazu, dass immer mehr Atommeiler in die Hände von privaten Eigentümern übergingen (7). Das trug auch Zwist in die bisher so homogene Gruppe der Technokraten und Atomkraftbefürworter hinein. Denn viele von ihnen, und unter ihnen sogar Mitarbeiter der Atomindustrie, vertraten die Auffassung, dass die komplexen Sicherheitsanforderungen der Atomkraft mit dem kurzfristigen Profitstreben von Privatunternehmen nicht kompatibel seien (8). In den Jahren 1990 bis 2010 lieferte die japanische Atomindustrie immer wieder Beispiele dafür, was passiert, wenn Sicherheit und Profit in Konkurrenz zueinander stehen. Selbst in dem so atomkraftgläubigen Japan kam es immer wieder zu massiver Kritik an den Kernkraftwerksbetreibern.



Zu Jahresanfang 2011 gab es eigentlich so gut wie niemanden mehr, der sich getraut hätte, gegen die Pläne, den Planeten mit einem dichten Netz an Atomkraftwerken zu überziehen, zu protestieren (9). Gleichzeitig beschränkte die voranschreitende Privatisierung des Energiesektors, die auch die Atommeiler einschloss, mit jedem Tag ein wenig mehr die Möglichkeit der Staaten, über ihre Aufsichtsbehörden und gesetzlichen Regelungskompetenzen die Einhaltung von Sicherheitsstandards zu gewährleisten. Wie es die Finanzmärkte vorgemacht hatten, war die Atomindustrie dabei, sich von jeglicher staatlicher Bevormundung und Regulierung zu befreien (10).

Und dann brach die Katastrophe über Japan herein: Ein Erdbeben von einer Stärke, wie es so gut wie nie vorkommt, gefolgt von einer Flutwelle einer Höhe, die man bis dahin nicht für möglich hielt.... und plötzlich zeigte sich, dass das Atomkraftwerk von Fukushima für solche nicht vorhergesehenen und dennoch eintretenden Ereignisse nicht ausgelegt war. Im Gegensatz zu Three Miles Island berichteten die Medien bis in das letzte Detail über die Katastrophe und ihre Folgen; und im Gegensatz zu Tschernobyl trat der Unfall nicht in einem Land ein, das sich im technischen und wirtschaftlichen Zerfall befindet, mit dem man glaubt, nichts gemein zu haben (11). Er trat ein in einem der modernsten Länder der Welt, einem Land, von dem alle glaubten, es besäße als einziges Land, auf das je Atombomben gefallen waren, die wohl sichersten Atomkraftwerke der Welt. Wegen des Internets gelang es den Befürwortern diesmal auch nicht wie bei den beiden vorhergehenden Katastrophen, die Informationsflut zu kontrollieren. Im weltweiten Netz vervielfachten sich die Informationen, entstanden und gediehen Gerüchte und Verschwörungstheorien. Selbst die Stellungnahmen der Atomkraftgegner hatten Schwierigkeiten, in dieser Informationsflut Gehör zu finden.

So konnte sich in den Tagen, die der Katastrophe von Fukushima folgten, weltweit eine öffentliche Meinung bilden, die ihren naiven Glauben an die Atomkraft verloren hat und die nunmehr versucht, sich Klarheit darüber zu verschaffen, was eigentlich in Japan passiert ist, noch passieren wird und welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind; und die sehr schnell versucht, sich von dem in jahrelangen Streitigkeiten zwischen Befürwortern und Gegnern festgefügtem Denk- und Analyseschema zu lösen. Vor dem Hintergrund der umfassenden weltweiten Krise haben sich viele Parameter der Debatte verändert. Zum Beispiel führt die soziale und wirtschaftliche Krise, wie von uns schon vor zwei Jahren vorhergesagt, dazu, dass die Frage der Klimaerwärmung (und die bisher gängige Antwort darauf in Form der Forderung nach Reduzierung der Treibhausgase) von den öffentlichen Meinungen nicht mehr als vordringlich wahrgenommen wird. Der Kampf gegen die Treibhausgase als ein entscheidender Faktor für die politische Durchsetzbarkeit des erneuten Ausbaus der Atomkraft hat viel von seiner Überzeugungskraft verloren.

Weltweit erkennen die Entscheidungsträger, dass die Welt sich verändert hat, aber sie finden sich in der neuen noch nicht zurecht. Die einen, unfähig, von den alten Wahrheiten zu lassen, wollen die Atompolitik fortsetzen, als ob es Fukushima nie gegeben hätte; andere wollen gewisse Konzessionen machen, von deren genauen Ausgestaltung sie aber noch keine Ahnung haben; und wiederum andere treten brutal auf die Bremse (12).

So sieht sie aus, die Welt, in der wir heute leben.

Energieindustrie, Investoren, Atomkraftgegner wie auch die politischen Entscheidungsträger stochern mit der langen Stange im Nebel der Zukunft, in der Hoffnung, die wichtigen Trends und damit die ihnen offenstehenden Optionen zu erkennen. Gerade dabei wollen wir in aller Bescheidenheit helfen und in der zweiten Hälfte dieser Arbeiten unsere Analyse der sechs entscheidenden Faktoren der Revolution im Entscheidungsprozess über die Atomkraft für die kommenden Jahre (bis 2020) vorstellen.

Da in jeder Debatte über Atomenergie viele Emotionen mitschwingen, wollen wir wieder daran erinnern, dass in einer Politischen Antizipation nicht die Welt beschrieben werden soll, wie ihre Autoren sie sich wünschen (wobei auch dazu in einem Forschungsteam sehr wohl unterschiedliche Auffassungen bestehen können); vielmehr soll beschrieben werden, wie nach unserer Auffassung die Entwicklung verlaufen wird.

Die sechs neuen Faktoren, die in den kommenden Jahren die Debatte zur Atomenergie revolutionieren werden

In dieser Revolution des Entscheidungsprozesses bezüglich Atomenergie kann man zwei unterschiedliche Typen von neuen Faktoren ausmachen.

Zum einen finden sich drei Faktoren, die zeigen, dass der Kontext, in dem die Entscheidungen fallen, sich radikal verändert hat: Die Natur der Debatte hat sich tiefgreifend verändert, die Teilnehmer an der Debatte sind andere, und der „letztendliche Entscheider“ ist ein anderer.

Zum anderen gibt es drei Faktoren, die die Entwicklung der Debatte und ihre Schlussfolgerungen vorherbestimmen. Die gesellschaftliche Einstellung zur Atomkraft an sich, zu den Anforderungen an die einzuhaltenden Sicherheitsstandards und zum erforderlichen Niveau an staatlicher Regelung und Aufsicht hat sich wesentlich verändert.

1. Das Ausmaß der Katastrophe in Fukushima im Gesamtkontext von Internet und Energiekrise erfordert eine rationale internationale Debatte über die Zukunft der Kernenergie sowie die Schaffung von neuen Methoden für die Antizipation ihrer Risiken

Die Welt von 2011, die sich plötzlich mit der Katastrophe von Fukushima konfrontiert sieht, ist nicht mehr die naiv technikgläubige, ideologisch gespaltene Welt von 1950 bis 1989, in der die Medien die öffentliche Meinung weitgehend prägen konnten. Sie ist auch nicht mehr Welt von 1990 bis 2010, in der die westlichen Staaten, überzeugt von ihrer technischen Überlegenheit, selbstherrlich die globale Führung beanspruchten. Sie ist eine Welt, die nunmehr seit einem Jahrzehnt ständig erleben muss, wie Naturkatastrophen (Tsunamis, Wirbelstürme, Erdbeben) die Vergänglichkeit menschlicher Werke auf dieser Erde unter Beweis stellen; die erkennen muss, dass durch menschliches Handeln Katastrophen herbeigeführt oder verschlimmert, auf jeden Fall nicht durch Voraussicht verhindert werden (Rinderwahn, Wirbelsturm Katrina, 11. September); und die sich von ihren Politikern aufs Schlimmste belogen weiß (Irakinvasion). Wegen der intensiven Berichterstattung der Medien, zu denen immer mehr das Internet zählt, entgeht der öffentlichen Aufmerksamkeit keine dieser Katastrophen, erlebt die Welt sie heute eindringlicher als früher. Denn heute agieren die Medien weltweit, diversifiziert wie nie zuvor und außer Kontrolle jeglicher Institutionen. Damit können Debatten, die aus den großen kommerziellen und staatlichen Medien schon lange verschwunden sind, unter der Oberfläche weiter schwelen. Dieser Schwelbrand kann Jahre andauern und sich über viele Länder erstrecken. Im Internet kann auf diese sowohl ein Forum für sachliche Debatten entstehen wie auch ein Nährboden für wilde Verschwörungstheorien und Phantastereien aller Art. Auf diesem unsicheren Informations- und Meinungsboden schlug nun die Katastrophe von Fukushima ein; und dort wird die zukünftige Debatte über die friedliche Nutzung der Atomenergie geführt werden. Damit ist auch klar, dass in Zukunft die Debatte über Atomenergie nicht mehr national, sondern international geführt wird. Das ist einer der neuen Faktoren, auf den wir später noch im Einzelnen eingehen werden. An der Dynamik des Internets wird jeder Versuch scheitern, die Atomkraftdebatte auf einen nationalen Rahmen zu beschränken. Im Vergleich zu den nationalen Entscheidungsprozessen der letzten fünfzig Jahren ist dies allein bereits eine Revolution.

Inhalt, Ideen, Analysen, Vorhersagen usw. über die Atomenergie werden in Zukunft international ausgetauscht werden. Diese Entwicklung wird auch nicht vor denen Halt machen, die der Diskussion nur ein gedämpftes Interesse entgegenbringen. Wenn die bisherigen Protagonisten der Atomkraftdebatten versuchen sollten, den Entscheidungsprozess ausschließlich als nationale Angelegenheit zu behandeln, werden sie umgehend die Kontrolle über und jeglichen Einfluss auf die Debatte verlieren; denn unabhängig davon, ob sie Befürworter oder Gegner sind, man wird ihnen als „Provinzler“, die nicht über ihren Tellerrand hinausschauen können, absprechen, sich gewinnbringend an der Debatte beteiligen zu können. Zu dieser internationalen Debatte werden neue Teilnehmer stoßen, nämlich aus Ländern, in denen mit dem Ausbau der Kernkraft erst begonnen werden soll (Asien, Latein-Amerika und die Länder der arabischen Welt). Das ist auch das Ende der Atomkraft als „domaine réservé“ einer Diskussion innerhalb der westlichen Staaten.

Mit dieser « Globalisierung » der Debatte wird auch unweigerlich das Risiko wachsen, dass die Debatte um die Zukunft der Atomindustrie in Irrationalität umschlägt. Denn ihre innere Logik wird dann nicht vom Glauben an Technik und Wissenschaft bestimmt sein, wie dies in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg der Fall war, sondern von den Ängsten und Sorgen unsere Epoche, die sich im Internet so wunderbar vermehren und verstärken können. Die vielen neuen Teilnehmer und die exponentiell ansteigende Zahl der Beiträge werden natürlich zuerst das Irrationale, die Gerüchte und die Verschwörungstheorien befördern. Damit wird es zwingend notwendig sein, der Debatte einen Rahmen zu geben, in dem der sachliche Austausch von Argumenten möglich ist. Sonst besteht die Gefahr, dass Entscheidungen von höchster Bedeutung auf einer irrationalen Grundlage getroffen werden.

Die Glaubwürdigkeit eines solchen Diskussionsrahmens in einem internationalen Kontext und mit Hilfe des Internet wird erfordern, schnell Methoden und Hilfsmittel der Antizipation und der Prospektive zu erarbeiten, die von der Mehrheit der Teilnehmer und auch der öffentlichen Meinung als fair und objektiv anerkannt werden. In den letzten Monaten hat man feststellen können, wie Medien, aber auch staatliche Stellen und Energieunternehmen, verzweifelt auf der Suche nach Experten waren, die der Öffentlichkeit als unabhängig präsentiert werden konnten. In Frankreich war es gerade zu lustig mit anzusehen, wie die CRIIRAD, die von der Atomlobby bisher als gefährlicher Gegner eingestuft war, plötzlich von denen zitiert wurde, die bis dahin diese Institution öffentlich nur geschmäht hatten. Denn in den Augen der Öffentlichkeit hatten die Atomkraftbefürworter jegliche Glaubwürdigkeit verloren; sie mussten sie sich von anderer Stelle „ausleihen“. Und die unabhängige CRIIRAD konnte ihnen diese Glaubwürdigkeit geben. Das selbe Misstrauen schlägt in den USA der Nuclear Regulatory Commission entgegen (13). In Japan beklagen die Menschen, dass sie ausschließlich auf Informationen von TEPCO und der Regierung angewiesen seien, weil alternative Informationsquellen fehlten. Sie seien also gezwungen, verlässlichere Informationen im Ausland aufzuspüren (14). An dieser Situation wird sich auch in absehbarer Zeit nichts ändern; das wird in der zukünftigen Debatte die Regel sein: Misstrauen gegenüber den bisherigen meinungsführenden Stellen, Globalisierung der Informationsquellen.

Aber auch die Meinung der Atomkraftgegner, die sehr häufig als radikal und ideologisch empfunden wird, wird von der Öffentlichkeit nicht einfach kritiklos übernommen werden. Auch aus diesem Lager werden sich nur die als neue Meinungsführer durchsetzen, die sich eine Reputation geistiger Unabhängigkeit und der Fähigkeit zur Objektivität erarbeiten. Große Teile der öffentlichen Meinung sind sich sehr wohl bewusst, dass es die Atomindustrie eben gibt, egal wie die Einstellung dazu sein mag, und dass die Probleme, für die zur Zeit noch keine Lösungen vorhanden sind, wie der Rückbau der Reaktoren, die Endlagerung der Abfälle usw. eine rasche Lösung unmöglich machen; genauso wie auch zur Zeit keine ausreichenden Alternativen zur Verfügung stehen, um die Deckung des kurz- und mittelfristigen Bedarfs an Energie oder die Umsetzung der Ziele der Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen zu gewährleisten. Wenn sowohl im Lager der Befürworter wie auch der Gegner in Zukunft neue, unabhängige Stellen und Personen die Meinungsführerschaft übernehmen werden, wird dies ermöglichen, die Debatte auf sachliche Grundlagen zu stellen. Nur so ist es denkbar, zu nachhaltigen gesellschaftlichen Lösungen zu kommen.

Diese neuen, unabhängigen (15) Debattenteilnehmer werden auch eine neue Methodik in die Atomenergiedebatte einbringen. Einiges davon wird tatsächlich neu im Sinne von neuen technischen Ansätzen sein; anderes wird nur neu in dem Sinne sein, dass es bisher von der Atomindustrie, die in den letzten Jahren nur das Ziel verfolgte, sich aus der staatlichen Kontrolle zu befreien und möglichst hohe Profite zu erwirtschaften, zum Tabu erklärt worden war und neu daran nur ist, dass nun darüber geredet wird.

2. Und das beschreibt einen weiteren der wesentlichen Aspekte der gegenwärtig sich vollziehenden Revolution: Die Meinungshoheit in der Atomdebatte gehört nicht mehr den althergebrachten Debattenteilnehmern.

Heute haben sich die öffentlichen Meinungen des Themas angenommen; und sie werden es nicht mehr zulassen, von den Lobbies der Gegner oder Befürworter hinausgedrängt zu werden. Bisher begnügte sich die große Masse der Bürgerinnen und Bürger mit der Rolle des Schiedsrichters in der Atomdebatte, wobei sie je nach Lage und Diskussionsstand in dem einen oder dem anderen Land eher das eine oder das andere Lager unterstützte. In der Top-down-Demokratie, die in unseren Ländern die Regel ist, ist das das ganz übliche Verfahren: Die Meinungsführer geben die Diskussion und vor allen Dingen die Lösungen vor, und die Menschen haben diese zur Kenntnis zu nehmen. Damit ist nun in der Atomdebatte Schluss. Mit Fukushima beginnt eine Phase, in der die Weltöffentlichkeit beginnen wird, selber die Fragen vorzugeben. Zuerst werden sich die entscheidenden Fragen im Internet und anderen Formen der Basisdemokratie herauskristallisieren. Wenn dieser Prozess abgeschlossen sein wird - und das wird nicht lange dauern-, werden die Menschen diese Fragen den Regierungen und Eliten ihrer jeweiligen Länder vorlegen.

Die Fragen, die gestellt werden müssen, sind recht simpel: Welches Sicherheitsniveau ist gewährleistet? (16) Kann man privaten Unternehmen die Sicherheit von Atomreaktoren anvertrauen? (17) Kann man Atomkraftwerke in dünn besiedelte Landstriche verlagern? Wie kann die Endlagerung der Abfälle gelingen? Wann und wie könnte man auf Atomenergie verzichten? Welche neuen Energiequellen könnten die Atomkraft ablösen? Welche Investitionen sind notwendig, um diese Ablösung zu erreichen? ... Die Antworten werden komplex sein, was umso mehr ein Grund dafür ist, die Debatte in klaren Strukturen und auf sachlichen Grundlagen zu führen. Von nun an wird Atompolitik nicht mehr von den Lobbies gemacht, sondern von den öffentlichen Meinungen (18).

3. Die Lager der Befürworter und Gegner sind nicht mehr fest gefügte Blöcke.



Dieser weitere neue Trend sollte das Entstehen solcher neuen Strukturen erleichtern: Die Privatisierungen der Jahre 1990 bis 2010 hat Keile in das Lager der Befürworter getrieben. Und die Klimaerwärmung, der Kampf gegen Treibhausgase und die Hoffnung auf Regierungsbeteiligung hat die Gegner gespalten. Dieses Bröckeln der traditionell verfeindeten Blöcke ist für die zukünftige Debatte ein positiver Faktor. Denn es ermöglicht den Teilnehmer, über den Tellerrand ihrer bisherigen Positionen hinauszublicken, sich für andere Analysen zu öffnen und auch andere Sichtweisen zu berücksichtigen. Eine Debatte, die bisher überwiegend von Glaubenssätzen und Emotionen geprägt war, kann sich somit zu einer sachlichen entwickeln. Nur so wird es möglich sein, eine demokratisch legitimierte Entscheidung über die Zukunft der Atomenergie zu fällen; und nur eine solche wird von Dauer sein.

Die Katastrophe von Fukushima verändert auch grundlegend den Blick der Gesellschaft auf 4, die Atomkraft an sich; 5, das Maß an erforderlicher staatlicher Regelung und Aufsicht; und 6, die notwendigen Sicherheitsanforderungen

zu 4.:

Eines scheint uns heute jedoch schon sicher zu sein, auch wenn es den Unternehmen der Atomindustrie und ihren Bankern und Investoren nicht gefallen dürfte: Die Gesellschaft hat eine wesentlich höhere Sensibilität für das atomare Restrisiko entwickelt. Die Bilder der Bewohner Tokios in ihrer Angst vor radioaktiver Verstrahlung haben sich in den Köpfen der Menschen festgesetzt. Fukushima hat ihnen klargemacht, dass ein Restrisiko nicht nur eine statistische Größe ist, sondern zu ganz konkreten, schrecklichen persönlichen Folgen führen kann. Denn die gefühlte Gefährdungslage ergibt sich immer aus einer Kombination der objektiven Möglichkeit für einen Schadenseintritt mit der subjektiven Einschätzung über die Schwere der zu erwartenden Folgen. Alle, die in einem Umkreis von 200 km eines Atomkraftwerks leben, sahen in den Bilder aus Tokio eine auch für sie mögliche Zukunft. (19) Diese neue Perspektive wird sich in Umfragen und Wahlergebnissen sehr schnell bemerkbar machen und auch Politiker zu einer neuen Sicht auf die Kernkraft zwingen.

Der Glaube an die Atomkraft als eine Energiequelle, die die Menschheit noch viele Jahrhunderte begleiten wird, ist erschüttert. Wenn auch ein sofortiger Ausstieg unmöglich ist, so ist genauso klar, dass der Atomenergie keine glänzende Zukunft mehr beschieden ist. Atomkraft ist ein Auslaufmodell unter den Energiequellen. Da Fukushima gezeigt hat, dass die Kernspaltung auch zu friedlichen Zwecken enorme Zerstörungsrisiken birgt, lautet heute die entscheidende Frage, die die Menschen stellen: Wann können wir ohne Atomenergie auskommen?

Die Politiker haben keine Wahl. Sie müssen in den nächsten Jahren mit ihren Entscheidungen auf diese Frage Antworten geben. Schließlich ist diese Frage nicht Ausdruck irrationaler Ängste, sondern Ausdruck der Erkenntnis, dass die friedliche Nutzung der Kernenergie auch im Jahr 2011 auf einer Technik beruht, die in den fünfziger Jahren entwickelt wurde. Das wäre ja heute so, als ob man seinen Computer immer noch mit MS-DOS (20) betreiben würde. Sicherlich gab es Veränderungen und Fortschritte, an der Grundtechnik hat sich seit 1950 jedoch nichts verändert.

Alternative Möglichkeiten sind zahlreich, ob bei der Atomkraft selbst (China (21) z.B. plant wohl weiterhin den Bau von Thorium-Reaktoren, und der Fusionsreaktor ITER scheint allmählich den Grad der Einsatzreife zu erreichen), bei der Energieersparnis (sicherlich kurz- und mittelfristige die beste Art, geringeres Energieangebot und Energienachfrage in Deckung zu bringen) oder den erneuerbaren Energien mit dem energischen Ausbau von Wind- und Solarenergie. Und wenn die Schwellenländer China, Indien und Brasilien auch technisch und wissenschaftlich zu den westlichen Staaten aufgeschlossen haben werden, wird dies sicherlich neue Entwicklungen befördern (22) . Als Beispiel für solche möglichen neuen Entwicklungen sei das indisch-amerikanische Projekt Kalam-NSS angeführt, mit dem Sonnenenergie unmittelbar von Satelliten eingefangen werden soll, oder auch die Idee, Nuklearabfälle in den entfernten Weltraum zu befördern (23).

zu 5.: Ein Ergebnis dieser gegenwärtig stattfindenden Revolution wird die Errichtung einer internationalen Regulierungs- und Aufsichtsbehörde für Atomkraft sein. Daran fehlt es heute noch (24). Ihre Zuständigkeit wird sowohl die Kontrolle des Zugangs zur friedlichen Nutzung der Kernenergie (25) umfassen wie auch die Festlegung von und die Aufsicht über einzuhaltende Sicherheitsstandards.

zu 6.: Fukushima hat gezeigt, welch wissenschaftlicher, technischer, finanzieller und gesetzgeberischer Aufwand nötig ist, um die Sicherheit von Atomkraftwerken zu garantieren. Die Staaten, die neue Atomkraftwerke bauen wollen, werden sich strengen Auflagen unterwerfen müssen (26); dies wird umso mehr gelten, wenn sie sie in dicht besiedelte Landstriche bauen wollen. Schon ihre Nachbarn werden dafür sorgen, dass sie einem entsprechenden Druck ausgesetzt sein werden, sich an die internationalen Vorgaben zu halten. Und die Konstrukteure von Atomkraftwerken werden zuverlässigere, sicherere und damit auch teurere Reaktoren anbieten müssen. Wenn die Atomindustrie weiter existieren möchte, wird sie sich diesen Zwängen unterwerfen müssen. Denn sollte es in den nächsten Jahren zu einem weiteren schwerwiegenden Nuklearunfall kommen, würde dies für die gesamte Industrie den Todesstoß bedeuten (27).

Wir sollten immer in Erinnerung behalten, dass die gegenwärtig betriebenen Reaktoren so gebaut sind, dass bei einem ordnungsgemäßen Betrieb ein Restrisiko von 1/10000 besteht. Weltweit lag das Risiko eines Super-Gaus 1965, als fünf Reaktoren in Betrieb waren, bei 5/10000, also 0,0005%. Bei heute über 500 Reaktoren liegt das Risiko nunmehr bei 500/10000, also 5%. Dabei ist noch nicht einmal die Risikoerhöhung, die sich aus der Alterung des Bestands ergibt, berücksichtigt. Wenn die verantwortlichen Politiker nicht verstehen, dass daher die Sicherheitsstandards massiv erhöht werden müssen, um das Restrisiko zumindest auf das Niveau von 1965 von 5/10000 zu senken, werden die Wähler in den jeweiligen Ländern sicherlich Wege finden, ihnen Nachfolger zu finden, die versierter in der Berechnung und Interpretation von Statistiken sind.

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Noten:

(1) Zwischen 1965 und 2011 wuchs die Zahl der Atomkraftwerke in der Welt von 5 auf 443 in 31 Ländern. Heute stehen fünf vor der Abschaltung und 64 werden gebaut. Zur Zeit stehen 90% der Atomkraftwerke in West-Europa, den USA und Japan. Quelle: IAEA, 11/05/2011

(2) Begrenzte Vorräte mit sehr ungleicher regionaler Verteilung.

(3) Die internationale Atomlobbyorganisation World Nuclear Association bietet einen detailreichen Überblick über das Atomenergieprogramm der einzelnen Länder mit besonderer Berücksichtigung Frankreichs und Japans. Quellen: WNA, WNA, 2011

(4) Tschernobyl war sicherlich ein Ereignis, das sehr stark dazu beitrug, das Bewusstsein der öffentlichen Meinungen von den Gefahren der Atomkraft zu schärfen. Zum ersten Mal begannen große Teile der Bevölkerung, den offiziellen Diskurs über die Kontrollierbarkeit der Risiken der Atomkraft zu hinterfragen. Aber da der Unfall in der – wenn auch nicht geografisch, aber ideologisch- so weit entfernten Sowjetunion eingetreten war, beruhigten sich die Meisten mit der Hoffnung, es handele sich dabei um etwas, was einem selbst und hier nicht passieren könne, sondern nur denen und dort, wo die Menschen nicht so reich und fleißig und die Technik nicht so ausgereift sei.

(5) Durch diesen Unfall wurde zum ersten Mal im Westen die Atomkraft überhaupt allgemein als Gefahr wahrgenommen. Aber das wahre Ausmaß der Katastrophe und insbesondere die Tatsache, wie knapp die Verstrahlung einer ganzen Region vermieden werden konnte, blieb den meisten Menschen unbekannt. Daher akzeptierte die öffentliche Meinung auch nach Three Miles Island den weiteren Ausbau der Atomenergie.

(6) Insbesondere in Frankreich war die Freude über diese neue Entwicklung groß. Denn Frankreich ist eines der führenden Länder bei der friedlichen Nutzung der Atomenergie und rechnete sich aus, beim Ausbau der Kernkraft viel Geld verdienen zu können.

(7) Der japanische Strommarkt (einschließlich seiner Erzeugung in Atomkraftwerken), dessen Fundament 1951, noch unter amerikanischer Besatzung, gelegt wurde, ist eine weitgehend exakte Kopie des US-Modells, also mit privaten Stromerzeugern unter staatlicher Aufsicht. Quelle: Sharon Beder, 2006

(8) Damals schien dieses Ausscheren einiger ehemaliger Befürworter ohne Belang zu sein; „die Schlacht war geschlagen und das waren nur schlechte Verlierer“. Aber man wird bald erkennen, dass die Spaltung, die die Privatisierung in das Lager der Atomkraftbefürworter getragen hat, dieses Lager in den kommenden Jahren deutlich schwächen und den Atomkraftgegner damit deutlich mehr Einfluss ermöglichen wird. Die Tragödie von Fukushima zeigt heute, wie berechtigt die Bedenken hinlänglich der Vereinbarkeit von Sicherheit und Profit waren. Hierzu ist auch der Artikel von CNBC vom 01/04/2011 sehr lesenswert, da er das Problem veranschaulicht: « General Electric (der Erbauer des Schutzmantels des Reaktors Nummer 1 in Fukushima) wird aller Voraussicht nach für die durch den japanischen Atomunfall verursachten Schäden nicht aufkommen müssen. »

(9) Das ist gerade einmal ein paar Monate her. Damals wollte Nicolas Sarkozy, allgemein bekannt für seine Fähigkeit zur politischen Vision, seinem guten Freund Gaddafi unbedingt eine Atomanlage verkaufen. Wieder einmal sieht man, dass Geschichte sehr wohl Sprünge vollziehen kann, die brutal und radikal sind und den von uns gerne zitierten Sinn der Geschichte für Ironie unter Beweis stellen.

(10) Die Parallele zwischen diesen beiden Wirtschaftsbereichen ist nicht zufällig. Sie sind beide von der selben Ideologie, dem selben kurzfristigen Profitstreben getragen, in ihnen tummeln sich die selben Investoren und Politiker.

(11) Wir werden auf diesen Punkt noch zurückkommen; denn die umfassende weltweite Krise findet ihre Ursache ja gerade in dem Niedergang der USA und der Länder, die strukturell eng mit ihnen verbunden sind und zu denen gerade in erster Linie auch Japan zählt.

(12) Hierzu ist die Lektüre des NuclearEnergyInsider vom 14/04/2011 empfehlenswert, der detailreich eine Übersicht über alle geplanten oder in Bau befindlichen Atomkraftwerke weltweit bietet.

(13) Quelle: New York Times, 07/05/2011

(14) Die Forderung nach unabhängigen Stellen im Bereich der Atomenergie ist übrigens Thema eines in der Ausgabe von Asahi Shimbun vom 26/03/2011 veröffentlichten Gastbeitrags des Gouverneurs der Präfektur von Niigata Hirohiko Izumida.

(15) Ohne diese unabhängigen Meinungsführer wird es nicht gelingen, die Atomdebatte zu einer nachhaltigen Schlussfolgerung zu führen. Damit wird es unmöglich sein, eine von den Menschen akzeptierte nachhaltige Atompolitik zu vereinbaren.

(16) Die sogenannten Stresstests, bekannt schon aus der Bankenbranche, die die EU-Kommission und andere staatlichen Stellen durchführen lassen wollen, werden zur Beantwortung dieser Frage nicht ausreichen. Denn niemand wird den Ergebnissen von Tests glauben schenken, die von staatlichen Stellen konzipiert und durchgeführt werden, die als feste Bestandteile des Lagers der Atomkraftbefürworter wahrgenommen werden. Die Politiker werden sich sehr schnell darüber im Klaren werden. Es ist geradezu unfassbar zu sehen, dass in Europa zwei Mitgliedstaaten, deren Regierungen den Terrorismus zum Hauptgeißel unsere Zeit erklärt haben, nämlich Frankreich und Großbritannien, sich beharrlich weigern, terroristische Anschläge als mögliche Risikofaktoren in die Konzeption der Stresstest einfließen zu lassen. Vielleicht glauben sie ja, mit dem Angriff auf Libyen dem Terrorismus den Todesstoß versetzt zu haben. Quellen: EUObserver, 13/05/2011 ; Le Figaro, 12/05/2011

(17) Nach unserer Auffassung besteht nur eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass in Europa, Asien und Latein-Amerika die Atomindustrie vermeiden können wird, verstaatlicht zu werden. Spätestens 2015 wird es soweit sein. Das Scheitern des japanischen Modells (dereguliert und privat) ist auch das Scheitern des amerikanischen Modells, das in den letzten zwei Jahrzehnten weltweit durchgesetzt werden sollte und weitgehend durchgesetzt wurde. Japan plant inzwischen, die Atomindustrie wieder in staatliche Hand zu überführen. Spätestens in zwei Jahren, wenn die die letzten „Westentaschen-Bushs“ wie Nicolas Sarkozy, der trotz dieses offensichtlichen Scheiterns die französische Atomindustrie weiterhin vollständig und schnell in private Hand übergehen lassen möchte, von der Bildfläche verschwunden sein werden, wird sich dieser Trend zur (Re)-Nationalisierung durchsetzen. Die EU (oder wohl eher Euroland) sollte sich besser schon heute daran machen, ein Konzept für ein „öffentliches europäisches Netz der Atomkraftwerke“ zu entwickeln, in dem Atomkraftwerke in öffentlicher Hand unter europäische Regelung betrieben werden. Eine Organisation wie bei Airbus könnte eine gute Ausgangsbasis für solche Überlegungen sein. Quelle: Marianne, 31/03/2011

(18) Diese Antizipation ist alles andere als blauäugig. Sie impliziert ja nicht, dass die Lobbies mit einem Mal ihre Aktivitäten beenden würden. Sie sagt ja lediglich voraus, dass die Bürgerinnen und Bürger und ihre Organisationen in Zukunft nicht mehr den Lobbyisten blind vertrauen werden, sondern deren Aktivitäten überwachen und Positionen hinterfragen.

(19) Zum ersten Mal in der erst sehr kurzen Geschichte des Atomkraft wurde eine der wichtigsten Metropolen der Welt in Mitleidenschaft gezogen und nicht irgendein Kaff, das kaum jemand auf der Landkarte auszumachen vermochte wie bei den vorhergehenden Katastrophen. Mit den Einwohnern Tokios konnten sich Milliarden von Städtern identifizieren. Quelle: Asahi Shimbun, 10/04/2011

(20) MS-DOS ist das von Microsoft zu Beginn der 1980er Jahre entwickelte Betriebssystem. Wikipedia

(21) Quelle: The Age, 23/04/2011

(22) Im westlichen Club der Nutzer der Atomkraft bewegt sich nichts mehr; keine neuen Teilnehmer, keine neuen Ideen. Die Debatte dreht sich im Kreis und die traditionellen Methoden sind zumeist ungenügend. Quelle: USAToday, 12/04/2011

(23) Quelle: Space Review, 22/08/2005

(24) Quelle: Le Monde, 01/04/2011

(25) Diese Entwicklung könnte auch parallel zu den Vorhersagen von Franck Biancheri zur Zukunft des Atomwaffensperrvertrags verlaufen. Hierzu vertritt er die Auffassung, dass in einer Reform dieses Vertrags friedliche und militärische Nutzung der Atomenergie als Einheit betrachtet werden und sich das Konzept vom Ziel der Nichtverbreitung zu einer kontrollierten Verbreitung wandeln sollte. Quelle: Die Welt nach der Krise – Auf dem Weg in die Welt von Morgen, Editions Anticipolis.

(26) Und die Klimaerwärmung zählt zu den Entwicklungen, die zu berücksichtigen sein werden. Wenn auch seit Fukushima der Bau von Reaktoren an der Küste weniger geeignet erscheint, so leidet Frankreich zum Beispiel an zunehmender Trockenheit, was auch den Bau von Reaktoren an Flüssen problematisch gestaltet. Wenn man bedenkt, dass von den 32 in Asien in Bau befindlichen Reaktoren trotz des häufigen Auftretens von Tsunamis die überwiegende Zahl am Meer gebaut wird, lässt sich erkennen, dass Asien (und die Welt) sich ein Risiko von 32 neuen Fukushima-Katastrophen bereitet. Quelle: 20Minutes, 13/05/2011 ; Korea Herald, 19/04/2011

(27) Und damit dem Beispiel von Japan folgend, das jegliche Planung für weitere Atomkraftwerke eingestellt hat. Quelle: New York Times, 10/05/2011. Die Atomaufbereitungsanlage in Sellafield wird durch die Schließung des Atomreaktors in Hamaoka vor massive Abnahmeprobleme gestellt. Quelle: PressTV, 10/05/2011

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