Wardrobe Aesthetics #3: Sharing Economy
Kauf dich glücklich – Wie dem Konsum entfliehen?
»Kauf dich glücklich« – man kennt ihn, den lautmalerischen Namen hinter dem ebenso malerischen Kleiderladen, der seinen Namen wiederum dem herrlich duftenden Berliner Waffelladen »Glücklich am Park« verdankte. Mit einigem Augenzwinkern in Richtung Konsumtempel lädt man diese Woche in Hamburg unter folgendem Motto zur neuen Kleidertauschsaison: »Tausch dich glücklich!« Klingt schön – vielleicht sogar noch etwas schöner als das Original hinter dem Zitat? Die Organisatorinnen hinter der Veranstaltung treffen damit jedenfalls einen Nagel auf den Kopf, der viele momentan ganz schön zu piksen scheint: Können wir eigentlich dem Teufelskreis aus Wunschmacherei und Konsum entfliehen? Da derlei Fragen rund um Konsumkritik momentan durch die »faire« Blog–Sphäre geistern, und es uns diesbezüglich schon länger in den Fingern juckte, geht’s heute erneut an eine Beschau der persönlichen, vielleicht aber auch allgemeinen kontemporären Kleiderschrank Ästhetik. In dieser beschäftigen wir uns lose mit Dingen zwischen Textilwissen und Nachhaltigkeitsstrategien bei uns EndverbraucherInnen. Heute geht’s um Letzteres – mit der Frage, wie sich Kleiderschrank und Konsumflucht zusammendenken lassen könnten…
Irgendwo zwischen fairem Konsum und Konsum aus vorhandenen Ressourcen (Kleid – Jan n June | Schuhe – Second Hand via Kleiderkreisel | Schal – Ertauscht via Tauschrausch)
Die Postwachstumsökonomie
Das Rad aus künstlich hergestellten Bedürfnissen und deren Befriedigung durch Konsum scheint sich vor allem in der Mode mit einer stetig wachsenden Zahl an Zwischensaisons schneller denn je zu drehen. Gleichzeitig dämmert es jedoch den meisten von uns, dass es so – angesichts des voranschreitenden Verbrauchs endlicher Ressourcen – nicht weiter gehen kann. Noch gilt Wirtschaftswachstum »[…] als Allheilmittel gegen Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung und andere Risiken im modernen Kapitalismus. Doch auf einem begrenzten Planeten kann es kein unbegrenztes Wachstum geben.« (1) An dieser Stelle kommt das Stichwort Postwachstum, bzw. Postwachstumsökonomie ins Spiel. Sie soll eine Antwort auf jene Wirtschaft sein, deren aggressiver Wachstumsimperativ als »sozial, ökologisch, ökonomisch oder politisch schädlich wahrgenommen wird.« (2) Wie aber können Wirtschaft und Wachstumsstopp jenseits von Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung und anderen Risiken zusammen gedacht werden? Liegt die Antwort im »Weniger ist Mehr,« wie der aktuelle Atlas der Globalisierung zum Thema es erahnen lässt?
Weniger ist mehr: Konsumverzicht oder Redefinition?
Diese Debatte wird an den Universitäten schon länger kontrovers geführt. Klammheimlich hat sie sich in letzter Zeit aber auch in den Modealltag geschlichen. Und zwar aktuell ganz speziell in die Köpfe all der tollen SchreiberInnen aus unserem Fair Fashion Squad und dem Kleidermädchen–Kosmos rund um den hiesigen Fashion Revolution Monat, mit denen wir seit einiger Zeit gemeinsam versuchen zu zeigen, wie schön und alltagstauglich fair und ökologisch verträglich produzierte Mode sein kann. Anstoß für die eigene Konsumkritik? Waren die inspirierenden Diskussionen rund um’s erste Green Blogger Meetup die u.a. die Frage aufriefen: Konsum und Nachhaltigkeit, geht das eigentlich zusammen? »Natürlich ist grüner Konsum besser als konventioneller – aber auch die meisten grünen Blogbeiträge bleiben brav im gleichen Schema und dieses Schema heißt: Ich kaufe, auch wenn ich nichts brauche.« (3) Das persönliche Fazit von Kea fällt eher radikal aus und reiht sich – um beim Modethema zu bleiben – ein in allerlei inspirierende Alltagsprojekte wie dem im Internet öffentlich gestellten Vorhaben »Ich kauf nix« von Nunu Kaller, oder Hindi Kiflais Projekt Daily Rewind, auf dem die Frankfurterin 365 Tage lang Kleider aus zweiter Hand zeigte. Neben der Strategie des Boykotts, bzw. totalen Verzichts gibt es aber eben auch Antworten auf die Postwachstumsfrage, die irgendwo auf einem goldenen Mittelweg zwischen Boykott und braver Eingliederung in den Konsumtrubel liegen. Deren Stärke liegt, so meine ich zumindest, in ihrer Möglichkeit das Wort »Konsum« neu zu definieren…
Konsum auf Zeit: In der Kleiderei wird gegen einen monatlichen Mitgliedsbeitrag Kleidung auf Zeit entliehen – und anschließend wieder zurück in die Bibliothek gegeben. (Kleid – Jan n June | Weste – Kleiderei)
Die andere Ökonomie: Stil hast du, Kleider leihst du!
»Die andere Ökonomie« (5) nennt sie Reiner Metzger im Atlas der Globalisierung. Die Rede ist von der Sharing Economy, die wir hier hin und wieder schon einmal angesprochen haben und die a) dem Eigentum den Kampf ansagen möchte. Und das b) unter der positiven Aussicht bereits vorhandene Ressourcen besser – denn gemeinsam! – nutzbar zu machen. Zumindest im Rahmen des alltäglichen Kleideralltags können wir sagen sagen: Es gibt sie, die Anders–DenkerInnen. Und sie machen ihre Sache schon ganz schön gut! Unter dem Motto »Stil hast du, Kleider leihst du« z.B. steht dir dank der Kleiderei gleich eine ganze Bibliothek an Kleidern zur Verfügung. Ein »Weniger,« bzw. der Verzicht bezieht sich hier plötzlich nur mehr auf den eigenen Besitz, während das gemeinsame und ressourcenschonende Teilen in Form von Leihen auf Zeit geradezu unendlich viele neue Möglichkeiten eröffnet. Hier haben wir’s doch schon, das »Weniger ist mehr« – in Form von ästhetischem Konsum ohne Grenzen, aber eben im materiellen Rahmen.
… oder eben: Tausch dich Glücklich!
In fast derselben gedanklichen Linie wie die einer Leih–Bibliothek steht auch das Konzept des Kleidertausches. Hier geht es zwar nicht, wie bei der Sharing Economy im engeren Sinne, explizit um Leihen auf Zeit. Aber dennoch verwischt die Möglichkeit des unendlichen Ertauschens und Weitergebens die Kategorie »Besitz« – ganz nach dem Greenpeace Motto »Wollen wir wirklich nur Verbraucher sein? Seien wir doch lieber Nutzer!« (5) Reiner Metzger steht der Ökonomie des Teilens eher kritisch entgegen, was ihren Anteil an einem Umbruch im Wachstumsdenken betrifft. Immer noch im ökonomischen Denken verhaftet, fördere diese letzten Endes unweigerlich den selben Konsum wie zuvor. Ich widerspreche und meine: Die schöne Antwort liegt, beim Leihen wie beim Tauschen, in eben diesem Sprung von Verbraucher zu Nutzer. Denn nutzen wir die Bluse für ein paar Wochen um diese dann an die nächste Besitzerin abzugeben, so haben wir dabei letztlich keine Ressourcen verbraucht. Unter dem Motto »Tausch dich glücklich!« klingt Konsum doch plötzlich sehr viel weniger destruktiv, oder nicht?
Eine Ästhetik des Nicht–Besitzens?
Um den Kleiderspaß hier nicht zu vergessen: Neulich erst stolperte ich über die Frage ob es eine »Ästhetik des Besitzens« (6) gäbe (hier geht’s zum herrlichen Diskussions–Bericht auf aethic) Eine Antwort habe ich natürlich nicht parat, nur den schönen Gedanken, dass das Experimentieren mit der »anderen Ökonomie« und dem Versuch Nutzerin statt Verbraucherin von Kleidern zu sein garderobentechnisch so einiges bei mir auf den Kopf gestellt hat. Würde man mich entsprechend nach einer Ästhetik des Nicht–Besitzens fragen? So würde mir spontan einfallen: Dass das Leihen auf Zeit die schönste Absage an das Verstauben im Kleiderschrank ist – jeder Moment mit dem Kleiderstück wird genutzt! Auch nicht zu unterschätzen: Der Mut Neues auszuprobieren. Wäre mir Rosa vor einiger Zeit nicht in die Tüte, bzw. den Schrank gekommen, dachte ich beim letzten Kleidertausch nicht lang nach… seither begleitet mich der Schal auf Schritt und Tritt. Habt ihr schon Alternativen zum herkömmlichen Kleiderkauf ausprobiert? Was sind eure Erfahrungen, was den Wandel des eigenen Kleiderschranks dabei angeht?
(1) Le Monde Diplomatique – »Atlas der Globalisierung – Weniger wird mehr«
(2) Wikipedia – Definition »Postwachstum«
(3) Kea von Garnier – »Das erste Green Blogger Meetup und seine Folgen«
(4) Reiner Metzger – »Teilen, die andere Ökonomie«
(5) Greenpeace – »Es reicht!«
(6) aethic.de – Ästhetik des Besitzens
P.S.: HamburgerInnen aufgepasst! Parallel zum neuen Uni Semester startet die Drinnen–Flohmärkte und Kleidertauschsaison gerade auf’s Neue.
So, 30. Oktober: Schon dieses Wochenende wartet der erste Kleidertausch organisiert von den Grünen Hamburg unter dem Motto »Tausch dich Glücklich« im Haus 73. Interessiert?
Hier geht’s zur Veranstaltung!
So, 13. November: Im November startet der Hamburger Kleidertauschveteran Rauschrock endlich wieder – allerdings unter neuem Namen. Der »Tauschrock« Kleidertausch lädt, juchhe, ins Gängeviertel! <3
Hier geht’s zur Veranstaltung!
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