Die Kinder sind jetzt groß. Die Uni hat mich wieder.
Der erste Tag, es war letzte Woche, hallt noch nach. Erwachsene! Sie sprechen Fachsprache und ich verstehe sie. Nach all den Jahren! (Zweieinhalb.)
Seitdem rast die Zeit: Aus dem Bett in den Kindergarten in den Bus in die Uni in die Bibliothek in den Bus in den Kindergarten, langsam langsam viel zu langsam VERDAMMTNOCHMALLAUFTDOCHENDLICH — ach ja, Geduld! — langsam nach Hause spazieren, Treppenhochbuckeln Gekreisch Geheul Abendbrotshunger kleine Kinder die Küche sieht saumäßig aus ab ins Bett, durchatmen. Abwaschen Wäschemachen Lesen Mutti ab ins Bett. Den nächsten Tag genauso.
Morgens spielt Benni immer mit den Büchern im Regal, denn draußen ist es noch so dunkel, daß dort das Licht angeschaltet ist und so sieht er seine Lieblinge: Fedins Flamme, Schallücks Paradies, welches neuerdings, ohne den türkisfarbenen Schutzumschlag langweilig geworden scheint, den großen Webster und eben den Luther.
Lea wagt sich nicht mehr ans Regal, seit sie das Grauen sah: Wera Panowas Mit 17 ist man jung. Ein Roman für alle (Verlag der Nation, Berlin 1962). (Klick! Unbedingt!) “Die Frau weint immer!” So ein Cover kann eine kleine Kinderseele schon erschüttern, aber ich verstehe sie. Mein Leben lang werde ich Schiß vor den Illustrationen unserer alten Hauff-Ausgabe haben, und den Alptraum vom Gestiefelten Kater — er kam hinter dem Ofen hervor und stand mannsgroß in der Tür — vergesse ich auch nie.
Ein Bild aus guten Zeiten: Die beiden stehen vor meiner sorgfältig chronologisch geordneten Nabokov-Sammlung, ziehen hier einen Band aus dem Regal und stellen dort einen ein, wo er gar nicht hingehört … nicht einmal damit kann ich die Kleine noch locken, olle Panowa, ey!
Benni hingegen war nachhaltig enttäuscht, als er trotz aller Bemühungen einsehen mußte, daß sein bunt bedrucktes Stullenbrettchen nicht ein weiteres aufklappbares Pappbuch ist, sondern eben — ein Stullenbrettchen.
Und damit bald noch mehr Stulle aufs Brettchen kommt und wieder mehr Luther ins Regal, hat mich die Uni wieder, das Studium will schließlich beendet werden. Wie ich den Spagat zwischen Kindern, Haushalt, Studium, nachts viel arbeiten und wenig malen und noch weniger schlafen schaffen soll, ist mir zwar noch nicht ganz klar, aber manchmal bin ich ganz Fernet Branca:
Man sagt, er habe magische Kräfte.