2013-09-10

Hamburg, 8. September 2013 Zu Besuch in der frommen Welt des Opus Dei Zum ersten Mal seit 20 Jahren lud der Kopf des geheimnisumwitterten Katholikenbunds Opus Dei zu einer Großveranstaltung in Deutschland. 1200 Gäste kamen – trotz des zweifelhaften Rufs der Organisation. Von Till-R. Stoldt Foto: Privat Javier Echevarria, Prälat des weltweiten Opus Dei, stellte sich den Fragen der Gläubigen. Auf seinem Kopf trägt er ein rosafarbenes Bischofs-Käppi, "Solideum" genannt All seinen Mut nimmt der achtjährige Junge zusammen – und rennt los. Mit hochgestrecktem Zeigefinger, wie in der Schule, läuft er die halbe Bühne in dem großen Festsaal entlang, bis er vor dem Bischof stoppt, genauer: auf Augenhöhe mit den bischöflichen Füßen. Denn die Bühne, auf der Bischof Javier Echevarria steht, ragt über einen Meter in die Höhe. "Ich möchte auch was fragen" ruft der Junge und reckt seinen Finger noch höher. Der Bischof beugt sich tief hinunter und hört zu. "Warum hat Gott den Teufel nicht einfach getötet?", will der Junge wissen. Echevarria, der Leiter des internationalen Katholikenbundes Opus Dei, lauscht dem übersetzenden Glaubensbruder, staunt kurz und lächelt. Dann antwortet er in etwa, das wisse er auch nicht, aber der Teufel sei frei gewesen und habe sich fürs Schlechte entschieden. Wir Menschen sollten mehr aus unserer Freiheit machen und das Gute wählen. Das sei "einfach, aber auch schwierig", kommentiert dies der theologisch versierte Achtjährige. Er scheint mit der Antwort zufrieden – genau wie die 1200 applaudierenden Zuschauer. Mythen zwischen Religion und Mafia 2 Um solche Antworten zu hören, pilgerten Mitglieder, Sympathisanten und Neugierige aus allen Teilen der Republik am letzten Augustwochenende in den Kölner Gürzenich – zur deutschlandweit ersten Großveranstaltung eines Opus-Dei-Leiters seit 20 Jahren. Was zog sie an? Gibt es nicht Dutzende Medienbeiträge, nach denen das Opus Dei (zu deutsch: "Werk Gottes") ein halb mafiöser, halb sektiererischer Geheimbund sei? Dennoch sind die 1200 Gäste begeistert – gutbürgerliche Herrschaften, Pastoren in schwarzer Amtskluft und weißem Stehkragen, freundliche Seniorenpaare mit rheinischem Zungenschlag, kinderreiche Familien, meist beschlippste Herren mit nachdenklichem Blick und dezent geschminkte Damen mit schicken Kostümen, unter ihnen etliche Spanier (die auch keine Kopfhörer für die Simultanübersetzung der spanisch gehaltenen Rede Echevarrias brauchen). Wer verstehen möchte, was sie anzieht, muss "Mut aufbringen" – und sich "gestatten, einmal alle üblichen Diskussionen über das Opus Dei zurückzustellen". So befand der einstige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und spätere Kardinal Karl Lehmann bereits vor einem Jahrzehnt. Der liberale und allseits anerkannte Theologe hatte einst zu den Kritikern des Opus Dei gehört. Als dessen Gründer Josemaria Escrivá de Balaguer 2002 jedoch heilig gesprochen wurde, vertiefte sich Lehmann erneut in des Spaniers Lehre und Werk, um anschließend eine Lanze dafür zu brechen – obwohl für ihn nach wie vor feststand, dass es beim Aufbau des Opus Dei tatsächlich zu "Problemen" und kritikwürdigem Verhalten gekommen sei ("Anfangsprobleme" werden inzwischen sogar von Vertretern des Werks eingeräumt). Die meisten Vorwürfe sind unbewiesen Ganz sicher mache man es sich laut Lehmann aber "zu einfach, wenn man versucht, das Opus Dei als eine Sekte oder gar so etwas wie eine Mafia abzustempeln". Es sei unfair, dessen Botschaft "mit Rückgriff auf Verdächtigungen abzuwürgen". Zumindest in einem Punkt muss ihm da sogar der bekannteste deutschsprachige Kritiker des Werkes, der Publizist Peter Hertel, zustimmen: Auch er bestreitet nicht, dass die meisten Vorwürfe gegen das Werk Gottes unbewiesen sind. Worin besteht also die "spirituelle Herausforderung" (Lehmann) des Werkes? Das verdeutlicht Echevarria an diesem Samstag im Gürzenich. Nach einem kurzen Vortrag fordert der 81-Jährige die Zuhörer auf, ihm Fragen zu stellen. Bald meldet sich der Jazzmusiker Marcus, der mit Frau und Kindern aus Erfurt angereist ist. Er erkundigt sich, wie man in einer gott- und kirchenfernen Umgebung etwas von der Schönheit des Christentums vermitteln könne. Der Bischof lauscht mit schief gelegtem Kopf, den ein rosafarbenes Bischofs-Käppi (das "Solideum") schmückt. Dann wippt er in seiner bodenlangen schwarzen Soutane über die Bühne und holt zur Antwort an den "Bruder" aus: "Liebe deine Arbeit sehr, liebe jeden einzelnen Ton deiner Musik, versuche Menschen eine Freude mit deiner Musik zu bereiten, weihe sie dadurch Gott!", rät er dem Jazzmusiker. Übrigens solle er sich nicht irritieren lassen, wenn manche Zeitgenossen seine Musikrichtung als "Bummbummbumm" abtäten. Viele andere wüssten sie zu schätzen.

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