08.06.2013. GameGenetics-Gründer Alexander Piutti gehörte zu den Unternehmern, die Wirtschaftsminister Rösler ins Silicon Valley begleiteten. Doch der Trip war kein High-Tech-Sightseeing, sondern eröffnet der Spielebranche ungeahnte Perspektiven, sagt Piutti.
Q: Anders als in der Presse teils dargestellt, ging es bei Ihrer Reise mit Wirtschaftsminister Rösler nicht um High-Tech-Sightseeing, sondern offenbar auch darum, direkt bei US-amerikanischen Investoren um Kapital zu werben. Sind deutsche Kapitalgeber immer noch zu risikoscheu, wenn es um die digitale Wirtschaft geht?
Alexander Piutti: Es gibt viele Möglichkeiten der Seed-Finanzierung, also der Frühphasen-Finanzierung, wie zum Beispiel durch den High-Tech Gründerfonds. Für die Anschlussfinanzierung wird die Luft dann aber dünner. Wir sprechen da von einer klassischen Wachstumsfinanzierung bei bereits größeren Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell vielleicht sogar auch schon international skalieren.
Das sind in der Regel Beträge zwischen fünf und 25 Mio. Euro. Im Moment ist es schwierig, solche Größenordnungen von klassischen Risikokapitalgebern oder auch von strategischen Investoren zu erhalten. Hier muss man sich aktuell darum bemühen, auch im Ausland wie in den USA Partner zu finden. Allerdings glaube ich auch, dass sich Deutschland dahingehend sehr stark entwickeln wird.
“Wir müssen nicht hoffen, dass uns die Chinesen die Rechnung bezahlen.”
Mit anderen Worten: Wir müssen jetzt nicht unbedingt nach China gehen und hoffen, dass uns dort jemand die Rechnung bezahlt, sondern es gibt gute Initiativen in Deutschland. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt reicht dies aber noch nicht aus; und das wurde sowohl von uns als Branche als auch von der HTGF und der Politik erkannt. Es gibt aber eine ganze Reihe von amerikanischen Investoren, die sehr bewusst Deutschland beobachten und prüfen, welche coole wachstumsorientierte Unternehmen es hier gibt und die auch bereit sind, zu investieren.
Nur, weil diese Risikokapitalgeber geographisch näher an amerikanischen Unternehmen sind, sollte man sich nicht abschrecken lassen und durchaus im Silicon Valley pitchen, auch wenn dies als die Höhle des Löwen angesehen wird. Ob man nun jemanden findet, der die Finanzierung übernimmt oder aber auch einfach ein sinnvoll nutzbares Feedback gibt, ist beides gleichermaßen wertvoll. Da ist man gut beraten, sich selbst Fragen zu stellen. Wie komme ich eigentlich an? Worauf achten Investoren? Was halten diese Kapitalgeber überhaupt für ein cooles Unternehmen und wo sehen sie das Potenzial? In diesem Feld muss man sich synchronisieren – ob man dann eine Finanzierung vor Ort macht oder auch mit anderen Leuten abschließt.
Q: Nun ist die deutsche Spieleindustrie jahrelang bestenfalls belächelt, aber eigentlich international überhaupt nicht zur Kenntnis genommen worden. Hat der Aufstieg von Free2Play-Publishern zu einer anderen Wahrnehmung geführt?
Alexander Piutti: Das kann ich ganz klar positiv beantworten, auch wenn man natürlich nie zu viel erwarten sollte. Die Wandlung ist auf jeden Fall da; und die Spieleindustrie aus Deutschland wird in den USA auf jeden Fall ernst genommen. Es gibt hier viele Unternehmen, die international tätig sind – das wird geschätzt und da haben wir gutes Feedback bekommen. Da wird nie gefragt, wer Bigpoint, Gameforge oder Wooga eigentlich sind. Als Branche haben wir diesbezüglich schon Einiges erreicht, insbesondere was Online- und Mobile-Plattformen betrifft und das wird durchaus geschätzt.
Q: Trotz des offenkundigen Interesses von Philipp Rösler und der Bundeskanzlerin selbst an der Spielebranche fallen teils immer noch befremdliche politische Aussagen insbesondere aus Bayern. Inwieweit ist die Bedeutung der Spielebranche bei der heimischen Politik angekommen?
Alexander Piutti: Wir haben uns im Rahmen einer Nachbereitung der Reise ins Silicon Valley mit den vier teilnehmenden Bundestagsabgeordneten getroffen und genau davon gesprochen. Die Antwort ist ein klares Ja. Das ist absolut angekommen, aber das ist natürlich ein Erfolg von den vielen Initiativen der letzten Zeit, also gar nicht mal nur die Reise ins Silicon Valley, sondern auch das LAN-Event im Bundestag und vielen Einzelinitiativen. Es ist bewußt geworden, dass eine digitale Wirtschaft in Deutschland entstanden ist, die Substanz hat und die auch nicht mehr verschwindet. Konsolidierung und der Wandel von Geschäftsmodellen sind völlig normal, aber die Branche wird nicht mehr weggehen. Das ist auch von der Politik erkannt worden.
Wichtig ist, das dies nicht den Charakter eines Schulterschlusses oder der Kumpelei oder einer Sightseeing-Reise in die USA hat, was in der Presse ja genau so dargestellt und zerrissen wurde, sondern man ist mittlerweile in der Lage, ein sehr wertvolles Netzwerk aufzubauen. Dies beruht auf einem sehr intensiven Austausch, wo die Gamesbranche steht und was die digitale Wirtschaft überhaupt benötigt. Die enge Kopplung an die Gründerszene bedeutet, dass die Politik jetzt auch eine Standleitung zu uns Gründern hat und genau versteht, was die Szene braucht.
Ich kann das sagen, weil ich so lange bereits dabei bin und ich noch niemals erlebt habe, dass ein solches Momentum entstanden ist von Leuten, die wirklich konstruktiv zusammenarbeiten. Und damit wird Deutschland auch international gut repräsentiert, was es der Gamesbranche es ermöglicht, sich nach außen zu tragen und international zu netzwerken. Das kann ich nur positiv bewerten. Aber wir sind alle gefragt, in dieser Beziehung noch mehr Transparenz zu schaffen. Wir müssen auch Wünsche formulieren, was wir benötigen, um auch mit Leuten zu reden, die nicht ganz diese Transparenz haben, die, wie Sie angesprochen haben, zum Teil in Bayern sitzen. Natürlich machen wir uns nichts vor: Das ist ein langer, weiter Weg.
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