2016-02-06

Man könnte meinen, dass es hierzulande den Football Manager 16 gar nicht gibt. Stimmt aber nicht. Deutschland ist videospieltechnisch betrachtet EA-FIFA-Land, vielleicht noch mit einer Prise PES gewürzt, aber von der guten alten Fußballmanager-Tradition ist heutzutage nur noch wenig zu spüren. Das hat Gründe. Der von Sega vertriebene Football Manager 16, entwickelt von Sports Interactive, ist leider bei uns nur als Import und nicht in deutscher Sprache erhältlich, was extrem unschön ist, denn als Manager- und Fußballsimulation bietet der FM 16 eine Tiefe, die im Genre seinesgleichen sucht. Das Ding in deutsch und zack, wäre das Spiel aus der Nische raus und würde allen Coach-Jogi-Löws den Schweiß auf die Stirn treiben.

Warum? Ist doch nur Fußball, was soll daran denn schweißtreibend sein? Oha, denkt sich der langjährige Football Manager-Freund und zeigt routiniert auf das Excel-artige Ui und all die gefühlt hunderttausenden an drögen Statistiken, Werten und Zahlen. Der FM geht in die Tiefe und genau das sollte nicht auf die leichte Manager-Schulter genommen werden. Und weil diese Tiefe durchaus anstrengend sein kann, dürften in Deutschland nur wenige Spieler den Football Manager 16 einfach mal so aus reiner Jux an der Freude importieren. Was bedeutet: Nur der harte Kern müht sich mit diesem fantastischen Spiel ab, während die anderen entweder den guten, alten Managerspielen wie Anstoss & Co. hinterher trauern, es ganz bleiben lassen oder auf die unzähligen billigen Casual-Varianten umsteigen (shame on you). Für alle Weggefährten des Football Managers oder heißblütige Fans des FM 16 ist dieser Beitrag gedacht, bei dem ich mich nur auf die Feinheiten der Taktik auf dem Platz konzentriere, wobei natürlich die Auswahl des Teams mitentscheidend ist – ich spiele übrigens den Football Manager 16 mit Dortmund. Eine allgemeinere Annäherung an den FM 16 schrieb ich übrigens für polyneux und die findet ihr hier.



Was man Sports Interactive sicherlich nicht vorwerfen kann, ist eine Vernachlässigung der Weiterentwicklungen, Trends und Moden im Fußball. Aktuell sind – meiner persönlichen Erfahrung nach – weiterhin ein schnelles Angriffsspiel bei Heimspielen und eine sichere Verteidigung bei Auswärtsspielen zu empfehlen. Inwiefern das bei einem Spiel, dass besonders im 3D-Modus besonderen Wert auf akkurate Umsetzen der Werte, Stärken und Schwächen von Spielern und Teams legt, sinnvoll ist, mag mal dahingestellt sein und darauf komme ich gleich zurück. Ein anderer Knackpunkt ist die taktische Vorbereitung auf Spiele bzw. die Eingespieltheit mit den verwendeten Systemen. Beidem kommt im Football Manager 16 eine große, vielleicht sogar zu große Bedeutung zu.

Gehen wir mal davon aus, dass die werten Leserinnen und Leser wissen, welche überbordenden taktischen Möglichkeiten es im FM 16 gibt. Jeder Spieler hat 36 Werte, die jenseits von Gut oder Schlecht sind, sondern vom Manager entsprechend der gewünschten Verwendung interpretiert werden müssen. Unterteilt sind die körperliche, mentale und technische Kategorien. Ein Spielmacher, der einen hohen Wert bei Vision hat, ist besonders inspiriert und sehr nützlich, wenn die anderen relevanten Wert auch stimmen, natürlich. Für einen Innenverteidiger sind andere Kriterien als Inspiration entscheid, etwa das Tackling, selbstverständlich. Darüber hinaus haben sie noch besondere Fähigkeiten, wie etwa das Können den tödlichen Pass zu spielen oder bei Tacklings nicht zu grätschen. Individuelle Vorlieben gibt es dann noch für die jeweilige Rolle, mit der eine Position bekleidet werden soll. Und genau hier haben wir die entscheidende Schnittstelle vom Spieler zum Manager: Passt ein Spieler ins taktische Konzept oder nicht? Individuelle Fähigkeiten abseits der strategischen Ausrichtung gehören nämlich eindeutig zu dem Schuss, der nach hinten losgeht. Ein guter Manager sollte sich also drei Mal überlegen, wen er kauft und aufstellt.

Das bedeutet: Abhängig von einer vorgegebenen, losen Spielidee des Vereins – bei mir beim BVB ist es ein offensives Spiel – sollte ein Manager genau wissen, wie er welchen Fußball spielen will – und ob die Grundstrategie überhaupt zum vorgegebenen und recht nah an der Realität entlehnten Spielermaterial passt. Beim BVB musste ich mit der Zeit entweder gute Spieler ersetzen, weil sie mir weggekauft wurden oder durch bessere austauschen, um auch international endlich ein Wörtchen mitreden zu können. Jedenfalls: Aufgrund des nicht immer nachvollziehbaren Unterschieds zwischen Heim- und Auswärtsspielen sollten zwei Grundstrategien ausgeklügelt und durch eine dritte ergänzt werden, die situationsbedingt öfter Sinn machen könnte.



Bei Heimspielen im FM 16 spiele ich in der Regel (abgesehen von Champions League-Spielen gegen stärkere Teams) auf ein 4-3-3, auswärts auf eine Art 4-1-2-2-1 und alternativ, zum Kontern in Führung kurz vor Spielende eingesetzt, auf ein 4-4-2 mit zwei defensiven und einem zentralen Mittelfeldspieler. Ab erst einmal zur Heimtaktik: Beim Torhüter setze ich auf den mitspielenden Sweeper Keeper, verzichte aber auf allzu große Abenteuer, in dem ich die Ausrichtung auf Support setze und außerdem die Viererkette tendenziell eher defensiv einstelle – soweit das möglich ist in einem offensiven Grundgerüst. Aber Balance muss sein, nicht wahr?

Von offensiven Außenverteidigern halte ich recht wenig im Football Manager 16 – wie auch in den Jahren zuvor. Sie sind mir zu dominant und graben den spielgestaltenden Mittelfeldspielern zu viel Wasser ab. Mit einem Target Man vorne drin, also einem echten Schrank als Neuner und Strafraumstürmer, ist es sicherlich keine schlechte Ausrichtung, aber eine, die mir keinen Spaß macht. Das ist ganz einfacher Fußball und gegen Teams mit robusten und kopfballstarken IV darüber hinaus wenig Erfolg versprechend. Ich richte die Außenverteidiger daher als defensive Full Backs aus, was letztlich aber nur bedingt wirklich defensiv ist, weil ich meine Verteidigungslinie in Heimspielen spätestens ab der 30. Minute nach vorne ziehe.

Die Innenverteidiger haben bei mir zwei Aufgaben: Den linken IV lasse ich im FM 16 als Central Defender eher ausputzen – sofern ich keinen technisch beschlagenen IV habe, wie etwa Hummels oder aktuell Laporte, die ich als Ball Playing Defender mit defensiver Ausrichtung aufgestellt habe. Der rechte IV ist mir besonders wichtig: Hier setze ich ihn zwar als Limited Defender ein, damit er mir zu abenteuerlich agiert, denn das kann fehlpasstechnisch leicht passieren, da die Ausrichtung als Stopper eine offensiv-aggressive ist. Hier setze ich darauf, dass ein besonders schneller IV, bei mir momentan Kurz Zouma mit Süle als Backup, die Bälle abläuft und damit quasi automatisch genau das spielt, was ein defensiver oder zentraler Mittelfeldspieler mit der Rolle des Ball Winning Midfielders macht. Besonders dann, wenn ich mich in Gegners Hälfte festsetzen kann, wirkt es auf mich oft so als würde ich eher mit drei als mit vier Verteidigern spielen.



Im zentralen Mittelfeld setzte ich auf einen Mix aus Technik und Dynamik. Sahin und Gündogan sind wunderbare Deep Lying Playmaker, denen ich gerne zuschaue. Vor allem Sahin – wenn auch eher langsam unterwegs – wurde im Football Manager mit der Kunst des langen Passes gesegnet, weswegen er als Initiator von Kontern sehr wichtig sei kann. Für die Dynamik sind Spieler zuständig, die als Central Midfielder auch mal vorne rein gehen oder als Box to Box Midfielder extrem viel unterwegs sind. Hier braucht es zwar auch technisch beschlagene Spieler, die jedoch als Allrounder in erster Linie konditionsstark, robust und zumindest halbwegs zweikampfstark sein müssen. Momentan habe ich dafür Xhaka und Soriano im Kader – wobei sich Weigl ebenfalls gut macht, auch wenn er nicht gerade der dynamischste Spieler ist. Von der Ausrichtung her lasse ich den Deep Lying Playmaker auf Support spielen oder auch mal defensiv, während der Central Midfielder vom Gegner abhängig ist. Gegen Darmstadt offensiv, gegen Bayern defensiv.

Das Herzstück meines Teams ist aber der zentrale offensive Mittelfeldspieler, den ich als Advanced Playmaker offensiv spielen lasse. Hier setze ich aktuell auf Fred und den wunderbaren Oliver – dessen tödlichen Pässe schon im Football Manager 15 eine Augenweide waren und es auch jetzt noch sind. Nur ist leider seine Fehlpassquote recht hoch – viel gibt es bei ihm nicht zwischen Welt- und Kreisklasse. Fred ist bodenständiger, dabei ebenso ein exzellenter Techniker, aber nicht ganz so tödlich wie Oliver – und halt ein geringeres Risiko für etwaige Konter des Gegners als Oliver. Schwierig wird es für meine Mannschaft, wenn der Gegner es schafft meinen offensiven Spielmacher aus dem Spiel zu nehmen. Passiert dies – oder aber dann, wenn Oliver einen schlechten Tag hat – dann stelle ich im Zentrum auf Attacking Midfielder um geben einem der Außenstürmer die Rolle als Advanced Playmaker, was einige Vorteile haben kann und vor allem die hochintelligente KI des Gegners durcheinanderbringen kann.

Ein großer Unterschied zwischen dem FM 15 und dem Football Manager 16 ist die Durchschlagskraft der Inside Forwards, also der nach innen ziehenden Außenstürmer. Sie schaffen es einfach zu selten gefährlich in Tornähe, was auch daran liegt, dass es im FM 16 die kunstfertigen Dribbler schwieriger haben. Zum einen, weil die Verteidiger effektiver wurden und zum anderen, weil die KI-Gegner generell weniger Platz vor dem eigenen Tor anbieten. Deswegen spiele ich nur noch mit einem Inside Forward und stelle auf der anderen Seite einen Winger oder Raumdeuter auf (hierzu bitte auch auf den polyneux-Beitrag achten, indem ich den Raumdeuter näher erläutere). Den Raumdeuter als Thomas-Müller-artigen Anarchisten verwende ich mittlerweile meist nur noch in Führung, weil sie außer im Konterspiel wenig bringen, da halt zu wenig Platz da ist, in den er stoßen könnte. Der Winger fetzt die Außenlinie hoch und runter und da bin ich momentan mit Jesus Navas und Sisto als Nachwuchsstar mehr als zufrieden. Reuse als Parade-Inside Forward verließ mich gen Barcelona und deswegen spiele ich dort mit Mkhitaryan und Felipe Anderson. Die machen das übrigens alle gut.

Aubameyang wurde von Sports Interactive für den Football Manager 16 wunderbar durchschaut: Er ist sowas von ultraschnell und effektiv, dass es eine Freude ist. Waren bis einschließlich zum FM 15 die Tanker vorne im Sturm die Lösung, wenn gar nichts mehr ging, ist es jetzt der ultraschnelle Stürmer, der den einen Meter rausläuft, der reicht um zum Abschluss zu kommen. Als Backup für Aubameyang lasse ich Luciano Vietto spielen, der auch okay ist. Lukaku dagegen werde ich verkaufen, nicht zuletzt weil der „Typ Schrank“ zumindest im FM 16 nicht mehr in Mode ist. Als Rolle lasse ich Vietto und Aubameyang als Poacher spielen, womit sie im Vergleich zum Complete Forward oder Advanced Forward nicht ganz so aktiv am Spielgeschehen teilhaben, dafür aber zur Stelle sind, wenn Oliver und Fred ihre Knaller-Pässe auspacken. Trequartista, False Nine, Target Man (außer mit Lukaku als Brechstangenstürmer in letzten Minuten), Defensive Forward und den Deep Lying Forward nutze ich nicht, auch weil sie teilweise nur Sinn machen, wenn man mit zwei Stürmern spielt.

So, das ist sie also, meine ordentlich erfolgreiche Heimtaktik. Und jetzt alles von vorne für die Auswärtsspiele. Nee, das sprengt jetzt den Rahmen. So viel ändere ich auch gar nicht. Außer: Die Position des zentralen offensiven Mittelfeldspielers streiche ich zugunsten eines defensiven Mittelfeldspielers, den ich als Halfback aufstelle. Aus dem Deep Lying Midfielder mache ich den Advanced Playmaker und lasse da – ganz nach dem Gegner aufgestellt – dann einen meiner vier Techniker auflaufen. Beim Central Midfielder bzw. Box to box Midfielder bleibt es wie gehabt. Nur: Auf Außen spiele ich auswärts immer mit einem Advanced Playmaker um das Loch im offensiven zentralen Mittelfeld zu stopfen. In der Verteidigung bleibt alles beim alten, nur ziehe ich sie nicht so früh nach vorne.

Die Einstellung auf dem Platz ist eh situationsbedingt. Man sollte sich schon genau anschauen, wie sich ein Spiel entwickelt und welche Überraschungen die auffallend aufmerksame KI bereithält. Deswegen beginne ich jedes Spiel auf Standard-Taktik und bleibe anschließend variabel – wobei mir aber aufgefallen ist, dass im Football Manager 16 der Attack-Modus doch arg konfus ist und sich vor allem mit einem ballbesitzorientierten Spiel überhaupt nicht verträgt. Control ist gut und auswärts bei Führung ein leichtes Hochziehen der Verteidigung in der Kontertaktik – zumindest bis zur 80. Minute, denn dann sollte meiner Erfahrung nach entweder ganz dicht gemacht oder robust dagegen gehalten werden, ansonsten drohen späte Gegentore.

A propos Gegentore: Da sind wir nun bei meinem großen Kritikpunkt an dieser wunderbaren Fußballsimulation: Es dauert viel zu lange – auch bei intensiven taktischen Training und das unsinniger Weise auch extrem nach der Winterpause – bis ein Team eingespielt ist und die verwendete Taktik rafft. Bis es soweit ist, hagelt auch in Heimspielen unnötige Niederlagen und Unentschieden. Mich stört das, weil es nicht nur unrealistisch ist, sondern dem Spiel eine unschöne Dynamik gibt. Gegen Ende wird alles gut, das sollte so nicht sein. Vor allem bei den Spitzenteams. Aber auch das ist man vom Football Manager gewohnt und es ist ja auch auszuhalten, dass es penetrant adäquat den Fußball bis ins kleinste taktische Feinheiten abbildet, aber bei den großen Dingen dann immer mal wieder – und jährlich jeweils an anderer Stelle – unverständlicher Weise patzt. Aber so isser, der Fußball, nicht wahr?

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