2014-01-30

January 29, 2014 - Toronto, Canada

Ach mei wie schee....

...wenn man jahrelang die (Fremdsprachen-) Schulbank drücken musste und sich nicht enden wollende Grammatik-Ausnahmen und unregelmäßige Verben reingeballert hat - und dann plötzlich in einem Kurs voller (meist männlicher) Kanadier sitzt, die sich ziemlich einen dabei abbrechen, mich auf Deutsch zu interviewen.

Wie gemein. Nein sie waren ehrlich gesagt echt cool, meine beiden ersten Hospitationen in den Deutschkursen des Instituts. Am Montag war ich beim A2.2-Kurs, also fortgeschrittene Anfänger (widerspricht sich das?). Ich war wirklich verwundert, wie fit die Jungs schon sind. Die Lehrerin bat mich, mich vor Unterrichtsbeginn schon mal in die Klasse zu setzen und ein bisschen mit den "Students" zu quatschen. Fühlt sich an, als wäre man umgezogen und käme in eine neue Klasse Alle wollten natürlich wissen, wer da aufeinmal mitten im Semester neu in den Kurs kommt. Ich durfte noch nicht allzu viel verraten, weil ich aus pädagogischer Sicht natürlich ein gefundenen Fressen für eine abwechslungsreiche Unterrichtsgestaltung war. Es war herrlich. Alle mussten mich "spannende" Sachen fragen und natürlich auch von sich erzählen. Toll, dieser kanadische Akzent. "Hallo Franziska. Was machen du hier in Kanada?" oder "Franziska, bist du studieren hier?" waren wirklich niedliche Nachfragen. Ich war enorm überrascht über die Motivation und Freude aller Teilnehmer. Jeder will zu Wort kommen, alle machen ihre Hausaufgaben, viele lernen Deutsch "weil es Spaß macht" oder "weil Deutschland mir gefällt". Echt beeindruckend, so viel Energie. Das kenne ich anders aus meinen Unikursen Es ging schon gut zur Sache für die fortgeschrittenen Anfänger. Ein Film über Weimar wurde gezeigt, um das Thema Kultur zu vertiefen. Auch hier durfte ich über das Osnabrücker Kulturangebot berichten und musste beim Thema MAIWOCHE erklären, was "Bowle" ist. Es wurde viel gespielt, um die Satzstellung und verschiedene Zeiten zu lernen.

Heute ging es dann zu den "ganz Kleinen" = Niveau A1.1, also die absoluten Anfänger. Ich wurde mit den Fragen, die letzte Woche neu gelernt wurden, bombardiert:"Bist du verheiratet? Wie alt bist du? Wieviele Kinder hast du?". Herrlich, dass alle Leute im Deutschbuch nur Fritz, Hermann und Elvira heißen. Wir lernten, dass Verb und Subjekt im Deutschen untrennbar sind und was das Wort "Doch" eigentlich heißt. "Geschwister" oder "verheiratet" sind wirklich schwere Wörter, wenn man Englisch als Muttersprache hat. Mein Sitznachbar Andy war sehr glücklich, dass ich ihm die ein oder andere Vokabel vorgesagt habe. Er liebt München und will unbedingt nach Deutschland ziehen, deshalb lernt er nun fleißig die Landessprache. Natürlich lässt sich die große Motivation auch durch die $600 Kursgebühr erklären ABER letztens war eine ganze Clique im Kurs, weil sie unbedingt zum Oktoberfest fahren will und sich dort verständigen möchte. Witzige Leute hier...

Gelernt habe ICH in beiden Kursen, dass Deutschland in Kanada sehr beliebt ist ("Die Leute sind so nett bei euch!"-ääh?! Naja...) und dass unsere Sprache gar nicht so verhasst ist, wie ich immer dachte. Außerdem werde ich auf keinen Fall Lehrerin - viiiiel zu stressig, sogar bei erwachsenen Schülern! An die Position als Promoterin für Deutsch und Deutschland muss ich mich auch noch ein wenig gewöhnen. Aber es war eine neue, interessante Erfahrung und ich werde auf jeden Fall wieder hospitieren.

Es gibt übrigens neue Bilder, und zwar von meinem Sonntagsausflug ins Distillery District im Osten Torontos. Schön dort! Das Gelände der ehemals größten Schnapsbrennerei Nordamerikas wird inzwischen als Filmkulisse genutzt und beherbergt kleine Lädchen, Kneipen und Cafés. War kuschelig! Ich wurde direkt von einer vierköpfigen kanadischen Reisetruppe adoptiert, weil ich mit meinem Kakao an einem großen Tisch saß und noch Platz war. Wir kamen ins Gespräch und ich wurde über wirklich alle Highlights in Ostkanada aufgeklärt, durfte mir Fotos vom Eissturm nach Weihnachten anschauen und erfuhr alles über ihre Einwanderungsabenteuer. Bin mit einem breiten Grinsen nach Hause.

Morgen dann Tag drei alleine im Büro - Ulrike ist in Chicago und ich halte die Stellung.

Sorry, ich wollte euch nicht mehr so zutexten...

Liebste Grüße

Franzi

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