Links liegen gelassen, drei Verkehrsmittel später, tausende Nerven weniger und alle halbe Stunde ein neuer “Plan”: die DR Kongo macht uns das Vorankommen nicht leicht.
Auf der Landkarte sah der Weg noch einfach aus. Von Bumba nach Lisala und von dort aus über Akula nach Gemena. Hier wartete unser Flugzeug nach Mbandaka. Auf dem Landweg etwa 450 Kilometer auf der Nationalstraße 6. Es sollte alles anders kommen.
In Bumba bestellt und nicht abgeholt
Uns gefiel es recht gut in Bumba, aber unser primäres Ziel war Gemena, um von dort Samstag oder Mittwoch abzufliegen. Bis Samstag über den Landweg war extrem sportlich mit nur zwei vollen Reisetagen und Mittwoch war recht sinnlos, da wir auch von Bumba oder Lisala fliegen konnten.
Wir legten also los mit planen. Plan A lautete: gemütlich an die Nationalstraße 6 in Richtung Lisala setzen und auf eine Mitfahrgelegenheit hoffen. Der Plan klingt für andere Länder sehr effektiv, aber wir sollten uns täuschen. In sechs Stunden langen Wartens hatten wir einen LKW, der nur 1/10 der Strecke fuhr, einen LKW, der uns fast überfuhr, einen Jeep, der uns nicht genehm war und einen Jeep, der für die 150 Kilometer 2500 $ haben wollte. Dafür hatten wir eine Menge Motorräder, die zuerst bei 100 $ pro Person lagen und dann auf 45 $ runter gingen. Für Mototaxis fast ein Schnäppchen. 50 $ ist der normale Preis. Wir waren uns aber auch einig, dass das Motorrad erst eine letzte Option ist. Mit Rucksack und dann noch als Beifahrer sind 150 Kilometer ein Horror.
Dieter und Dirk beim Warten
Kurz nach Mittag brachen wir unseren Plan A ab und kehrten in unser Domizil, der katholischen Mission, zurück. Ganz erstaunt wurden wir wieder mit einem Willkommen empfangen. Der nächste Tag sollte etwas geplanter zugehen. Schon nicht mehr Plan B sondern Plan P. So oft haben wir umgeplant.
Zwischendurch überlegten wir, ein überteuertes Auto zu mieten und dann sogar bis Gemena statt bis Lisala durch zu fahren. Dann kam wieder die Option fliegen ins Spiel. Dafür müssten wir nur fünf Tage in Bumba ausharren. Hätte ich Gemena gekannt, wäre ich wahrscheinlich auch gerne hier oder in Lisala geblieben.
Plan P, wie Piroge
Nach unserer ersten Planungsodyssee, rief ich erstmal unseren Kapitän John vom ersten Flussabenteuer an und verkündete unseren Zwangsaufenthalt in Bumba, fragte ihn nach einer Mitfahrgelegenheit auf dem Fluss bis nach Lisala. Ganz in seinem Element rief er mich einige Minuten später zurück und verkündete mir, dass eine Piroge am nächsten Tag abfahren würde. Wir machten uns auch gleich zum Hafen auf, um die Einbäume zu besichtigen. Der erste Kapitän sah nur “Weißer Mann”=”Geld” und verkündete stolze 120 $ für drei Personen. Das Vögelchen sollte weiter zwitschern und wir zogen weiter.
Pirogengespann nach Lisala
Ich blieb beim zweiten Anlauf im Hintergrund und wer hätte es gedacht: 33 $ für drei Personen. Ein fast ehrlicher Preis. Einheimische zahlen knapp unter 10 $. Mit einer kleinen Anzahlung sicherte ich uns die Plätze und der Preisunterschied war sogar merklich im Service. Am nächsten Tag durften wir wie auf dem Ticket vermerkt pünktlich 15 Uhr an Bord gehen, bekamen Stühle gestellt und hatten einige Zentimeter mehr Raum. Aber Abfahrt mit unserem Dreiergespann war dann doch erst 18:30 Uhr. Wir waren vorher einfach noch nicht voll genug beladen. Sieben Tonnen plus Passagiere sollten es am Ende sein. Einen kleinen Streich erlaubte sich ein DGM-Beamter (Direction Général de Migration: Einwanderungsbehörde, die auch jede Bewegung im Land erfasst). Um etwas Kneete von uns zu bekommen, wollte er uns mit dem Vorwand, das Boot fährt erst morgen ab, von der Piroge locken. Mitreisende lachten nur und wir blieben einfach in unseren Gartenstühlen sitzen. Wie Nähmaschinen sollten sich die drei abwechselnd kaputt oder aus Benzin-Mangel ausfallenden 15PS-Außenborder durch das Wasser klackern.
Die Nacht war zwar unangenehm – im Gartenstuhl verbracht – aber um kurz vor 9 erreichten wir fast zu früh Lisala.
Affe in Lisala
Wie in Bumba war auch hier wieder der Plan, auf dem Landweg Gemena zu erreichen.
Lisala: Wozu planen?
Am Hafen schon von unseren Sternchen, den DGM-Beamten, erwartet, verschaffte der Beamte uns den ersten Kontakt mit einem Besitzer eines Landcruisers. 500 $ lautete sein letztes Angebot. Etwas zu teuer für unseren Geschmack liefen wir erstmal die Hauptstraße hinunter und fragten nach LKW und anderen Allradautos. LKWs nach Gemena wollten sich keine finden lassen und die Jeeps wurden nur noch teurer.
Nach einer kleinen Krisenbesprechung stand ein Plan. Dieser involvierte ein Internet-Café, ein Flugzeug und günstige Tickets. Ein Internet-Café ließ sich trotz lokaler Unterstützung durch einen kleinen Jungen nicht auffinden. Wir schauten dann offline nach einem Ticket. Leider nicht der Angebotspreis den wir uns erhofft hatten. Aber dafür bekamen wir einen kleinen Tipp und fanden eine Firma, die uns 20 Minuten WLAN anbot, bevor sie den Generator ausschaltete. Zu unserer Enttäuschung waren die günstigen Online-Tickets bei CAA von Lisala über Gemena nach Mbandaka ausverkauft. Also schnell den Plan verworfen. Neuer Plan: zu Lande nach Gemena und dann mit dem Flieger nach Mbandaka. Gesagt, gebucht. 15 Minuten, 3 Tickets und gerade so geschafft. Der Generator konnte aus gehen.
Verkehrspolizist in Lisala
Also ging die Suche nach einem fahrbaren Untersatz nach Gemena wieder los. In aller Verzweiflung suchte ich wieder nach dem Fahrer für 500 $. Ich fand aber nur Gott, besser gesagt Dieu, einen LKW-Fahrer. Erst viel später sollte ich den Landcruiser-Fahrer durch Zufall wieder treffen. Leider zu spät. Der Deal mit Dieu stand.
Katholische Kirche in Lisala
Gott hilft mit einem LKW
Dieu war gerade am Hafen und ließ seinen und zwei andere LKW mit schweren Säcken beladen. Ich riss die armen Jungs aus ihrer Routine und fragte nach einer Mitfahrgelegenheit nach Gemena. Leider bekam ich diesen Wunsch nicht erfüllt. Lisala nach Gemena wird einfach zu selten gefahren. Die Straße zu schlecht und Akula mit seinem Hafen eignet sich um Welten besser Gemena zu versorgen. Dieu, zu deutsch Gott, bot mir aber an uns bis Businga mitzunehmen. Das wäre die halbe Miete nach Gemena. Als ich Dirk und Dieter fragte, war der neue Plan sofort genehmigt.
Dieu bei der Arbeit
Dieu versprach uns in Businga einen Weitertransport zu organisieren und der Preis war mit 30 $ pro Person absolut fair. Zu seinem exzelenten Service gehörte sogar ein Besuch bei uns im Hotel, um die letzten Details zu klären.
Nachts um 23 Uhr standen die LKW auf der Straße. Im Halbschlaf versunken, kletterten wir in die Fahrerkabine und machten es uns für die nächsten Stunden “bequem”.
Panne im Morgengrauen
Die fehlenden Windschutzscheiben und die kühle Nacht ließen uns ganz schön frösteln. Das wilde Geruckel ließ auch nur Gedanken an Sekundenschlaf zu. Die Nacht war lang. Im Morgengrauen blieben wir plötzlich am Berg hängen. Keine Leistung mehr. Gleich machte sich die ganze Crew an die Reparatur der Einspritzpumpe. Nach nur einer Stunde waren wir wieder fahrbereit. Unter kritischen und interessierten Blicken der Einheimischen setzte sich unser Konvoi bestehend aus zwei frisch importierten Renault Trucks des französischen Militärs wieder in Bewegung und um 9 Uhr erreichten wir unsere 200 km entfernte Zwischenetappe Businga. Nicht ganz ohne Blechschaden, denn der hintere LKW verpennte etwas eins unserer Bremsmanöver und fuhr uns hinten rein.
Businga: Heißer Ritt
Businga besteht aus einer Hauptstraße und ein paar kleinen Nebenstraßen. Ein kleiner Außenposten von Zivilisation. Dieu machte sich hier gleich an die Arbeit und trieb uns drei Motorräder auf. 50 $ bis nach Gemena. So die erste Aussage. Während seine Crew mit Hammer und Brecheisen versuchte, die im Unfall verbogene Fahrertür zu öffnen, ließ sich Dieu nochmal dazu überreden einen Jeep zu suchen. Den einzigen im Ort fanden wir bei einem Portugiesen. Leider kaputt und das Auto seines Sohnes. Naja, der Schlüssel war in Kinshasa. Sehr schlau und unser Pech.
Also mussten wir auf Motorrädern weiter. Ein kleiner Kampf entbrannte, plötzlich wurden aus 50 $ 80 $ und die Leute wurden unverschämt. Einzig ein Fahrer blieb bei seinem Wort und hatte nun die schwere Aufgabe seine Kollegen zur Vernunft zu überreden. Das gelang auch ganz gut. Als dann auch endlich der Sprit gerecht aufgeteilt war und die Jacken besorgt, ging es im irren Tempo in die lichten Überbleibsel des Regenwaldes. Zuerst noch auf guter Schotter- und Sandpiste, dann aber glich die Fahrt einem Offroad-Abenteuer.
Fahrt mit dem Motorrad
Von Straße kann man schon nicht mehr reden und wie man hier mit einem Auto oder LKW durchkommen soll, blieb uns unbeantwortet. Entlang der Strecke kleine Dörfer mit Lehm- und Holzhütten. Viele Menschen auf Fahrrädern oder zu Fuß, selten ein einsames Motorrad. Wir schlugen uns durch. Langsam und mit steigender Vorsicht fuhren wir um die Wasserläufe auf der Straße herum. Schwerstarbeit für unsere Fahrer auf ihren 150 Kubik.
Schlechte Straßen im Nordkongo
Die Durchschnittsgeschwindigkeit sollte am Ende des Tages bei knapp über 23 km/h liegen.
Die Karawane zieht weiter
An einer Kreuzung wollten wir uns kurz was zu Essen kaufen, unsere Fahrer wollten aber weiter fahren und 10 Kilometer weiter in Karawa essen. Eine schlechte Entscheidung, wie sich herausstellen sollte. In späteren Gesprächen mit westlichen Aufbauhelfern wurde uns nochmal die Regelmäßigkeit des Problems aufgezeigt. In Karawa haben sich DGM, Polizei und Judikative zusammengetan und erpressen regelrecht Bestechungsgelder von Ausländern. Hier hätten wir einfach durchfahren sollen und alles wäre gut gewesen. Das einzige Mal im Kongo, dass wir so belästigt wurden.
Wir sollten 10 $ pro Person für ein nicht uns betreffendes, unnützes Formular bezahlen. Mit Drohungen hinterlegt, dass wir sonst ins Gefängnis gehen und unsere Reise zu Ende wäre. Unterlegt wurden die Behauptungen mit dreisten Lügen. So hätten wir gerade eine Provinzgrenze überschritten, welche aber schon über 150 Kilometer entfernt bei Bumba lag. Dafür bräuchten wir ein Visa, wie an jeder anderen Landesgrenze. Nach langen Verhandlungen konnten wir dann aber gehen. Leider zu früh gefreut. Als wir wieder am Motorrad waren, erfuhren wir, dass einer unserer Fahrer, der sich für unsere Ruhe am Mittagstisch eingesetzt hatte und dies vielleicht auch mit etwas viel Ergeiz wegen Beleidigungen von Offiziellen verhaftet wurde. Meine Intervention auf der Polizei blieb erfolglos, da sich das rechtlose Hoheitsgespann nun auf 50 $ Lösegeld eingeschossen hatte. Ich verließ den Ring, wir diskutierten kurz und entschieden uns, unsere Fahrer bis Karawa zu bezahlen inklusive eines kleinen Trickgeldes für die harte Fahrstrecke. Anscheinend lösten sie damit auch gleich den Fahrer aus und wir konnten unsere Fahrt in der Abenddämmerung fortsetzen. Die Karawane verließ Karawa und zog so schnell sie konnte weiter. Um 20 Uhr nach acht Stunden und 160 Kilometern erreichten wir Gemena. Die Suche nach einem kalten Getränk gestaltete sich nochmal sehr schwierig, danach fielen wir todmüde ins Bett.
Die Steigerung von Gemena ist Gemeiner
Ich hatte immer Uyuni in Bolivien oder Kathmandu in Nepal als die schmutzigsten Städte angeführt. Gemena rangiere ich jetzt in diese Sammlung mit hinein. So eine hässliche Stadt sieht man selten. Die Straßen durch Erosion teilweise zwei Meter unter belgischen Niveau von 1960. Unbefahrbar für Autos an vielen Stellen.
Stadtstraße in Gemena
Lehmhütte an Holzhütte, dazwischen ein altes koloniales Gebäude meist in desolatem Zustand. Müll auf der Straße, eine gewisse Lebensmittelknappheit und große Armut. In dieser Handelsstadt zwischen dem Hafen in Akula und Bangui in der Zentralafrikanischen Republik will man eigentlich nicht sein.
Aber um ganz fair zu sein, es gibt auch schöne Ecken. So ist das Missionarsviertel im Süden mit seiner Kirche, der Mission und den Schulen ein vorzeigbares Quartier und lädt fast zu einem kleinen Spaziergang ein.
Kirche in Gemena
Für uns war es das Ende des in Kisangani gestarteten Abenteuers. Es hieß nur noch in unserem Hinterhof-10 $-Hotel auf den Flug nach Mbandaka warten und das Elend hinter uns lassen.
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