2014-06-13

von Hans-Peter Siebenhaar, Handelsblatt.com

13.06.2014, 11:28 Uhr

Das malerische Kärnten ist der Alptraum für Anleger. Die mit einer Landeshaftung versehenen Anleihen der Bank Hypo Alpe Adria sind wertlos. Österreich kann zahlen, will aber nicht. Das trifft vor allem deutsche Anleger.

Das Schlosshotel Velden am Westufer des Wörthersees in Kärnten. Quelle: wikipedia

Wien. Das kristallklare Wasser des Wörthersees hat nie seine Magie verloren. Im Sommer lockt es die Reichen und Schönen in den noblen Ferienorte Velden und Pörtschach. Manche leben in diesem Paradies an der Alpensüdseite für immer wie Ingrid Flick, die Witwe des deutschen Industriellen Friedrich Karl Flick. Der Milliardär ruht seit seinem Tod am Wörthersee in einem Mausoleum in Velden. Spätestens seit der Fernsehserie „Ein Schloss am Wörthersee“ ist Kärnten zum Synonym für ein paradiesisches Leben aufgestiegen. Doch die Urlaubsidylle trügt.

Denn Kärnten ist heute zugleich ein Synonym für eine finanzpolitische Kaltschnäuzigkeit, die in Europa ihresgleichen sucht. Es geht um die Folgekosten für die 2009 verstaatlichte Skandalbank Hypo Alpe Adria mit Sitz in Kärntens Hauptstadt Klagenfurt. Österreich hat entschieden, dass die Inhaber von Anleihen, die mit einer Haftung des Bundeslandes Kärnten versehen wurden, nicht zurückgezahlt werden. Österreich kann zahlen, will es aber nicht, um die heimischen Steuerzahler angesichts der Folgekosten für die Abwicklung der früheren BayernLB-Tochter Hypo Alpe Adria ein Stück weit zu schonen. Die nachrangigen Anleihen haben nach Angaben des österreichischen Finanzministeriums ein Volumen von 890 Millionen Euro.

Im Dachgeschoss seines Wiener Ministeriums, nur wenige Schritte vom Stephansdom entfernt, hat Vizekanzler und Finanzminister Wolfgang Spindelegger von der konservativen ÖVP an einen heißen Sommerabend zur Vorstellung seines Planes eingeladen, der viele Sparer um ihr Geld bringen wird. Er macht den Anlegern im kleinen Kreis vor Journalisten wenig Hoffnung. Nur wenn am Ende der Abwicklung der Hypo Alpe Adria etwas übrig bleibe, könne Geld fließen. Die Wahrscheinlichkeit dafür geht aber gegen null.

Der Niedergang der Hypo Alpe Adria

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vor 2006

Im Jahr 1894 gründete das österreichische Bundesland Kärnten die Bank als Landeshypothekenanstalt. Das Institut gehörte dem Land und ist vor allem in der Region aktiv.

1991 beginnt die Bank ihre Expansion in Südosteuropa mit ersten Aktivitäten in Slowenien. Finanziert wird der Ausbau mit günstigem Geld vom Kapitalmarkt, an das die Bank kommt, weil der Mehrheitseigentümer Kärnten als Ausfallbürge komplett für das Institut haftet.

Erst per April 2007 schiebt die EU den ausufernden Garantien des Landes einen Riegel vor. Die letzten verbliebenen Garantien für die Bank laufen 2017 aus.

2006 bis 2008

2009

2010

2011

2013

2013

2014

Die österreichische Regierung wollte auf Anfrage nicht nennen, welche Gläubiger davon betroffen sind. Nach Informationen der österreichischen Zeitung „Die Presse“ wurden vier Fünftel der Schuldscheinverschreibungen in Deutschland verkauft. Die Bonds der Klagenfurter Bank waren insbesondere bei Versicherungen und Pensionsfonds beliebt. Denn schließlich garantierte das Bundesland Kärnten für die ordnungsgemäße Rückzahlung. Was sollte da schiefgehen, dachten sich viele Anleger.

Offenbar sind österreichische Investoren nur zu einem geringeren Teil betroffen. Darunter ist die Vienna Insurance Group. Der Marktführer in Österreich besitzt nachrangige Anleihen im Wert von 100 Millionen Euro. Davon sind nach Unternehmensangaben rund die Hälfte mit einer Garantie des Landes versehen. Auch die Wiener Versicherung und Raiffeisen-Tochter Uniqa ist mit 34 Millionen Euro an Hypo-Anleihen betroffen.

Vor diesem Hintergrund droht nun ein Konflikt zwischen Deutschland und Österreich. Bayern geht schon auf die Barrikaden. „Es ist ein einmaliger Vorgang in Europa, dass ein Land sich per Gesetz von Schulden befreien möchte“, sagte der um ein offenes Wort nie verlegene bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU). „Wir werden auf privatrechtlicher und auf internationaler Ebene alle rechtlichen Schritte prüfen.“  Er spricht damit vielen Anlegern aus dem Herzen. Insider in Wien erwarten eine Klagewelle, sobald das Gesetz rechtskräftig verabschiedet ist.

Österreichs Finanzminister Spindelegger reagiert kaltschnäuzig. Der konservative Politiker sagt an diesem Sommerabend unter dem blauen Himmel Wiens, die Anleger hätte schließlich wissen müssen, dass ein Bundesland wie Kärnten gerade einmal einen Haushalt von zwei Milliarden Euro habe, aber für Verbindlichkeiten der Hypo Alpe Adria von 25 Milliarden Euro einstehen wolle.

In Kärnten, ganz im Süden Österreichs, leben gerade einmal 556.000 Menschen. Regiert wird das Bundesland vom sozialdemokratischen Landeshauptmann (Ministerpräsident) Peter Kaiser, dessen Partei SPÖ die mit Abstand stärkste Partei ist. Kaiser regiert die Region in einem Bündnis mit der konservativen ÖVP und den Grünen. Trotz des Desasters um die Hypo Alpe Adria ist die rechtspopulistische FPÖ weiterhin stark. Die ehemalige Partei des mittlerweile verstorbenen Kärntner Volkstribuns Jörg Haider ist nach wie vor die zweitstärkste Kraft. Haider und die FPÖ hatten Kärnten über Jahre beherrscht – und Anfang 2007 auch an die BayernLB abgegeben.

Industrie gibt es in Kärnten wenig – gerade deshalb konnte sich die Hypo Alpe Adria zu einem Monstrum entwickeln, das Österreich nun ins Wanken bringen könnte. Die hypermoderne Architektur der ehemaligen Landesbank an einer trostlosen Ausfallstraße der Landeshauptstadt Klagenfurt ist wie eine Metapher: Der dekonstruktivistische Bau ist im Innern wie ein Labyrinth, ein idealer Drehort, um eine moderne Kafka-Verfilmung zu realisieren. Der komplizierte Grundriss mit langen Gängen machte es selbst für Mitarbeiter monatelang fast unmöglich, sich zurechtzufinden.

Das Ansehen Österreichs leidet

Nun will Österreich als Eigentümer der Hypo nach jahrelangem Zögern die Bank endlich abwickeln. Bis November soll die Bad Bank stehen. Die Tochterbanken in Südosteuropa sollen verkauft werden. Mehrere Angebote, so Spindelegger, hätte man bereits erhalten. Zu welchem Preis und ob als Einzelpaket oder Gesamtlösung, will der finanzpolitisch wenig erfahrene Minister in Wien nicht verraten. Viel dürfte es für die Banken vor allem in Ex-Jugoslawien nicht geben. Die Milliardenverluste kommen überwiegend von dort vom Balkan.

Nicht nur die Anleger werden von Österreich zur Kasse gebeten, sondern auch der ehemalige Eigentümer, die Bayerische Landesbank. Sie soll auf 800 Millionen Euro ihrer Finanzhilfen verzichten. Der Bayern LB gehört die Hypo Alpe Adria zwischen 2007 und 2009.

Die Empörung ist gewaltig. Auf Österreich rollt eine Klagewelle zu. Ob das von der Regierung am Mittwoch beschlossene Hypo-Sondergesetz, das noch im Sommer durch das Wiener Parlament gepeitscht werden soll, europarechtlich „wasserdicht“ ist, bleibt unklar. Am Ende wird wahrscheinlich der Europäische Gerichtshof entscheiden müssen, ob Österreich mit seinem Vorgehen durchkommt. Solche Verfahren dauern in der Regel mehrere Jahre. Das ist der Vorteil für die Regierung. Sie gewinnt Zeit. „Wenn 2022 festgestellt wird, dass das Ganze unrechtmäßig war, braucht das die österreichische Regierung nicht mehr zu kratzen. Denn dann sind die Herrschaften längst nicht mehr in Amt und Würden“, sagt ein österreichischer Finanzexperte in Anspielung auf das schlechte Ansehen der Großen Koalition von Sozialdemokraten und ÖVP in Wien.

Hypo Alpe Adria-Desaster S&P droht mit Abstufung österreichischer Banken

Dass Österreichs Finanzminister private Gläubiger in die Rettung der Hypo Alpe Adria über den Schuldenschnitt einbeziehen will, schadet dem Image anderer Banken an den Märkten. Standard & Poor’s kündigt Konsequenzen an.

Das Tischtuch zwischen der österreichischen Regierung und auch den heimischen Banken scheint mittlerweile zerschnitten zu sein. „Es macht einen Unterschied, ob ein Schuldner nicht zahlen kann oder ob er nicht zahlen will. Die Republik ist in Sachen Hypo jedenfalls auf dem besten Weg, ihren Ruf als verlässlicher Schuldner zu verspielen“, sagt Willibald Cernko, Vorstandsvorsitzender der Unicredit Bank Austria. Auch Karl Sevelda, Chef von Raiffeisen International, macht in einem Brief seiner Empörung Luft. „Der Preis, den der Steuerzahler für dieses Gesetz zahlen wird, wird ein sehr hoher sein“, warnt Sevelda. Österreichs Vertrauensverlust unter internationalen Anlegern werde groß sein. Niemand seiner Kollegen hat ihm widersprochen.

Und Ingrid Flick. Die ehemalige Investorin der Hypo Alpe Adria hat an der Kärntner Bank gut verdient. Die Flick-Stiftung erhielt eine umstrittene Sonderdividende. Nach Meinung des Klagenfurter Staatsanwalts sei diese ohne gesellschaftsrechtlichen Grund und wirtschaftlichen Nutzen für die Hypo Alpe Adria im Jahr 2008 an die Stiftung gezahlt worden. Sie wurde im Februar 2014 im Klagenfurter Vorzugsaktienprozess deshalb zu einer Geldbuße von 600.000 Euro verurteilt. Dagegen will die Stiftung der Milliardärswitwe klagen.

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