2014-10-16


Stopp

16. Oktober 2014. München (Baader Bank). Es ist ein bisschen wie im Fußball. Auch für die Regierungskoalition gilt derzeit das Motto „Hauptsache, die Null steht", wie es vor allem bei defensiv orientierten Trainern so beliebt ist. Genauer gesagt, heißt das Motto für Berlin „Hauptsache, die schwarze Null steht", an dem Kanzlerin Angela Merkel partout festhalten will, obwohl die Wachstumsprognosen drastisch nach unten korrigiert werden mussten. Wenn Deutschland von seinem Stabilitätskurs abweicht, so Merkels Credo, liefert der Klassenprimus in Euroland Gründe für andere, dies ebenfalls zu tun. Mehr Schulden in Deutschland schaffen kein Wachstum in Italien, Frankreich, Spanien oder Griechenland, sekundiert ihr dazu Vizekanzler Sigmar Gabriel, und die schwarze Null wird zum Dogma erhoben. Aber das ist gefährlich, weil es zu Denkblockaden führen kann.

Denn Dogmen sollte man nie als alternativlos ansehen. Sonst könnte man übersehen, dass es Deutschland – ungeachtet der Probleme in den anderen Euroländern – an Investitionen in seine Infrastruktur fehlt. Gemeint sind neben den teilweise maroden Verkehrswegen Schiene und Straße auch ein schnelles Internet sowie der Bereich Bildung, in das sich zu investieren lohnen würde. Die private und öffentliche Investitionslücke wird von der IG Metall auf satte 100 Milliarden Euro jährlich beziffert. Passend dazu sagt der Industrieverband BDI, Investitionen zu erhöhen, sei für dieses Land kein zusätzlicher Luxus, den man sich genehmige. Es sei vielmehr absolut notwendig!

Dem würden die Koalitionspartner in Berlin wahrscheinlich gar nicht widersprechen, nur eben muss die schwarze Null stehen. Sonst gibt es auch keine neuen Investitionen, wären sie noch so sinnvoll. Der Spielraum, den man für beides hatte, sinnvolle Investitionen und einen ausgeglichenen Haushalt, ist freilich schon verspielt worden – etwa durch die Senkung des Rentenalters auf 63 Jahre.

Den Spielraum schränkt auch die schwächelnde Konjunktur ein. Denn neben den anderen Eurokernstaaten Frankreich und Italien droht nun auch Deutschland, das inzwischen mit einer fallenden Industrieproduktion und sinkenden Exportzahlen zu kämpfen hat, in die Rezession abzurutschen. Auf der jüngsten IWF-Tagung in Washington waren daher die Ratschläge: "Deshalb doch, bitteschön, mehr Geld auszugeben", zum Missfallen von Finanzminister Wolfgang Schäuble nicht zu überhören. Denn schließlich will Schäuble auch die schwarze Null sehen!

Wie schnell dann die Null verspielt werden kann, hat am Dienstag das deutsche Team gegen die irische Fußballnationalmannschaft erlebt. Just als alle schon dachten, die Null steht, ist sie doch noch gefallen.

Der Wind dreht sich gegen Draghis Politik

Auch bei der Beurteilung der europäischen Notenbankpolitik bröckelt ein Dogma – nämlich das, wonach Mario Draghi in Sachen Geldpolitik immer Recht haben muss. Zugegeben, in Kreisen der Deutschen Bundesbank hat dieses Dogma nie gegolten. Aber nun scheinen sich auch anderswo die Zweifel an dem Kurs des EZB-Präsidenten zu mehren. Etwa in den USA oder bei Claudio Borio, dem Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel, der kritisiert, dass als Folge der Billiggeldschwemme der EZB auf den Finanzmärkten die Investoren teilweise sehr hohe Risiken eingehen würden. Dauerkritiker Bundesbank-Chef Jens Weidmann meinte schon spöttisch, bevor man immer wieder neue Instrumente ausprobiere, solle man doch erst mal prüfen, wie diese wirken. Na ja, und dass Draghi und Finanzminister Wolfgang Schäuble, der die Mittel der EZB als ausgereizt ansieht, keine Freunde mehr werden, scheint bereits ausgemacht zu sein.

Dass sich der Wind gegen Draghi allmählich dreht, darauf deutet auch das Verhalten der Richter des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hin. Diese hatten bei der Verhandlung über das sogenannte OMT-Programm in Luxemburg ein gewisses Verständnis für die Positionen der EZB-Kritiker durchschimmern lassen. Nicht nur, dass sie sich bemühten, mit den deutschen Klägern deutsch zu reden, so brachten die Luxemburger Richter am Dienstag etwa auch die Vertreter der EZB in eine gewisse Erklärungsnot, als sie fragten, warum die Notenbank noch keine legal bindenden Dokumente zum OMT-Programm produziert habe.

Der Rechtsstreit um das OMT-Programm über den Aufkauf von Staatsanleihen wird in Luxemburg verhandelt, nachdem das Bundesverfassungsgericht diesen Fall an den EuGH überwiesen hat. Das Urteil, das dann auch Karlsruhe für seine Entscheidung in Betracht zieht, wird in der ersten Jahreshälfte 2015 erwartet.

US-Notenbank erwägt Aufschub der Zinswende

Nicht von ungefähr spricht Fed-Präsidentin Janet Yellen immer wieder von „hoher Unsicherheit", wenn sie an die Konjunkturaussichten denkt. Denn die US-amerikanische Notenbank Fed hegt die Furcht, dass die schwächelnde Weltwirtschaft auch die US-Konjunktur abbremsen könnte.

Nun kam auch von Notenbankvize Stanley Fischer das Signal, wonach die Fed ihre eingeleitete Straffung der Geldpolitik verlangsamen könnte. Damit könnte es zu einem Aufschub der für die in der ersten Hälfte 2015 erwartete Zinswende kommen. Die Fed, so der Tenor aus Washington, besitzt zwar vor allem ein Mandat für die heimische Wirtschaft. Sollte sich die US-Geldpolitik aber auf andere Länder und infolgedessen auf die US-amerikanische Wirtschaft auswirken, müsste auch dies berücksichtig werden.

Ja, die Fed könnte sogar ein weiteres Anleihekaufprogramm in Betracht ziehen, sollte sich die Wirtschaft verschlechtern – zumindest nach Ansicht des US-Notenbankers John Williams. Sollte eine längere Phase der Deflation drohen, müsse man das laut Williams „ernsthaft in Betracht ziehen“. Es geht die Sorge um, dass sich das zögerliche globale Wachstum in Kombination mit dem neu erstarkten US-Dollar negativ auf die US-Wirtschaft, die gerade dabei ist wieder Fuß zu fassen, auswirken wird.

Druck auf den Kesseln der Euro-Schuldensünder

Der Druck auf den Kesseln der Euro-Schuldensünder Frankreich und Griechenland soll aufrechterhalten werden. So erwarten die Euro-Partner von Defizitsünder Frankreich, dass es für 2015 „einen sehr soliden und korrekten Budgetentwurf" vorlegt. Die bisher bekanntgewordenen Zahlen, nach denen Paris erst mit einer Verspätung von zwei Jahren 2017 sein ausgeufertes Defizit in den Griff bekommen will, stoßen in Brüssel auf keine Gegenliebe. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem sprach in diesem Kontext von „Gruppendruck“, den es für Paris gegeben habe. Immerhin räumte Finanzminister Michel Sapin daraufhin ein, es sei möglich, dass der Haushalt im Zuge der parlamentarischen Beratungen in Paris noch verändert werde.

Dass Frankreich hier nachbessern muss, zeigt auch der Umstand, dass die Ratingagentur Fitch mit einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Landes droht. Die Bonitätsnote von „AA+" werde auf eine Herabstufung hin geprüft, teilte Fitch in London mit.

Auch für Griechenland soll der Druck aufrechterhalten werden – in diesem Fall seitens der Bundesregierung. „Wir müssen sicherstellen, dass wir unser Geld irgendwann zurückbekommen", zitierte das „Handelsblatt" einen ranghohen Beamten aus Berlin. So will die Bundesregierung die Aufsicht über Griechenland auch nach einem möglichen vorzeitigen Auslaufen des aktuellen Rettungsprogramms gewährleisten. Auch wenn Athen vermeldet, zum zweiten Mal in Folge einen Überschuss im Primärhaushalt abliefern zu wollen, muss dies immer noch vor einer immensen Staatsverschuldungsquote von 179 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betrachtet werden.

Eurobanken machen Bilanzen wetterfester

Ein bisschen nimmt Andreas Dombret das Ergebnis der Bankenstresstests der EZB, die Ende des Monats veröffentlicht werden sollen, vorweg. Das Verfahren habe das Finanzsystem sicherer gemacht, hat der Bundesbank-Vorstand dem „Handelsblatt“ verraten.

Schon jetzt steht demnach fest, dass die Tests erfolgreich gewesen seien. Immerhin haben die europäischen Banken ihre Bilanzen mit rund 200 Milliarden Euro wetterfest gemacht. Ob dies reicht, den künftigen Stürmen aus Unternehmenspleiten und Ertragsschwäche zu trotzen, muss sich erst noch zeigen. Hohe Anteile an faulen Krediten wie im Falle von Italiens Banken (siehe unten) lassen von den Stürmen ahnen, die es da noch zu überstehen gilt.

Zeitbombe in italienischen Bankbilanzen

In den italienischen Bankbilanzen tickt eine Zeitbombe. Derzeit haben die Institute des Landes so viele faule Kredite wie noch nie in ihren Büchern stehen. Nach Angaben der Zentralbank in Rom hat es per August einen Anstieg um 20 Prozent auf 174 Milliarden Euro gegeben. Das ist das höchste Niveau seit 1998.

Die Institute leiden unter der schlechten Wirtschaftslage Eurolands, was immer wieder zu Schieflagen der Kreditengagements führt. Kann dies der Auftakt zu einer Wiederauflage der Eurokrise werden?

Nach den jüngsten Überlegungen von Hans-Werner Sinn mehren sich dafür die Anzeichen. Er hat bei der Auswertung der Target-Salden entsprechende Hinweise auf eine neuerliche Kapitalflucht aus Italien entdeckt. Das billige Geld hat nämlich die Strukturprobleme nicht gelöst, sondern nur überdeckt!

Wirtschaftliche Unsicherheit stoppt Emissionswut

Gegenüber der Vorwoche übten sich die Emittenten am Primärmarkt für Corporate Bonds größtenteils in Zurückhaltung, da sich infolge der wirtschaftlichen Unsicherheit oftmals kein Refinanzierungsbedarf einstellt.

Dennoch wagte das französische Dienstleistungsunternehmen INFRA FOCH SAS mittels zweier Anleihen den Gang an den Kapitalmarkt. Eine Tranche A1ZQ91) im Volumen von 500 Millionen Euro ist mit einem Kupon von 1,25 Prozent ausgestattet und am 16.10.2020 endfällig. Der Emissionsspread belief sich auf +72 Basispunkte über Mid Swap. Die zweite Tranche A1ZQ92) ist am 16.04.2025 endfällig und hat einen Kupon von 2,125 Prozent. Die Emission hat ein Volumen von 450 Millionen Euro und wurde bei einem Emissionsspread von +100 Basispunkte über Mid Swap begeben.

Auch die Kundenkreditgesellschaft von General Motors hat in dieser Handelswoche einen Betrag von 500 Millionen Euro am Kapitalmarkt aufgenommen. Hierzu wurde eine Anleihe A1ZQ4T) emittiert, die mit einem Kupon von 1,875 Prozent ausgestattet ist. Die Endfälligkeit wurde auf den 15.10.2019 datiert und der Emissionskurs von 99,882 Prozent entsprach einem Emissionsspread von +145 Basispunkte über Mid Swap.

Die genannten Emissionen zielten jedoch aufgrund der Mindeststückelung von nominal 100.000 Euro verstärkt auf institutionelle Anleger ab.

Sorgenbarometer macht seinem Namen alle Ehre

Der Start in die Qualifikationsphase für die EM in Frankreich verlief für den amtierenden Weltmeister ziemlich mittelmäßig. Die DFB-Elf stellte gar einen Negativrekord auf.

Ganz anders präsentierte sich der Rentenmarkt: Wie selbstverständlich stellt der Euro-Bund-Future in regelmäßigen Abständen neue Höchststände auf. Beide Ereignisse wurden allerdings so nicht erwartet! Der erneut stark rückläufige ZEW-Index sowie die allgemeine Sorge um die weltweite konjunkturelle Entwicklung versetzen Anleger in den Krisenmodus. Auf der Suche nach Sicherheit und Stabilität flüchten viele Investoren in deutsche Staatsanleihen, die als sicherer Hafen gelten. Folglich war das Sorgenbarometer nicht mehr zu halten und markierte bei 152,49 Prozent ein neues High. Dementsprechend fiel die zehnjährige Bundrendite auf einen historischen Tiefpunkt von 0,72 Prozent. Der Bund-Future verharrt weiterhin auf einem sehr hohen Niveau und notiert aktuell bei 151,70 Prozent. Eine Gegenreaktion wird zwar kommen, aber niemand weiß wann, in welchem Maß und von welchem Niveau aus.

In solchen Märkten stellt die Charttechnik die einzige vernünftige Orientierungshilfe dar. Allerdings dienen momentan lediglich die fast täglich neuen Höchststände des Rentenbarometers als Widerstandslinien und alte Widerstände mutieren zur Unterstützung. Somit ist für den Euro-Bund-Future eine Tradingrange zwischen 150,50 Prozent und 152,49 Prozent angesagt.

Deutschland verdient weiterhin Geld mit seinen Schulden

Jede Privatperson würde sich freuen, wenn sie mit Schuldenmachen auch noch Geld verdienen könnte, aber das wird nie passieren. Die Finanzagentur der Bundesrepublik Deutschland hingegen ist in dieser glücklichen Lage. So konnte sich zum Wochenstart der Bund mittels unverzinslicher Schatzanweisungen zwei Milliarden Euro für sechs Monate bei einer durchschnittlichen Rendite von -0,085 Prozent am Geldmarkt beschaffen. Auch am Dienstag anlässlich der Aufstockung der inflationsindexierten Anleihe (WKN 103054 / 2023) um eine Milliarde Euro auf insgesamt 16 Milliarden Euro konnte bei einer 1,7-fachen Überzeichnung eine reale Durchschnittsrendite von -0,38 Prozent erzielt werden. Am gestrigen Mittwoch stand zu guter Letzt die Aufstockung der zweijährigen Schatzanweisung (WKN 113747) um vier Milliarden Euro auf 13 Milliarden Euro auf der Agenda. Bei einer 1,7-fachen Überzeichnung erfolgte die Zuteilung der mit einem Kupon von null Prozent ausgestatteten Gattung bei einem gewogenen Durchschnittskurs von 100,12 Prozent, was einer Durchschnittsrendite von -0,06 Prozent entspricht.

Die am Kapitalmarkt von anderen Eurostaaten begebenen Anleihen konnten nicht zu solchen Konditionen platziert werden, aber dennoch waren Frankreich, Irland, Italien, Niederlande und Spanien aktiv und sammelten mehrere Milliarden Euro mittels neuer Anleihen und Aufstockungen alter Emissionen ein.

Der Euro zwischen Gesundung und Rückfall

In diesem Jahr können wir bis dato auf einen goldenen Oktober zurückblicken. Die sommerlichen Temperaturen verleiten oftmals zu einer allzu sommerlichen Garderobe, obwohl im Schatten der Jahreszeit angepasste Temperaturen herrschen. Dadurch kann man sich leicht einen Schnupfen oder gar eine Grippe einfangen.

Gewisse Parallelen sind in dieser Handelswoche beim Euro zu sehen. Zwar befand sich die Gemeinschaftswährung aufgrund von Spekulationen auf eine spätere Zinswende in den USA auf dem Weg der Besserung und stieg bis auf 1,279 US-Dollar, um anschließend wieder auf 1,2604 US-Dollar zu fallen. Zum Wochenstart konnte sich die Gemeinschaftswährung dennoch etwas berappeln. Der nächste Fieberstoß in Form des rückläufigen ZEW-Index drückte den Euro allerdings wieder zurück ins Krankenbett. Doch nach der Veröffentlichung schwacher Einzelhandelsumsätze am gestrigen Nachmittag kam er erneut zu Kräften. Infolgedessen hat sich der Patient über der Marke von 1,27 US-Dollar stabilisiert und notiert aktuell bei 1,2795 US-Dollar.

Besser erging es dem Euro im direkten Vergleich mit dem britischen Pfund. Hierbei konnte der Euro von gedämpften Zinserhöhungsphantasien der Inselwährung profitieren und stieg von 0,7846 auf 0,8046 britische Pfund.

Um aus dem Rendite-Schatten Eurolands in die Sonne zu gelangen, waren viele Investoren bereit, ein Devisenrisiko bei Fremdwährungsanleihen einzugehen. Derzeit fragen Privatanleger insbesondere Anleihen auf US-Dollar, südafrikanische Rand und brasilianische Real nach.

Weitere Währungsanleihen mit ausführlichen Informationen finden Sie auf Baader Bondboard.

Autor: Klaus Stopp, stellvertretender Leiter Rentenhandel der Baader Bank.

Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors wieder, nicht die der Redaktion von boerse-frankfurt.de. Sein Inhalt ist die alleinige Verantwortung des Autors.

Baader Bank AG
© 16. Oktober 2014

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