2014-10-14



Das Ziel ist ehrgeizig: Innerhalb der nächsten anderthalb Dekaden soll Berlin zur smartesten City in Europa werden. Das hat Berlins Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer vor einigen Wochen als Ziel verkündet. Der Smart-City-Wettbewerb in der EU ist also eröffnet. Und nicht nur dort: Bereits heute lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Nach einer Prognose der Vereinten Nationen wird dieser Anteil bis zur Mitte dieses Jahrhunderts auf 70 Prozent anwachsen. Gleichzeitig soll die Zahl der Menschen von sieben auf über neun Milliarden zunehmen. Die Städte müssen demzufolge mit einer immer größer werdenden Zahl von Einwohnern klarkommen. Fast alle Metropolen stehen vor identischen Herausforderungen: Wie kann die Wasserversorgung gewährleistet werden, wie lässt sich der Stromverbrauch trotz Wachstum absenken, wie verhindert man den Verkehrsinfarkt? Ohne moderne Technologien, die größtmögliche Vernetzung durch IT, wird dies nicht gelingen.

Als die europäische Smart-Cities-Initiative vor knapp vier Jahren gestartet wurde, standen für den damals zuständigen EU-Kommissar Günter Oettinger vor allem Fragen der Energieeffizienz im Vordergrund. Denn Kommunen, so seine damalige Auffassung, könnten wesentlich zum Erreichen der ambitionierten EU-Klimaziele beitragen.

Diese Ziele existieren nach wie vor – aber unter dem Dach der Smart City vereint sich mittlerweile deutlich mehr – ein ganzheitlicher Ansatz für die vernetzte Stadt.

Beispiel Berlin: In den kommenden zehn Jahren wird ernsthaften Prognosen zufolge die Hauptstadt um knapp 300 000 Menschen wachsen. Das ist in etwa die Größenordnung der alten Bundeshauptstadt Bonn. Yzer spricht von einer „neuen Großstadt“ in der Hauptstadt. Um eine solche Aufgabe zu bewältigen, sollten von Beginn an „neue technische Möglichkeiten“ genutzt werden, von der Verkehrspolitik über die Energieversorgung bis hin zur smarten Verwaltung, so die Politikerin. Information und Vernetzung ist das Stichwort für die Stadt der nahen Zukunft. Doch da stehen viele Städte noch am Anfang.

Beispiel Verkehrssteuerung: In Metropolen wie Berlin ist es sehr schwierig, festzustellen, welche Verkehrsmittel in der City oder ihrem Umland von welchen Personengruppen genutzt werden. Ist es die städtische Verkehrsgesellschaft, der regionale Verkehrsdienstleister der unmittelbar an die Stadt grenzenden Nachbarländer oder das S-Bahnnetz? Da aus Gründen der Fahrgast-Bequemlichkeit bei Monats- oder Jahresticket-Nutzern auf eine tagtägliche Zutrittskontrolle verzichtet wird, ist es für die beteiligten Unternehmen heute unmöglich, präzise zu ermitteln, wer am Jahresende welchen Anteil vom Umsatz der verkauften Fahrkarten bekommt. Diese Entscheidung wird auf Basis von Umfragen getroffen, die nur alle drei Jahre erhoben werden und daher unpräzise und wenig aktuell sind. Dabei kann sich die angenommene Ungenauigkeitsrate für einige Unternehmen auf Einbußen von mehreren Millionen Euro pro Jahr summieren. Mit Start-Ziel-Analysen der Bus und Bahn fahrenden Handynutzer könnten die rein statistischen Daten extrapoliert werden und den beteiligten Verkehrsträgern präzise gesagt werden, wie viele Menschen mit welchen Beförderungsmitteln in ihrem Regionalverbund gefahren sind. Abhilfe könnte hier eine Big-Data-Analyse schaffen. Ohne Big Data keine Smart City.

Big Data aber ruft in der Öffentlichkeit sehr unterschiedliche Reaktionen hervor. Die Telekom hat dazu die Studie „Big Data und Datenschutz“ veröffentlicht. Die Hauptaussage der Studie:  Nur eine kleine Minderheit ist bereit, ohne Einschränkungen Daten freizugeben. Allerdings: Die Menschen differenzieren stark nach Verwendungszweck. Für die Verbesserung medizinischer Leistungen würden drei Viertel persönliche Daten hergeben, für eine Vermeidung von Staus und Emissionen im Verkehr knapp die Hälfte. Für eine bessere personalisierte Kaufempfehlungen aber nur zehn Prozent.

Vorbehalte in der Öffentlichkeit sind zwar vorhanden, aber mit der Differenzierung von Big Data durchaus überwindbar – gerade auch unter Berücksichtigung europäischer Datenschutzregelungen. Das hat längst auch die EU erkannt, die sich nicht länger bei dem Thema Big Data von großen US-Unternehmen und den eher laxen Datenschutzbestimmungen in den USA abhängig machen will. “Wir wollen Europa beim globalen Datenrennen an die Spitze bringen”, kündigte Anfang der Woche die zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes in Brüssel an. “Big Data ist der Treibstoff der Wirtschaft”, umriss Kroes die Bedeutung des Sektors für den Kontinent: “Und Europa hängt hinterher. Jede Big-Data-Company kommt aus den USA.” Europa sollte hierbei aber Mitspieler auf Augenhöhe sein. “Es ist nicht zu spät, aber wir müssen uns beeilen”, unterstrich Kroes.

Das ehrgeizige Ziel der Kommissarin: Bis 2020 sollen 30 Prozent des weltweiten Datenmarktes europäischen Anbietern gehören, 100.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Der Energieverbrauch in der Datenverarbeitung soll um 10 Prozent sinken, Gesundheitswesen und Industrie leistungsfähiger werden. Zwei Frauen, zwei Ziele für Smart Cities und Big Data.

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