2016-06-23

Stimmen die Briten gegen die EU, rechnen Analysten mit heftigen Ausschlägen an den Börsen. Das Pfund würde stark verlieren, Gold teurer werden. Aktien wiederum dürften auf breiter Front an Wert verlieren. “Dies liegt daran, dass zunächst oft unklar ist, was das Ereignis langfristig für fundamentale Auswirkungen hat und viele Investoren daher zunächst aus dem Risiko gehen und Aktien verkaufen”, sagt Christian Kahler, Chefanlagestratege der DZ Bank.

Was aber kommt nach dem Schock? “Langfristig entscheidend ist, welche Auswirkungen ein Ereignis auf die fundamentale Entwicklung der Unternehmensgewinne haben wird”, sagt Kahler. Kurz gefragt: Macht ein Unternehmen nach dem Brexit mehr Gewinn oder weniger als vorher?

Doch welche Konzerne sind besonders stark mit Großbritannien verwoben? Wer könnte vom Brexit vielleicht sogar profitieren? Zehn Unternehmen und Branchen, die ein Brexit betreffen würde:

1. HSBC UND ANDERE BANKEN

Was passiert nach dem Brexit mit dem Finanzplatz London? Das ist die große Frage für die Banken. Viele von ihnen dürfte den sogenannten EU-Pass verlieren, durch den sie ihre Finanzprodukte nach ganz Europa verkaufen können, ohne dort eigene Filialen zu betreiben.

Großbritanniens größte Bank HSBC hat ebenso wie das US-Institut JP Morgan oder die Deutsche Bank bereits angedeutet, dass im Fall eines Brexits Stellen von London nach Kontinentaleuropa verlagert werden.

Solche Pläne könnten Investoren weiter verunsichern. Durch die niedrigen Zinsen stehen die Geldhäuser ohnehin schon unter Druck, der Aktienkurs von HSBC etwa ist in den vergangenen zwölf Monaten um 26 Prozent gesunken. Die Unsicherheit nach dem Brexit könnten die Kurse noch einmal zusätzlich fallen lassen. “Die Tage rund um das Referendum werden für die Kapitalmärkte ein Härtetest”, prophezeit Deutsche-Bank-Chef John Cryan.

2. AIRBUS

Der Luftfahrtkonzern baut seine Flugzeuge in vier europäischen Ländern: Deutschland, Frankreich, Spanien – und Großbritannien. Die Briten produzieren im walisischen Broughton die Flügel für alle nicht militärischen Jets. Im englischen Filton erforscht Airbus neue Flügeltechnik.

Das Unternehmen würde diese Standorte nach einem Brexit nicht schließen. Aber ein Austritt könne beeinflussen, an welchen Standorten die Gruppe in Zukunft ihr Geld investiert, hat das Management in einem Brief an die Mitarbeiter geschrieben. “Wir wissen einfach nicht, wie das ‘draußen’ aussieht.”

Klar ist: Wird der Handel zwischen Großbritannien und der EU teurer, verteuert das auch die Produktion von Airbus. Das wäre der Fall, wenn es nach dem Brexit kein neues Freihandelsabkommen gibt.

3. BMW UND DIE AUTOBRANCHE

Rund ein Drittel der deutschen Exporte nach Großbritannien sind Autos und Autoteile. Auch bei den Importen aus Großbritannien stehen Fahrzeuge weit vorn.

Während Volkswagen und Daimler vor allem auf die Insel liefern, wäre BMW gleich doppelt betroffen. Zum einen verkauft der Konzern jedes zehnte Auto in Großbritannien, zum anderen produziert er dort den Kleinwagen Mini und betreibt ein Motorenwerk. Fällt der Freihandel weg, dürfte das den Konzern belasten.

4. TUI UND DIE TOURISMUSINDUSTRIE

Der Reisekonzern Tui macht in Großbritannien mehr Umsatz als in Deutschland. Fällt infolge des Brexit das Pfund, werden Reisen ins Ausland für Briten teurer. Das dürfte Tui nicht gefallen.

Die britische Tourismusindustrie könnte hingegen vom schwachen Pfund profitieren. Schließlich würde dadurch Urlaub auf der Insel für Ausländer günstiger.

5. LINDE

Der Gasehersteller und Anlagenbauer Linde macht laut einer Analyse der DZ Bank rund neun Prozent seines Umsatzes in Großbritannien – neben den Autobauern einer der höchsten Werte unter den Dax-Konzernen. Vor zehn Jahren hat Linde den britischen Konkurrenten BOC gekauft, um damals den größten Gasproduzenten der Welt zu formen. Die Verflechtungen mit Großbritannien sind also stark.

6. TATE & LYLE

Tate & Lyle Sugars ist der größte Rohrzuckerproduzent Europas – und dessen Vizepräsident Gerald Mason ist auf die EU gar nicht gut zu sprechen. “Wir zahlen nicht weniger als 3,5 Millionen Euro Importzölle auf Rohrzucker an die EU, nur damit die EU dieses Geld nimmt, um unsere Zuckerrübenkonkurrenten aus Europa zu subventionieren”, hat Mason in einem Brief an seine Mitarbeiter geschrieben. Fielen solche Importzölle nach einem Brexit weg, könnte Tate & Lyle Sugars profitieren.

7. SAINSBURY’S UND ANDERE SUPERMÄRKTE

Die britischen Supermarktketten halten sich aus der Brexit-Frage heraus. Keiner der Konzerne wie Tesco, Sainsbury’s oder Morrisons hat Wahlaufrufe für eine Seite unterschrieben. Man wolle wohl keine Kunden mit anderer Meinung vergraulen, mutmaßt der “Guardian”.

Spannend wird der Brexit für die drei Unternehmen dennoch. Die deutschen Discounter Aldi und Lidl machen den Briten seit einigen Jahren Konkurrenz in ihrem Heimatmarkt. Je nachdem wie ein Abkommen nach dem Brexit aussieht, könnte die Expansion für die Deutschen schwerer werden.

8. MAN GROUP UND DIE HEDGEFONDS

Hedgefonds könnten zu den Gewinnern eines Brexit gehören. Sie hoffen, dass nach einem EU-Austritt lästige Regulierungen wegfallen, welche besonders riskante und komplexe Geschäfte bislang einschränken. Die prominenten Hedgefonds-Manager Crispin Odey und Paul Marshall beteiligten sich an einem Appell von Vote Leave, der größten Kampagne von Brexit-Befürwortern.

Doch ausgerechnet der Chef des weltweit größten börsennotierten Hedgefonds, Man Group, teilt diese Hoffnung nicht. “Wir haben hier ein gutes regulatorisches Umfeld”, sagte Emmanuel Roman dem “Handelsblatt” und warnte vor potenziell “dramatischen” Konsequenzen. So brauche es viel Zeit, um neue Handelsvereinbarungen abzuschließen. Eine Verlagerung des Geschäftssitzes sei riskant, weil es in London besonders viele qualifizierte Mitarbeiter gebe. “Es wäre schwierig, in einer anderen europäischen Stadt etwas Ähnliches aufzubauen.”

9./10. KANZLEIEN UND UNTERNEHMENSBERATUNGEN

Für viele Unternehmen lassen sich die Konsequenzen eines Brexit noch nicht vorhersehen, weil niemand weiß, wie die wirtschaftlichen Beziehungen Großbritanniens mit der EU konkret aussehen werden. Zumindest zwei Branchen stehen aber schon jetzt als Gewinner fest: Anwälte und Unternehmensberater.

Unternehmen müssten sich nach dem EU-Austritt neu orientieren und überlegen, wie sie ihr Geschäft auf der Insel fortsetzen. Volle Auftragsbücher für McKinsey und Co. wären die Folge. Werden in der Folge Verträge angepasst, bedeutet das wiederum mehr Arbeit für die Kanzleien.

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