2015-09-14

Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb 2015. Hinweise zum Ablauf des Bewerbs und wie ihr dabei Abstimmen könnt findet ihr hier. Informationen über die Autoren der Wettbewerbsbeiträge findet ihr jeweils am Ende der Artikel.

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Was ist Energie? Wie tritt Energie in Erscheinung? Wie können wir Energie erschaffen? Wie sieht die Zukunft der Energie auf?

Die Energie selbst hat sich mit einigen Antworten an die Menschheit gewandt:

Werte Menschen,

Ihr kennt mich alle – oder glaubt vielmehr mich zu kennen: Ich bin die Energie. Keine eurer Naturwissenschaften kommt heute ohne mich aus, ich beschäftige ganze Parlamente, und die Spirituellen unter euch haben oft eine ganz eigene Vorstellung von mir. Wer ich bin, erscheint da geradezu simpel und selbstverständlich. Aber kennt ihr mich wirklich so gut?

Wenn man nämlich darum bittet, mich vorzustellen, zu erklären was Energie ist, rauchen nicht selten die Köpfe. So kommt selbst der bekannte Physiker Harald Lesch bei dem Versuch mich zu präsentieren gehörig ins Straucheln. Das gibt er sogar selbst zu.

Was ist Energie?

Ihr könnt mich also nicht erklären? Das mag daran liegen, dass ihr mich erfunden habt. Und das häufig gar nicht mehr wisst. Ihr habt mir einen altgriechischen Namen gegeben: “en” steht für “innen”, und “ergon” für “Wirken”. Ich bin also “inneres Wirken”, so etwas wie in einem Gegenstand gespeicherte Arbeit.

Und Gespeichertes kann stets woanders hin weitergegeben werden. Das gilt auch für mich. Sobald ich weitergegeben werde, tut sich etwas in der Welt: Ich setze etwas in Bewegung, bewirke eine wahrnehmbare Veränderung.

Eine geladene Batterie zum Beispiel ist ein fester, schwerer und eigentlich ziemlich langweiliger Gegenstand. Wenn man sie aber in einen Stromkreis einfügt, kann Licht entstehen, ein Elektromotor dreht sich, oder Kathis Tastatur sendet Wörter und Sätze an ihren Computer und lässt Blogartikel entstehen.

Und dann kommt ihr ins Rechnen. Wieviel Veränderung kann ein Ding bewirken, das….das…was eigentlich enthält? Mich, habt ihr euch gedacht, die Energie. Ich habe in jedem Ding einen Betrag, welcher dem entspricht, was es bewirken kann. Und das, obwohl ich keinerlei Platz wegnehme!

Das heisst, ich bin bloss eine Zahl, eine abstrakte physikalische Rechengrösse, die ihr jedem Ding in eurer Welt zuordnen könnt (Darüber sind Harald Lesch und verschiedene Info-Portale zur Energie (z.B. http://www.energie.ch) sich übrigens einig).

Wie wird Energie übertragen?

Bei den Dingen bin ich allerdings ziemlich unbeliebt. Alles strebt danach mich schnellstmöglich los zu werden. Dabei muss ich aber stets irgendwo hin, sodass der einzige Weg mich los zu werden darin besteht, mich woanders hin abzugeben.

Manchmal wird mein Betrag, der einem Ding zugeordnet ist, dabei einfach kleiner, und jener meines Ziels grösser. Sehr oft jedoch ändere ich dabei auch meine “Gestalt”, und damit die Art und Weise, in welcher ihr mich in euren Rechnungen erfasst. In jedem Fall bewirke ich dabei eine Veränderung der Dinge, die mich enthalten: Eine Kugel, die eine Anhöhe hinab rollt, wird beschleunigt, Atome werden zu neuen Molekülen umgebaut, und vieles mehr.

Zum Glück gibt es in der Natur weitere Regeln, die bei diesen Veränderungen befolgt werden müssen: Grössen wie Impuls, Drehimpuls, aber auch die Anzahl Elementarteilchen bestimmter Sorten müssen stets erhalten bleiben. So ist es nicht immer ganz einfach mich los zu werden, und ich kann unter den richtigen Umständen in den Dingen gespeichert verbleiben.

Wenn ich dann schliesslich doch gehe, unterscheidet ihr gern zwei verschiedene Wege, auf welchen ich den Abgang machen kann:

Arbeit

Wenn ich zuvor unbemerkt in einem Ding gespeichert war, ist die Veränderung, die ich bei dieser Art Abgang bewirke, in irgendeiner Weise gerichtet. Die Pulverexplosion im Gewehrlauf verlasse ich (besser: ein Teil von mir) als kinetische Energie der Kugel in Richtung Mündung, und aus Molekülen werden in einer chemischen Reaktion bestimmte andere Moleküle mit weniger Energie. Weil ihr euch diesen Weg gerne zu Nutze macht, indem ihr meine Umwandlung nach euren Vorstellungen lenkt, nennt ihr mein gerichtetes Wirken gerne “Arbeit”. Und wenn man sich Arbeit macht, kommt (meistens) irgendetwas sinnvolles, geordnetes dabei heraus.

Wärme

Eine besondere Gestalt meiner selbst ist die Wärme, oder thermische Energie. Jegliche Materie hat Wärme, denn Wärme ist die ungeordnete Bewegung all jener winzigen Teilchen, aus denen die Materie besteht. Und da jegliche Materie Wärme hat, kann auch jegliche Materie sie abgeben, wenn ihre Umgebung weniger Wärme hat. Dabei kann ein Ding seine Wärme auf zwei Arten loswerden:

Wärmeleitung: Materieteilchen in ungeordneter Bewegung übertragen ihre Bewegung durch “Anschubsen” auf benachbarte Materie. Aus makroskopischer Sicht, also im Grossen und Ganzen betrachtet, entsteht so der Eindruck, die Wärme ‘fliesse’ von der wärmeren in die kältere Materie.

Wärmestrahlung: Sobald geladene Elementarteilchen (Elektronen, Protonen, Atomkerne, Ionen) sich bewegen, erzeugen sie elektromagnetische Strahlung. So entsteht bei der ungeordneten Bewegung in jeglicher Materie zwangsläufig Strahlung. An der Oberfläche eines Festkörpers, einer Flüssigkeit oder Gasmasse kann diese Strahlung austreten und nimmt die in ihr enthaltene Wärme mit sich. Wärmestrahlung ist übrigens nicht auf Infrarot-Licht beschränkt! Das Glühen eines heissen Stück Metalls ist auch eine Erscheinung von Wärmestrahlung, deren Wellenlänge im Bereich des sichtbaren Bereich liegt.

Wo kommt die Energie her?

Der Erste Hauptsatz der Thermodynamik, der Energieerhaltungssatz, besagt: Energie kann in einem geschlossenen System nicht erschaffen (oder vernichtet) werden. Demnach gibt es mich im wohl grössten geschlossenen System, das ihr kennt – eurem Universum, seit dieses grundlegende Naturgesetz gilt: schon (fast) immer. Ich bin so alt wie die Welt! Und die begann nach den gängigen Theorien der Kosmologie mit dem Urknall vor etwa 13,8 Milliarden Jahren, dem ersten Moment nach der Anfangs-Singularität.

Eine Singularität ist für die Physiker ein besonderer Umstand, unter welchem die physikalischen Gesetze, wie ihr sie kennt, keine Gültigkeit haben. Das gilt auch für den Energie-Erhaltungssatz. Somit konnte ich in jener Singularität, welche die Physiker am Anfang des Universums annehmen, womöglich erschaffen werden. Wie ging das vor sich? Da sind die Physiker bis heute überfragt…und ich leider auch.

Die erste Energie des Universums – ab dem ersten Moment nach der Anfangssingularität, bis zu welchem die Physiker anhand ihrer Urknall-Theorie zurückrechnen können – ist in reiner Strahlung enthalten gewesen: Elektromagnetische Strahlen, oder besser Wellen (mehr zu elektromagnetischer Strahlung bzw. “Licht” gibt es hier) haben sich kreuz und quer durch den wachsenden Raum ausgebreitet. Erst nachdem das Universum nach den ersten Augenblicken seines Daseins ausreichend gross war um den dafür notwendigen Voraussetzungen zu entsprechen, ging durch meine ersten Umwandlungen aus der Strahlung Materie (und Antimaterie) hervor, die bis heute euer Universum formt.

Energie auf der Erde

Der spannendste Abschnitt meiner Reise durch das Universum ist der Aufenthalt auf der Erde: Hier bewege ich die Dinge auf vielfältigste Weise. Seit der Entstehung eures Planeten komme ich aus seinem Innersten, oder ich gelange mit der Strahlung der Sonne zu euch. Hier treffe ich auf Lebewesen, die dafür geschaffen sind, mich zu verändern. Da gehe ich rein, werde umgewandelt und komme in neuer Gestalt wieder raus.

So nutzen Pflanzen die Energie der Sonnenstrahlung um daraus chemische Energie zu gewinnen und diese im Zuge der Photosynthese in neuen Molekülen zu speichern. Andere Lebewesen, Tiere und ihr Menschen, nehmen die Pflanzen als Nahrung zu sich und gewinnen daraus Wärme, Bewegungsenergie und manches mehr.

Aber nicht nur eure Körper wandeln Energie. Ebenso seid ihr immer mehr versessen darauf, mich ausserhalb eurer Körper umzuwandeln. So baut ihr die fantastischsten Maschinen um Energie zu erzeugen. Dabei wisst ihr spätestens jetzt, dass ihr mich gar nicht erzeugen könnt. All eure Maschinen können mich einzig in die Gestalt zwingen, die ihr nutzen wollt. Und das ist heute in den meisten Fällen elektrische Energie.

Als elektrische Energie bin ich euch deshalb so lieb, weil ihr in dieser Form bequem Energie speichern und transportieren könnt. Dazu müsst ihr einzig in den getrennten Hälften eines tragbaren Gegenstands unterschiedliche elektrische Ladung sammeln. Dann habt ihr eine Batterie. Sobald ihr die Hälften später miteinander verbindet, fliesst entlang der Verbindung ein elektrischer Strom in dem Bestreben, den Ladungsunterschied auszugleichen. Und die Energie dieses Stroms pflegt ihr dann für die Erzeugung von Licht, Bewegung und vielem mehr zu nutzen.

Dabei beklagt ihr euch gerne, eure elektrischen, also Strom nutzenden Geräte würden zu viel Energie verbrauchen. Das klingt immer danach, als ob ich dabei verschwände. Dabei werde ich bloss von eurem Energiespeicher woanders hin übertragen. Euer Speicher wird so zwar leer, aber ich bin nach wie vor vorhanden.

Nun denkt ihr vielleicht, ihr bräuchtet mich nur von einer geordneten Form in die nächste umzuwandeln, und dann zurück in die erste Form, damit ihr mich während dieser Übertragungen endlos nutzen könnt….

Das wäre ja zu einfach!

Dann wäre die Energieproblematik, die euch so sehr auf Trab hält, schlichtweg nicht vorhanden. Aber wie fast alles habe auch ich einen Haken. Ihr werdet sicher schon einmal beobachtet haben, dass jedes Mal, wenn ich von einem Ding ins nächste übergehe, ein Teil von mir als Wärme frei wird – und das ist mein Problem. Da Wärme nichts anderes ist als die ungeordnete Bewegung von Materie, verbreite ich, wo ich auch hingehe, Unordnung. Deshalb habt ihr meine Schwester, die Entropie, erfunden: Die Entropie ist eine weitere physikalische Rechengrösse, der Betrag der in einem System herrschenden Unordnung.

Und der 2. Hauptsatz der Thermodynamik sagt: Bei spontaner Zustandsänderung kann die Entropie in einem System niemals abnehmen. Das heisst, wenn ich ein Ding aus freien Stücken verlasse, entsteht mindestens ebenso viel Unordnung wie ich anderswo Ordnung schaffe. Wer mich geordnet nutzen will, muss mich in einen Speicher einpacken – und dazu Energie einsetzen, wobei wieder Wärme – Unordnung – entsteht. Wenn ich also erst einmal Wärme bin, lasse ich mich nicht einfach wieder einpacken. So kann es keine “vollständige” Übertragung von einer nutzbaren Energieform in die andere geben: Es kommt immer Wärme mit dabei heraus.

Deshalb ist der Bau einer Maschine, die mich ewig im Kreis herum reicht (das wäre ein Perpetuum mobile), nicht möglich.

Jeder hat Interesse an wenig “Verlust”

Eure Ingenieure wissen das nur zu gut. Deshalb sind sie stets darum bemüht zu vermeiden, dass ich mich als Wärme aus dem Staub mache (es sei denn, sie wollen eine Heizung bauen). So achten sie stets darauf, dass eure Maschinen einen möglichst hohen Wirkungsgrad an den Tag legen.

Der Wirkungsgrad einer Energie-Umwandlung ist das Verhältnis des nutzbaren Energie-Betrags, der dabei heraus kommt zu dem Gesamt-Energiebetrag, der umgewandelt wird. Da der Gesamt-Energiebetrag stets grösser ist als der nutzbare Betrag, hat dieses Verhältnis stets einen Wert zwischen 0 und 1 – oder anders ausgedrückt einen Wert in % von 1.

So hat ein moderner Elektromotor, der elektrische Energie in Rotationsenergie (eine Art ‘im Kreis’ gerichtete Bewegungsenergie) umwandelt, einen Wirkungsgrad von über 0,9 bzw. 90%. Bevor ihr jetzt frohlockt und euchsofort ein E-Bike oder Elektroauto anschafft, denkt daran, dass jede weitere Übertragung meiner selbst – zum Beispiel die Umwandlung von Rotationsenergie zu geradeaus gerichteter Bewegungsenergie – ihren eigenen Wirkungsgrad beisteuert.

Den Gesamtwirkungsgrad eures Fahrzeugs erhaltet ihr, wenn ihr die Wirkungsgrade aller darin auftretenden Umwandlungen multipliziert. Und ein Produkt von Zahlen zwischen 0 und 1 ist stets kleiner als die kleinste dieser Zahlen. Wenn ihr mich effektiv, also verlustarm nutzen möchtet, sucht euch also ein Gefährt aus, das mit möglichst wenig Energie-Übertragungen auskommt.

Im Übrigen haben auch natürliche Vorgänge einen Wirkungsgrad. Für die Umwandlung von Strahlungsenergie in chemische Energie im Rahmen der Photosynthese liegt der Wirkungsgrad im Bereich zwischen 29% und 34%, während der eurer Muskeln in der Regel noch darunter liegt. Da bleibt eine Menge Wärme übrig, die euer Körper jedoch anderweitig gut zu nutzen weiss: Wenn euch kalt ist, geht einmal zügig einen Hügel hinauf, und ihr werdet es spüren.

Wohin geht die ganze Wärme?

Die ganze Wärme, die im Zuge all meiner Umwandlungen auf der Erde entsteht, fliesst früher oder später in die Erdatmosphäre ab, und kann von dort weiter in den Weltraum abgegeben werden (als Wärmestrahlung, aber auch im All gibt es noch genügend Teilchen zum Anschubsen).

Dass bei jeder Veränderung, die ich bewirke, Wärme entsteht, hat aber noch eine weitere, sehr endgültige Konsequenz: Irgendwann bin ich nur noch Wärme.

Was bedeutet das für die Zukunft eures Universums?

Das Universum dehnt sich nach eurem neuesten Erkenntnisstand immer weiter und schneller aus, während sich Materie und Strahlung immer feiner und gleichmässiger darin verteilen (etwas genauer hat Florian Freistetter mein Schicksal hier beschrieben). Irgendwann in unvorstellbar ferner Zukunft wird es mich nur noch als Wärme geben, die völlig gleichmässig auf alle verbleibenden Teilchen und Strahlung verteilt ist. Dann werde ich zwar immer noch da sein, aber nichts mehr bewirken können: Das Universum verharrt bis in alle Ewigkeit im thermischen Gleichgewicht.

Fazit

Ihr mögt mich, die Energie, für eure physikalischen Rechnungen wohl erfunden haben. Dennoch könnt ihr mich weder erschaffen noch dauerhaft festhalten. Aber ihr könnt mich nutzen, wenn meine Reise über euren Planeten führt. Doch nutzt mich mit Bedacht, denn mein Weg führt nur in eine Richtung. Ich unterliege den Gesetzen der Thermodynamik, die mein Schicksal bestimmen: Ich werde unweigerlich in Wärme und Unordnung enden.

Mit besten Grüssen,

Eure Energie

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Hinweis zur Autorin: Dieser Artikel wurde von Kathi geschrieben: “Ich bin Chemikerin sowie angehende Lehrerin und blogge Geschichten aus Natur und Alltag auf www.keinsteins-kiste.ch.”

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